„Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ein dreifach erhöhtes Risiko, an einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall zu versterben. Die Erkrankung ist nicht selten. Etwa 800.000 bis 1 Million Menschen in Deutschland haben eine rheumatoide Arthritis. Ganz entscheidend ist der sehr frühe Beginn der Therapie.“
— Dr. Tobias Weigl
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Was ist rheumatoide Arthritis? Was sind die Ursachen für die Erkrankung?
Vorab sei zu erwähnen: Bei der rheumatoiden Arthritis handelt es sich weder um Arthrose noch um Gicht.
Bei der rheumatoiden Arthritis handelt es sich um eine entzündlich Gelenk- bzw. Autoimmunerkrankung, die in Schüben verläuft. Am häufigsten erkranken Personen zwischen 35 und 55 Jahren.
Die Ursachen für das Entstehen einer rheumatoiden Arthritis sind bis heute nicht vollends bekannt. Vermutet wird, dass es sich um eine Kombination aus einer Immunreaktion gegen einen unbekannten Infekt und einer genetischen Disposition handelt. Unter genetischer Disposition versteht man im Zusammenhang mit der rheumatoiden Arthritis, dass Patienten durch familiäre Veranlagung eine gewisse Anfälligkeit für die Erkrankung mitbringen. Das Erbmerkmal HLA-DR4, das etwa 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland aufweisen, geht dabei mit einem fünffach erhöhten Risiko, an rheumatoider Arthritis zu erkranken, einher.
Bei der rheumatoiden Arthritis gelangen Bakterien in Gelenke, vorwiegend in den Händen, und verursachen dort eine Autoimmunreaktion. Die körpereigenen Antikörper bekämpfen ebendiese Bakterien, was eine Entzündung in den Gelenken mit möglicherweise Gelenkerguss zur Folge hat. Die Knorpel- und Gelenkzerstörung ist das Ergebnis der Antikörper, die letzten Endes nicht nur den Eindringling (Bakterien), sondern auch eigene Bestandteile, bspw. den Knorpel, angreifen.
Video: Die rheumatoide Arthritis erklärt
Wie bemerkt man früh, dass man an rheumatoider Arthritis erkrankt ist? Wie sieht die Behandlung aus? Im nachfolgenden Beitrag erklärt Dr. Tobias Weigl die etwa 1 Prozent der deutschen Bevölkerung betreffende Autoimmunerkrankung und geht dabei auf Ursachen, Symptome und Behandlung ein.
Die Symptome: Was deutet auf das Vorliegen einer rheumatoiden Arthritis hin?
In der Medizin existiert der Ausdruck: „Die Hand des Rheumatikers ist seine Visitenkarte.“ Dies hängt mit den typischen Symptomen der Erkrankung zusammen. Denn dabei kommt es vor allem zu Fehlstellungen und Problemen an Händen sowie Füßen.
Zu den weiteren Symptomen zählen eine Morgensteifigkeit, die für circa eine Stunde anhält, sowie Schmerzen beim Händedruck, welche über den sogenannten Gaenslen-Handgriff festgestellt wird.
Überdies kommt es im Verlauf der rheumatoiden Arthritis zu Gelenkschwellungen, wobei zunächst immer erst kleine Gelenke betroffen sind, bspw. an der Hand oder am Fuß. Erst später kommen größere Gelenke hinzu.
In etwa einem Viertel aller Fälle lässt sich ein sogenannter Rheuma-Knoten finden. Dabei handelt es sich um eine Art „Knubbel“, der sich an der Unterarmseite nahe des Ellenbogens befindet.
Weitere typische Symptome sind Sehnenscheidenentzündungen oder das sogenannte Karpaltunnelsyndrom. Letzteres beschreibt eine Einklemmung des Mittelhandnervs im Handgelenkstunnel (sog. ‚Karpaltunnel‘).
Von rheumatoider Arthritis können nicht nur Gelenke betroffen sein, sondern auch innere Organe wie Herz, Lunge oder Augen.
Liegen bei Ihnen zwei oder mehr Schwellungen über einen Zeitraum von sechs Wochen vor, sollten Sie einen Arzt oder Rheumatologen aufsuchen. Was dieser macht, erfahren Sie im Folgenden.
Wen kann es betreffen?
Etwa 1 Prozent der deutschen Bevölkerung ist von rheumatoider Arthritis betroffen. Dies entspricht einer Inzidenz von etwa 30 Patienten mit rheumatoider Arthritis pro 100.000 Einwohner. Sie ist damit die häufigste chronisch entzündliche Autoimmunerkrankung. Am häufigsten betroffen sind Patienten in einem Alter zwischen 35 und 55 Jahren. Ihren Altersgipfel hat die Erkrankung um das 50. Lebensjahr. Hinzu kommt, dass Frauen etwa drei- bis viermal so häufig betroffen sind wie Männer. Als Risikofaktoren gelten eine ungünstige genetische Veranlagung sowie Rauchen. Letzteres beeinflusst überdies den Krankheitsverlauf negativ.
