Sign up with your email address to be the first to know about new products, VIP offers, blog features & more.

Das Down-Syndrom / Trisomie 21: Entstehung & Ursachen

Das Down-Syndrom ist die häufigste chromosomale „Fehlverteilung“ beim Menschen. Besonders bei Schwangeren über 35 erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für ein Kind mit diesem Syndrom. Dank verbesserter chirurgisch- therapeutischer Möglichkeiten bedeutet die Diagnose heute jedoch lange kein Leben in Ausgrenzung oder frühes Todesurteil mehr.
— Dr. Tobias Weigl


Von Medizinern geprüft und nach besten wissenschaftlichen Standards verfasst

Dieser Text wurde gemäß medizinischer Fachliteratur, aktuellen Leitlinien und Studien erstellt und von einem Mediziner vor Veröffentlichung geprüft.

Quellen ansehen

Das Down-Syndrom ist eine der wenigen lebensfähigen Trisomien (hier liegt ein zusätzliches Chromosom 21 vor). Typisch sind die runde Gesichtsform mit schmalen Augen, markantem Oberlid, schmalen Lippen und kleiner Mundpartie sowie Kleinwüchsigkeit. Mit dem Down-Syndrom assoziiert sind oftmals auch innere Fehlbildungen. Besonders häufig sind angeborene Herzfehler sowie Entwicklungsstörungen im Bereich des Magen-Darm-Traktes. Auch ist prinzipiell das Risiko für die Entwicklung einer Leukämie, erblicher Krebsformen und einer „frühen“ Demenz um das 50. Lebensjahr herum erhöht. Der IQ liegt zwischen 20 und 50, kann in Einzelfällen je nach Förderung und genetischer Anlage jedoch auch höhere Werte erreichen. Bei adäquater Therapie eventueller körperlicher Fehlbildungen haben Menschen mit Down-Syndrom mittlerweile eine Lebenserwartung von etwa 60 Jahren. Viele können Dank entsprechender Einrichtungen und Fördermaßnahmen ein nahezu normales Leben führen, teils sogar am Berufsleben teilnehmen.

Frau Mayer ist in der 22. Schwangerschaftswoche und aufgrund ihres Alters (über 35 Jahre) und auffälliger Blutbefunde soll eine Ultraschalluntersuchung zur eventuellen Frühdiagnose eines Down-Syndroms stattfinden. „Wie würden Sie denn erkennen, dass mein Kind ein Down-Syndrom hat?“, fragt sie, während die Gynäkologin mit dem Ultraschallkopf über ihren Bauch fährt. „Bei Kindern mit Down-Syndrom stellt sich im Nacken eine Transparenz dar, meist kann man zusätzlich Fehlbildungen innerer Organe, zum Beispiel des Herzens erkennen. Zur Sicherung der Verdachtsdiagnose erfolgt anschließend auf Wunsch eine Nabelschnurpunktion mit Analyse der kindlichen Blutzellen – spätestens nach Vorliegen der Ergebnisse kann eine Trisomie 21 mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen oder bestätigt werden. Bei Ihnen“, sie weist auf den Ultraschallbildschirm, „scheint eine solche Nackentransparenz vorzuliegen. Das allein muss noch nichts bedeuten, ich würde Ihnen jedoch zu weiteren Untersuchungen raten, wenn das Vorliegen eines Down-Syndroms Auswirkung auf Ihren Kinderwunsch hätte und gegebenenfalls ein Abbruchkriterium für Sie darstellt“

Was ist eine Trisomie?