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Am Anfang der Diagnose steht zunächst immer das Anamnesegespräch. In diesem erfragt der Arzt wertvolle Informationen. Im Zusammenhang mit rheumatoider Arthritis wird sich der Arzt bspw. vor allem nach ähnlichen Fällen in der Verwandtschaft erkundigen. Das hängt mit der zuvor bereits erwähnten familiären Veranlagung zusammen.
Darauf folgt eine körperliche Untersuchung, im Rahmen welcher sich der Arzt vor allem mit den Händen und den Füßen, aber auch den inneren Organen befasst und die einzelnen Körperregionen begutachtet sowie abtastet.
Einen weiteren wichtigen Bestandteil der Diagnose bilden bildgebende Verfahren. In diesem Zusammenhang erfolgt zunächst eine Ultraschalluntersuchung der Gelenke (sog. ‚Arthrosonographie‘), mit deren Hilfe Gelenkergüsse nachgewiesen werden können. Außerdem wird ein Röntgenbild angefertigt, in welchem sich die typische Zerstörung bzw. Schädigung von Knochen erkennen lässt.
Lassen sich im Röntgenbild keine Veränderungen der knöchernen Struktur feststellen, bspw. Schädigungen oder Zerstörungen, heißt das nicht, dass keine rheumatoide Arthritis vorliegt.
In einem vierten Schritt erfolgt im Rahmen der Diagnose eine Blutwertbestimmung hinsichtlich bestimmter Laborparameter. Bei diesen handelt es sich um:
- Rheumafaktor: Ein Eiweißstoff im Blut, der bei etwa 50 Prozent aller Rheuma-Patienten nachgewiesen werden kann.
- Antikörper gegen CCP: Antikörper gegen citrullinierte Peptide (CCP) können bei etwa 60–85 Prozent der an rheumatoider Arthritis erkrankten Patienten nachgewiesen werden.
- Antinukleäre Antikörper (kurz ANA): Diese richten sich gegen Zellkerne und sind bei etwa 10 Prozent der Patienten nachweisbar.
Eine Erhöhung dieser drei Parameter dient als Hinweis auf eine rheumatoide Arthritis.
Rheumatoide Arthritis
- Sie ist die häufigste chronisch entzündliche Autoimmunerkrankung
- Etwa 1 Prozent der deutschen Bevölkerung ist betroffen
- Frauen sind etwa der- bis viermal so häufig betroffen wie Männer
Symptome
- Fehlstellungen an Händen oder Füßen
- Morgensteifigkeit
- Schmerzen beim Händedruck
- Gelenkschwellungen kleiner Gelenke
- Gelenkschwellungen großer Gelenke
- Rheuma-Knoten
- Sehnenscheidenentzündung
- Karpaltunnelsyndrom
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Wichtig: Je früher man mit der Behandlung beginnen kann, desto günstiger ist die Prognose für den weiteren Verlauf der Erkrankung. Es gilt der Grundsatz: „Hit hard and early.“ (Schlag hart und früh zu.)
Bei der Behandlung von rheumatoider Arthritis bilden vor allem Medikamente einen wichtigen Baustein. Dabei wird vorwiegend auf sogenannte Basistherapeutika zurückgegriffen. Die gängigsten zur Anwendung kommenden Medikamente in dieser Gruppe sind Methotrexat (MTX), Sulfasalazin und Ciclosporin A. Bei akuten Schüben hingegen kommt vor allem Kortison zum Einsatz. Überdies haben sich in jüngster Zeit bei der Behandlung rheumatoider Arthritis auch sogenannte Biologika im Rahmen der Anti-TNF-α-Therapie bewährt.
Bei Biologika handelt es sich um gentechnisch hergestellte Abwehrstoffe, die gegen bestimmte Entzündungsbotenstoffe gerichtet sind oder Rezeptoren an Immunzellen hemmen. Mithilfe von Biologika konnten bei Patienten mit rheumatoider Arthritis vermehrt anhaltende Remissionen, also Krankheitsstillstände, bewirkt werden. Sie zeichnen sich im Vergleich zu den anderen synthetischen Basistherapien durch einen schnelleren Wirkeintritt aus und können nachweislich besser die Knochenveränderung bremsen.
Rheumatoide Arthritis wird nicht mehr mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac behandelt. Die rein symptomatische Behandlung, welche diese Medikamente ermöglicht, ist mittlerweile überholt.Wenn Sie mehr über die NSAR Ibuprofen und Diclofenac erfahren möchten, können Sie sich folgenden Beitrag anschauen. In diesem geht Schmerztherapeut Dr. Tobias Weigl auf Wirkungen sowie Nebenwirkungen der im Handel frei erhältlichen Präparate ein.
Mehr über die Auswirkungen dieser Medikamente auf unser Herz und weitere damit zusammenhängende Gefahren erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag im Gespräch zwischen Dr. Tobias Weigl und Dr. Heart.