Der menschliche Chromosomensatz beinhaltet regelhaft 22 sogenannte Autosomen in doppelter Ausführung (also insgesamt 44) und zwei Geschlechtschromosomen (entweder XY, was zur Ausbildung eines männlichen Individuums führt oder XX, woraus sich eine Frau entwickelt). Dabei besteht jedes Chromosom jeweils aus zwei sogenannten Chromatiden (ein Chromatid vom Vater, eins von der Mutter), die mittig in der sog. Zentromer-Region miteinander verbunden sind. In den Keimzellen (Eizelle bei der Frau bzw. Spermium beim Mann) liegen die Chromosomen in einem einfachen Chromosomensatz vor, sprich 22 X oder bei Spermien auch 22 Y und enthalten pro Chromosom auch nur ein Chromatid. Durch die Verschmelzung der Keimzellen entsteht dann eine Zelle mit 22 Chromosomen à zwei Chromatiden plus Geschlechtschromosomen und nach Verdopplung wieder ein Organismus mit vollständig doppeltem Chromosomensatz.

Nun kann es jedoch vorkommen, dass bei der sogenannten Reduktionsteilung, der Bildung von Keimzellen mit einfachem Chromosomensatz, ein beliebiges Chromosom falsch verteilt wird, sodass es in allen nachfolgenden Tochterzellen dann als zusätzliches Chromosom vorhanden ist (im Falle des Down-Syndroms wäre das eine Keimzelle mit z. B. dem Chromosomensatz 22 Chromosomen, 1 X-Chromosom + das Chromosom 21). Im Falle der Geschlechtschromosomen ist dies oft nicht weiter problematisch, da sie wenige und meist vor allem nur für die geschlechtsspezifische Entwicklung wichtige Gene enthalten. Überzählige X-Chromosomen können beispielsweise einfach inaktiviert werden. So wird auch ganz natürlich die doppelte X-Gendosis bei jeder Frau verhindert – indem in jeder Zelle per Zufall eins der beiden X-Chromosomen „abgeschaltet“ wird.

Anzeigen

Zusätzliche Y-Chromosomen erhöhen hingegen typischerweise die Gendosis männlicher Hormone. Die entsprechenden Männer werden meist sehr groß und zeigen ggf. hyperaktiv-aggressives Verhalten, sind ansonsten jedoch völlig unauffällig. Auch Männer mit dem Chromosomensatz XXY fallen meist erst bei unerfülltem Kinderwunsch auf, da das überzählige X-Chromosom hier meist zur Infertilität (= Unfruchtbarkeit) führt.

Bei den 22 sogenannten Autosomen (Nicht-Geschlechtschromosomen) ist es anders. Hier enthalten die einzelnen Chromosomen deutlich mehr Gene, sodass es bei überzähligen Chromosomen meist zu einer gravierenden Genüberdosis kommt, die in einer Vielzahl der Fälle schon zu Beginn der Schwangerschaft oder gar vor der Einnistung der Eizelle in die Gebährmutter zum Tode führt. Lediglich drei Trisomien der Autosomen sind überhaupt potenziell lebensfähig. Die Trisomie 13 (Pätau-Syndrom), 18 (Edwards-Syndrom) und 21 (Down-Syndrom), wobei die Trisomie 21 noch die mildeste Variante einer Trisomie darstellt. Die Betroffenen haben bei entsprechender Therapie und Förderung allgemein gute Überlebens- und Lebensvoraussetzungen, während die Trisomie 13 und 18 meist mit derart schweren Fehlbildungen assoziiert sind, dass die jungen Patienten innerhalb kürzester Zeit nach der Geburt, meist schon im 1.
Lebensjahr, versterben.

Exkurs: Die lebensfähigen Trisomien

Die beiden anderen potenziell lebensfähigen Trisomien sind deutlich schwerer als das
Down-Syndrom.

Bei der Trisomie 13 liegen meist schwere Fehlbildungen des Gehirns gepaart mit Spaltbildungen im Gesicht (Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte) vor. Ebenfalls typisch sind zusätzliche Finger oder Zehen, schwere Herzfehler, Fehlbildungen der Nieren und Defekte der Kopfhaut. Aufgrund der zahlreichen schweren inneren und äußeren Fehlbildungen versterben die Patienten meist innerhalb des ersten Lebensjahres. Die Überlebenden entwickeln neben Schluckstörungen, die die Ernährung über eine Magensonde nötig machen, meist eine schwere Epilepsie und sind häufig von Geburt an sowohl blind als auch taub.

Bei der Trisomie 18 fallen die Kinder häufig durch extreme Wachstumsverzögerungen im Mutterleib auf und zeigen ebenfalls Fehlbildungen des Gehirns sowie Herzfehler. Typisch sind hier ein kleiner Kopf mit großen, spitz zulaufenden Ohren, übereinandergeschlagene Finger und Zehen sowie Herz- und Magen-Darm-Fehlbildungen. Auch bei der Trisomie 18 ist die Lebenserwartung sehr niedrig – gelingt es die Fehlbildungen zu korrigieren, können die kleinen Patienten dennoch meist nicht schlucken, zeigen eine schwere Immunschwäche, Epilepsie, Sehstörungen und eine immer stärker werdende Skoliose (seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule). Versterben sie nicht kurz nach der Geburt ist dennoch kein eigenständiges Leben möglich. Die Patienten lernen nie laufen und können im Idealfall später lediglich über Gestik und Mimik kommunizieren.

Wie kommt eine Trisomie zustande?

Es gibt mehrere Möglichkeiten zur Entstehung einer Trisomie. Im weitaus häufigsten Fall kommt es während der Keimzellentwicklung der Frau zu einer Fehlverteilung. Bei der zuvor beschriebenen Reduktionsteilung werden (zur Erinnerung, die Zelle enthält zu diesem Zeitpunkt 44 Autosomen plus zwei Geschlechtschromosomen) erst die Zwei-Chromatid-Chromosomen jeweils auf die entgegengesetzten Seiten der Zelle befördert und diese in zwei Tochterzellen geteilt. Die beiden Tochterzellen enthalten dann jeweils 22 Zwei-Chromatid-Chromosomen sowie das Geschlechtschromosom. Durch eine erneute Teilung nach demselben Prinzip entstehen aus jeder Tochterzelle wiederum zwei Zellen, diesmal enthält jede Zelle 22 Ein-Chromatid-Chromosomen und das Geschlechtschromosom. Somit gehen aus ursprünglich einer Zelle vier Keimzellen hervor. Bei der Frau entwickelt sich jedoch nur eine davon zur tatsächlichen (weiblichen)
Eizelle – die anderen drei enthalten meist nur wenig Zellmaterial und werden zu inaktiven sogenannten Polkörperchen. Beim Mann entstehen aus einer Zelle zwei „weibliche“ und zwei „männliche“ Spermien.

Anzeigen

Wird bei der ersten oder der zweiten Teilung ein Chromosom zufällig auf die falsche Zellseite verteilt, kann in den Tochterzellen dann jeweils ein Chromosom (oder auch nur ein Chromatid) überzählig sein (oder entsprechend fehlen). Nach Verschmelzung der Keimzellen und Verdopplung entstehen schließlich Zellen, die ein Chromosom statt in zweifacher in dreifacher Ausführung aufweisen und damit eine Trisomie. Diese Form der Trisomie wird auch als freie Trisomie bezeichnet, da das überzählige Chromosom frei vorliegt und zufällig eine entsprechende Fehlverteilung stattgefunden hat. Solche Fehlverteilungen machen etwa 95% der Trisomien aus und haben grundsätzlich ein geringes Wiederholungsrisiko, korrelieren jedoch mit dem mütterlichen Alter und werden bei Schwangerschaften von Frauen über 30 Jahren, insbesondere jedoch bei
werdenden Müttern über 35 exponentiell häufiger.