Als zweiter wichtiger Baustein der Therapie rheumatoider Arthritis gilt die Physiotherapie. Damit soll vor allem die Versteifung der Gelenke verhindert werden, damit bspw. die Hände weiter verwendet werden können.
Positiven Einfluss auf den Verlauf rheumatoider Arthritis zeigen auch eine physikalische Therapie, vor allem eine Thermotherapie, eine Ernährungsanpassung mithilfe eines Ernährungsberaters sowie weitere fachärztliche medizinische Maßnahmen.
Häufige Patientenfragen
Wie sieht die Prognose bei rheumatoider Arthritis aus?
Dr. T. Weigl
Entscheidend für die Prognose ist gemäß des Grundsatzes „Hit hard and early“ ein sehr früher Therapiebeginn. Faktoren, die sehr wahrscheinlich eine schlechte Prognose zur Folge haben, sind
- eine späte Diagnose
- eine Erkrankung an rheumatoider Arthritis ab dem 60. Lebensjahr
- weibliches Geschlecht
- Rauchen
- hohe Laborparameter (Rheumafaktor, Antikörper gegen CCP und Antinukleäre Antikörper)
Wird eine rheumatoide Arthritis hingegen in den ersten sechs Monaten nach ihrem Ausbruch behandelt, so halbiert sich bspw. das Risiko für bleibende Gelenkschäden. Überdies kann mit einer frühen Therapie vor allem der erhöhten Sterblichkeit von Patienten mit rheumatoider Arthritis im Vergleich zur Normalbevölkerung vorgebeugt werden.
Was ist Morbus Bechterew?
Dr. T. Weigl
Auch bei Morbus Bechterew (sog. ‚Spondylitis ankylosans‘) handelt es sich um eine chronisch verlaufende entzündlich-rheumatische Erkrankung. Diese wirkt sich aber vor allem auf die Wirbelsäule aus, wo sich zum Teil Verknöcherungen der Gelenkumgebung und knöcherne Überbrückungen zwischen Gelenken ergeben können, was mitunter im Endstadium zur vollständigen Versteifung führen kann. Ihren Beginn hat die Erkrankung meist bei Patienten in einem Alter zwischen 15 und 30 Jahren.
Wenn Sie mehr über Morbus Bechterew erfahren möchten, schauen Sie sich gerne den folgenden Beitrag an. In diesem gehe ich auf die Ursachen, die Symptome sowie die Therapie der Autoimmunerkrankung ein.
Welche Erfahrungen haben sie mit rheumatoider Arthritis gemacht? Möchten Sie sich bei uns weiter über das Thema erkundigen? Nutzen Sie unsere Kommentarfunktion unten, um von Ihren Erfahrungen zu berichten und sich mit anderen auszutauschen!
Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.
Autoren: Tobias Möller und Dr. Tobias Weigl
Lektorat: Sarah Sodke
Datum: 21.07.2018
Quellen
- Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC): Karpaltunnelsyndrom.
- Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e. V.: Die Erkrankung Morbus Bechterew.
- Edmund Edelmann (2017): Rheumatoide Arthritis: Behandlung.
- Edmund Edelmann (2017): Rheumatoide Arthritis: Prognose & Verlauf.
- Edmund Edelmann (2017): Rheumatoide Arthritis: Untersuchungen & Diagnose.
- Edmund Edelmann (2017): Rheumatoide Arthritis: Ursachen & Risikofaktoren.
- Karl Egerer et al (2009): Serologische Diagnostik der rheumatoiden Arthritis – Antikörper gegen citrullinierte Antigene, in: Dtsch Arztebl Int 2009; 106(10): 159–63; DOI: 10.3238/arztebl.2009.0159.
- Michael Hammer (2017): Rheumatoide Arthritis.
- Herold et al.: Innere Medizin. Eigenverlag 2012, ISBN 978-3-981-46602-7.
- Hilal Kavruk, H. E. Langer (2015): Rheumafaktor.
Hans Grubmüller
27.04.2020 21:42Meine Tante ist in dem Alter, wo sie jetzt Scherzen in ihren Gelenken spürt. Wir fürchten, dass es Rheuma sein könnte. Gut zu wissen, dass Personen zwischen 35 und 55 Jahren am häufigsten erkranken sind. Wir werden einen Termin für sie beim Arzt vereinbaren, damit sie untersucht werden kann.
Kim
10.05.2021 07:38Ist es normal, dass wenn man keine aktive RA hat, über die Wintermonate und Wetterwechsel trotzdem immer wieder Schmerzen hat oder kommt da wieder ein neuer Schub?
K.W.
01.06.2021 15:39Hallo,
ich bin auf dieser Seite hängengeblieben, weil mich der Punkt mit dem erhöhten Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt interessiert. Leider sind die Infos hierzu nicht sehr spezifisch. Daher meine Frage: Besteht dieses Risiko bei späten (also lange nicht behandelten) Erkrankten auch nach längerer Behandlung und weitgehender Remission? Oder nur solange, wie nicht diagnostiziert und mit Basistherapie behandelt wird?
Besten Dank schon mal im voraus.