In etwa 3% der Trisomie-Fälle ist das überzählige Chromosom Grund einer Translokations-Trisomie. Diese Trisomien sind im Unterschied zu den freien Trisomien nicht neu entstanden sondern lassen sich auf Anomalien im elterlichen Chromosomensatz zurückführen. Bei der sogenannten Robertson’schen Translokation, der häufigsten Form, fusionieren zwei ehemals getrennte Chromosomen miteinander. Häufig handelt es sich bei einem der Fusionschromosomen um das Chromosom 21 oder 22, weil diese Chromosomen sehr klein sind und auf einer Seite eine Region enthalten, die vorwiegend in der Proteinbiosynsthese wichtig ist, durch deren Verlust (bei Fusionsvorgängen) jedoch bisher keine klinischen Auffälligkeiten beobachtet werden konnten. Für die Patienten selbst ändert sich durch die Fusion meist nichts – denn es ist weder genetisches Material verloren gegangen, noch hinzugekommen.

Bei der Verteilung der Chromosomen bzw. Chromatiden auf die Tochterzellen im Rahmen der Keimzellbildung kann es nun jedoch vorkommen, dass ein unvollständiger Chromosomensatz bzw. überzählige Chromosomen in eine der Zellen gelangen und im Folgenden eine Trisomie entsteht. Zum Beispiel sei bei einem Patienten das Chromosom 21 mit dem Chromosom 14 fusioniert. In der Ursprungszelle macht dieser Vorgang erst einmal keinen Unterschied, da sowohl Chromosom 14, als auch Chromosom 21 vorhanden sind. Wird die Zelle nun geteilt, kann ein 14/21-Chromatid nun in eine Zelle mit einem normalen Chromosom bzw. Chromatid 21 gelangen – nach Verdopplung wäre das Chromosom 21 dann hinsichtlich der Gendosis dreifach vorhanden und es würde ein Down-Syndrom resultieren. Bei Menschen mit Translokations-Trisomien (hier sind beide Geschlechter etwa gleich häufig betroffen bzw. ihr jeweiliges Genmaterial ursächlich für die Entstehung des Syndroms) ist das Wiederholungsrisiko deutlich erhöht, da die exakte Chromosomenverteilung im Einzelfall nicht vorhergesagt werden kann und immer auch die Möglichkeit besteht, dass Zellen mit Anteilen des Fusionschromosoms vorkommen. Liegt das Chromosom 21 gar als Ring vor (Isochromosom 21), kommt es immer zu Fehlverteilung, da keine adäquate Trennung der Chromatiden erfolgen kann. Hierbei wären alle Kinder von einer Trisomie 21 betroffen.

In etwa 2% der Fälle liegen sogenannte Mosaike vor. Das bedeutet, dass ein Teil der Zellen beispielsweise eine Trisomie 21 aufweist, andere hingegen den normalen Chromosomensatz erhalten haben. Solche Varianten können z.B. durch einen Schutzmechanismus der Zelle entstehen – durch bisher nicht genau erforschte Mechanismen ist es Zellen nämlich grundsätzlich möglich, überzählige Chromosomen herunterzuregulieren und damit zu inaktivieren bzw. ganz aus dem Pool genetischen Materials auszuschließen. Tendenziell zeigen Patienten mit Mosaikbefund eher mildere Symptome und weniger schwerwiegende Fehlbildungen, als Menschen mit vollständig trisomem Chromosomensatz.

Was sind typische Zeichen eines Down-Syndroms?

Schon beim Neugeborenen fallen die aufsteigenden Lidachsen auf, die dem Kind ein „asiatisches“ Äußeres verleihen. (Daher auch die veraltete und abwertende Bezeichnung Mongolismus.) Typisch sind das von vorne runde Gesicht, der kleine Kopf mit kleinen, oft auch unregelmäßig geformten Ohren, schmale Lippen mit (aufgrund allgemeiner Muskelschwäche) leicht herausstehender Zunge und ein eher kurzer Hals. Des Weiteren ist die sogenannte „Vier-Finger-Furche“, eine durchgehende Falte bzw. Handlinie, die sich von unterhalb des Zeigefingers bis unterhalb des kleinen Fingers erstreckt, charakteristisch, sowie die „Sandalenlücke“ – ein übergroßer Zehenabstand zwischen der ersten und zweiten Zehe.

Nachfolgend fallen meist Kurzsichtigkeit, unkontrollierte Augenbewegungen und Hörstörungen auf. Fehlbildungen der inneren Organe, insbesondere des Herzens und Magen-Darm-Traktes gehören ebenfalls zum Gesamtbild des Syndroms. Das Risiko, eine Leukämie zu entwickeln, ist gegenüber der Allgemeinbevölkerung etwa 20-fach erhöht, ebenso das Auftreten einer Epilepsie.

Anzeigen

Die betroffenen Kinder entwickeln sich nach der Geburt verzögert und bleiben in motorischer und sprachlicher Entwicklung zurück. Charakteristisch ist auch die geistige Retardierung mit einem IQ zwischen 20 und 50, in seltenen Fällen auch darüber.

In höherem Alter steigt zudem die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung. Bei etwa 10% der Patienten mit Down-Syndrom wird bereits mit 50 Jahren ein Morbus Alzheimer diagnostiziert; von den 60-Jährigen sind bereits 75% betroffen.

Letztlich hängt das Überleben der Betroffenen von der Schwere der inneren Fehlbildungen bzw. deren chirurgische Korrigierbarkeit ab. Bei adäquater Therapie, logopädischer und physiotherapeutischer Unterstützung können die Patienten meist weitgehend normal am Alltagsgeschehen teilnehmen, eine Schule besuchen und in Einzelfällen auch einen Beruf ergreifen.

Wenn Sie oder ein Angehöriger vom Down-Syndrom betroffen sind, welche Merkmale sind neben der typischen Augen- und Gesichtsform bei Ihnen/Ihrem Bekannten aufgefallen?

Häufigkeit und Risikofaktoren

Die Trisomie 21 ist die häufigste chromosomale Störung und gleichzeitig auch die häufigste Ursache für geistige Retardierung beim Menschen. Sie betrifft etwa jedes 650. Neugeborene, Tendenz steigend. Diese Zunahme der Schwangerschaftsdiagnose „Down-Syndrom“ ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der Eintritt in die Mutterschaft besonders in Westeuropa sich immer weiter nach hinten verschiebt und somit Schwangerschaften mit über 30 Jahren eher Regel als Ausnahme geworden sind. Die Wahrscheinlichkeit ein Kind mit Down-Syndrom zu zeugen, korreliert nämlich mit dem mütterlichen Alter. Unter 30 Jahren liegt sie noch bei etwa 1:1.000, mit 35 Jahren schon bei 1:350 und mit z.B. 45 Jahren ist schon jedes 30. Kind statistisch ein Kind mit einer Trisomie 21. Auch aus diesem Grund gelten Schwangerschaften bei Frauen über 35 als „Risikoschwangerschaften“ und werden besonders engmaschig überwacht.

Letztlich kommt es aber nur bei circa 25% der befruchteten trisomen Eizellen überhaupt zur Einnistung in die Gebährmutterschleimhaut – die restlichen 75% gehen bereits vorher zugrunde. Und auch nach der Einnistung ist die Wahrscheinlichkeit für einen Spontanabort (= Fehlgeburt) hoch, sodass letztlich nur bei einem Bruchteil der trisomen Schwangerschaften überhaupt eine Austragung bis zur Geburt bzw. Lebendgeburt erfolgt.

Anzeigen

Aktuelles aus der Forschung

Schon 2013 gelang es den Wissenschaftlern um Jeanne B. Lawrence an der University of Massachusetts das überzählige Chromosom 21 aus Zellen eines Patienten mit Down-Syndrom stillzulegen – zumindest unter Laborbedingungen. Hierfür nutzten die Forscher das sogenannte XIST-Gen, dass für gewöhnlich nur auf X-Chromosomen vorkommt und hier die zufällige Inaktivierung eines der beiden X-Chromosome bedingt. Sie schafften es nun, das Gen in eines der überzähligen Chromosomen 21 einzubringen, woraufhin dieses tatsächlich abgeschaltet wurde. Folgende Versuche mit Mäusen blieben hinsichtlich langfristiger Wirksamkeit jedoch uneindeutig. Ein großes Problem stellt vor allem der Umstand dar, dass ein derartiger genetischer Eingriff sehr früh erfolgen müsste, um die typischen Organfehlbildungen der Patienten zu verhindern – zu einem Zeitpunkt, wo ein Down-Syndrom mittels konventioneller Methoden meist noch gar nicht zu diagnostizieren ist. Zweite große Problematik ist, dass das Einbringen zusätzlicher Elemente ins Genom (= die Gesamtheit der Gene eines Menschen) nicht absehbare Wechselwirkungen auf z. B. andere Chromosomen und ihre Gene haben kann. Zudem ist die Ausprägung des Syndroms bei allen Patienten höchst individuell – das Warum? war jahrelanges Rätsel. Nun haben Forscher um Thomas Blumenthal von der University of Colorado einen anderen Ansatz gewählt und sich in ihren Untersuchungen darauf fokussiert, welche Genprodukte des überzähligen Chromosoms 21 genau zu den Symptomen führen. Ihr Ergebnis – Proteine! Es ist lange bekannt, dass insbesondere Proteinablagerungen ursächlich für viele neurodegenerative Erkrankungen, allen voran Morbus Alzheimer sind. Bei Patienten mit Down-Syndrom scheinen durch das zusätzliche Chromosom 21 bestimmte Proteine in größerer Anzahl vorzukommen, als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Viele der detektierten Proteine haben wichtige regulatorische Funktionen in zahlreichen Immunprozessen – kommen sie vermehrt vor, überreagiert das körpereigene Immunsystem. Für die Forscher um Blumenthal steht fest: Diese Immunregulatorproteine verursachen die organischen Schäden im Verlauf der Embryonalentwicklung und sind ursächlich für die typischen Folgeerkrankungen beim Down-Syndrom sowie das frühe Auftreten demenzieller Erscheinungen. Gegenwärtig wird an Mäusen geforscht, inwiefern Medikamente gegen diese Proteine die Symptome des Syndroms lindern können.

Häufige Patientenfragen

Kann ein Down-Syndrom schon während der Schwangerschaft festgestellt werden?

Dr. T. Weigl:
Ja. Zum Beispiel wird im Rahmen des für alle Schwangeren angebotenen Ersttrimester-Screenings die Konzentration bestimmter Hormone im Blut bestimmt und im Ultraschall die oben bereits beschriebene Nackentransparenz gemessen. Ist diese auffällig verbreitert und ist das Hormon PAPP-A (pregnancy-associated plasma protein A) erniedrigt bzw. β-hCG (Teil des humanen Choriongonadotropins, das vom Fetus gebildet wird) erhöht, können das erste Anzeichen für eine Trisomie 21 sein. In nachfolgenden Ultraschalluntersuchungen würde man auf Wunsch versuchen den Verdacht durch weitere Auffälligkeiten wie z.B. Herzfehler oder sonstige Fehlbildungen zu erhärten oder zu entkräften. Letztlich größtmögliche, wenn auch nicht hundertprozentige Gewissheit liefern Amniozentese (kindliche Plazentaanteile) oder Nabelschnurpunktion (kindliche Blutzellen). Sind in den kindlichen Kulturen tatsächlich mehrheitlich trisome Zellen zu finden, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit ein Down-Syndrom vor.

Welche Untersuchungen und Kontrollen empfehlen Sie bei Vorliegen eines Down-Syndroms?

Dr. T. Weigl:
Empfehlungen zu Untersuchungen und Vorsorgemaßnahmen sind von der Amercian Academy of Pediatrics zu entsprechenden Leitlinien zusammengefasst. Die Ärzteschaft legt Patienten mit Down-Syndrom folgende Untersuchungen nahe:

  • regelmäßige Kontrolle des Blutbilds (am besten erstmalig nach Bekanntwerden der Diagnose)
  • Ultraschall bzw. Kardiografie des Herzens (ebenfalls so früh wie möglich, teils können Herzfehler auch im Mutterleib schon korrigiert werden, sodass die Patienten deutlich bessere Überlebenschancen aufweisen)
  • Messung der Schilddrüsenhormone (möglichst früh, da eine regelrechte Funktionalität der Schilddrüse besonders zu Beginn der Entwicklung entscheidend für die korrekte Ausbildung zahlreicher Strukturen wie Gehirn, Knochen usw. ist)
  • regelmäßige Vorstellung beim Augen – bzw. Hals-Nasen-Ohren-Arzt
  • regelmäßige Vorstellung beim Orthopäden zur Beobachtung der Wirbelsäulenentwicklung

Darüber hinaus ist wie bei jedem anderen Kind auch das familiäre Umfeld maßgeblich für die Entwicklung der Persönlichkeit und des Selbstemfpindens.

Frau Mayer hat sich gegen weitere Untersuchungen entschieden, weil sie ihr Kind nicht gefährden wollte und kurz vor dem errechneten Termin ein Mädchen mit Down-Syndrom zur Welt gebracht. Nach chirurgischer Korrektur eines leichten Herzfehlers war ihre motorische und sprachliche Entwicklung nur leicht verzögert. Mittlerweile besucht Leila nun die vierte Klasse einer Inklusions-Schule und kann dem Unterricht verhältnismäßig gut folgen. Sie ist ein aufgeschlossenes, freundliches Kind, das schnell Anschluss findet und von allen gemocht wird. Leilas Lehrer sind zuversichtlich, dass sie später eingeschränkt auch einen Beruf ergreifen und ein nahezu normales Leben führen kann. Frau Mayer ist glücklich, sich für Leila entschieden zu haben. Die meisten anderen Kinder mit Down-Syndrom in Leilas Schule sind allerdings deutlich schlimmer betroffen. Die große Spanne der Erkrankungsschwere ist eben Segen und Fluch zugleich.

Verwandte Themen

Sind Sie oder ein Mitglied Ihres Umfelds vom Down-Syndrom betroffen? Was haben Sie als besonders belastend oder umgekehrt vielleicht besonders herzerwärmend im Umgang mit dem Syndrom empfunden? Welchen Rat würden Sie betroffenen Familien geben? Oder haben Sie weitere Fragen? Nutzen Sie die Kommentarfunktion unten zum Austausch untereinander und mit uns!

Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.

Autoren: Anna-Alice Ortner und Dr. Tobias Weigl
Lektorat: Claudia Scheur
Veröffentlicht am: 05.09.2018, zuletzt aktualisiert: 08.12.2018

Quellen

  • Joaquin M. Espinosa & Thomas Blumenthal (2017): Trisomy 21 causes changes in the circulating proteome indicative of chronic autoinflammation. In: Scientific Reports 7, Artikel Nr: 14818.
  • Monica Hirsch-Kauffmann & Manfred Schweiger (2009): Biologie und molekulare Medizin, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  • Lisa L. Hall & Jeanne B. Lawrence (2013): Translating dosage compensating to trisomy 21, in: Nature 500, S. 296–300.
  • Ute Moog & Olaf Rieß (2014): Medizinische Genetik für die Praxis, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  • Christian P. Schaaf & Johannes Zschocke (2013): Basiswissen der Humangenetik, Springer Verlag, Berlin/Heidelberg.
Click to rate this post!
[Total: 6 Average: 5]
Anzeigen
Anzeigen

Noch keine Kommentare.

Was denkst Du?

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert