Ob Intervallfasten wirklich Typ-2-Diabetes begünstigt, muss offenbleiben. Das müssen erst noch weitere Studien mit Menschen beweisen.
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenWissenschaftler der Universität São Paulo haben auf der Jahrestagung der European Society of Endocrinology Studienergebnisse vorgestellt, die nahelegen, dass Intervallfasten, derzeit eine beliebte Form der Diät, möglicherweise langfristig zum Typ-2-Diabetes führen kann. Das hätten Experimente an Ratten ergeben. Andere Wissenschaftler bleiben aber skeptisch, welchen Aussagewert die Ergebnisse für Menschen letztlich haben.
Intervallfasten (auch intermittierendes Fasten genannt) ist derzeit eine sehr beliebte Form der Diät, in der sich Fasten- mit Essensphasen abwechseln.
Und Intervallfasten scheint Erfolg zu versprechen: Erst vor Kurzem hat sich sogar die American Heart Association für das Intervallfasten ausgesprochen und dessen Vorteile betont. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, dass die langfristigen Auswirkungen für den Menschen bisher kaum untersucht wurden. Studien mit Tierversuchen gibt es dagegen einige, wie auch eine aktuelle Studie aus Brasilien: Diese legt nun nahe, dass Intervallfasten womöglich die Entstehung von Typ-2-Diabetes fördert.
Was hat die Wissenschaft herausgefunden?
Intervallfasten soll die Entstehung von Typ-2-Diabetes fördern
Auf der Jahrestagung der European Society of Endocrinology in Barcelona hat Ana Bonassa von der Universität São Paulo Ergebnisse präsentiert, die nahelegen könnten, dass Intervallfasten möglicherweise die Entstehung des Typ-2-Diabetes begünstigt. Ausgangspunkte der Studie war es, die Langzeitfolgen des Intervallfastens genauer zu untersuchen. Dafür wurde diese Diätmethode für drei Monate an sogenannten Wistar-Ratten getestet.
- Während dieser drei Monate wurden Gewicht und Nahrungsaufnahme der Ratten dokumentiert. Ihnen wurde nur alle zwei Tage Futter zugeführt.
- Nach den drei Monaten wurden die Tiere getötet und Pankreas, Fettgewebe, Leber und Muskelgewebe untersucht.
- Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass die Ratten durch die Diät zwar Gewicht verloren haben. Allerdings wurde dieser Gewichtsverlust dadurch erzielt, dass Muskelmasse abgebaut wurde. Stattdessen nahm das viszerale Fettgewebe sogar zu. Das Viszeralfett ist besser bekannt als Bauchfett.
- Außerdem beobachteten die Wissenschaftler, dass die Fressattacken der Ratten an den Tagen, an denen die Tiere genügend Futter bekamen, den Magen vergrößerten.
- Die aber womöglich folgenreichste Wirkung der Diät war, dass die Ratten eine Insulinresistenz entwickelten, die auf lange Sicht zu Typ-2-Diabetes führen kann. Anzumerken ist aber, dass die Ratten im Verlauf der Studie noch nicht an Diabetes erkrankt waren.
- Die erhöhte Insulinresistenz führt Ana Bonassa darauf zurück, dass sie und ihr Team im Pankreas der Ratten Anzeichen dafür fanden, dass die Betazellen beschädigt wurden. Betazellen sind diejenigen Zellen im Pankreas, die für die Insulinproduktion zuständig sind.
- Bonassa vermutet, dass sogenannte freie Radikale für die Schädigung der Betazellen verantwortlich seien. Freie Radikale sind Zwischenprodukte des Stoffwechsels und entstehen dauernd in jeder Zelle des Körpers. Sie sind sauerstoffhaltige Moleküle, denen ein Elektron fehlt. In der Folge versuchen sie, anderen vollständigen Molekülen ein Elektron zu entreißen. Dieser Prozess wird dann Oxidation genannt. Übersteigen diese Oxidationen ein erträgliches Maß, wird der Körper belastet und es kommt zum sogenannten oxidativen Stress, der schlimmstenfalls Krankheiten begünstigen kann. Freie Radikale können u. a. ausgelöst werden durch Rauchen oder UV-Strahlung und andere Schadstoffe. Vollkommen schädigend sind die freien Radikale allerdings nicht, sie dienen zum Beispiel auch der Immunabwehr.
Videoexkurs – Diabetes
Was genau ist Diabetes überhaupt? Was ist eine Insulinresistenz und wie wird Diabetes behandelt? Mehr Informationen dazu gibt Ihnen Dr. Dr. Tobias Weigl im folgenden Video.
Kritische Würdigung der Studie
Bedeuten die Ergebnisse der Studie also, dass Intervallfasten letztlich gesundheitsschädigend ist? Experten äußern sich aus verschiedenen Gründen zurückhaltend: Ernährungswissenschaftler wiesen darauf hin, dass der Nahrungsverzicht an ein oder zwei Tagen in der Woche viele Menschen bei der Gewichtsabnahme unterstützen könne. Darüber hinaus wären die Tiere während der Studie nicht an Typ-2-Diabetes erkrankt, sodass die Möglichkeit einer solchen Erkrankung zunächst nur eine Vermutung der Wissenschaftler ist.
Vor diesem Hintergrund lassen sich zudem einige Kritikpunkte anbringen, die den Aussagewert für den Menschen anzweifeln lassen. Zum einen würden die Ergebnisse einer einzigen tierexperimentellen Studie kaum Rückschlüsse auf den Menschen zulassen. Gerade der Versuchsaufbau der Studie ist diesbezüglich kritisch zu sehen: Beim Menschen ist das Intervallfasten eine Entscheidung, die er bewusst getroffen hat, die Ratte dagegen nicht. Das Magenvolumen der Ratte wächst dementsprechend, da sie, sobald das nächste Mal Nahrung vorhanden ist, tendenziell so viele Kalorien wie möglich aufnimmt, um ihr Überleben zu sichern. Der Mensch plant aber seine nächste Mahlzeit im Gegensatz zur Ratte, wodurch sich das Magenvolumen des Menschen womöglich sogar verringern könnte, aber zumindest nicht größer wird. Zudem hätten Ratten einen deutlich schnelleren Stoffwechsel als Menschen: Ein Nahrungsmangel wirkt sich dementsprechend schneller und stärker negativ auf die Ratte aus als auf den Menschen, sodass die Nahrungszufuhr im Experiment – nur an jedem zweiten Tag – womöglich nicht zielführend ist. Hinzu kommt, dass mit Intervallfasten eigentlich kein extremes Fasten gemeint ist, da die Nahrungszufuhr beim Intervallfasten reduziert und stärker reguliert, aber nicht völlig vermieden wird. Außerdem existieren Studien, die das Gegenteil belegen, also das Intervallfasten sogar vor Typ-2-Diabetes schützen könne.
Nichtsdestotrotz ist die Studie insofern ein wichtiger Schritt, da sie Anstöße für zukünftige Untersuchungen auch am Menschen liefert, die bisher nur in geringer Zahl vorhanden sind. Größtenteils liegen Studien mit Tierversuchen vor, die positive Effekte des Intervallfastens zeigen: so kann Intervallfasten u. a. vor diversen Erkrankungen schützen. Vor diesem Hintergrund wird deshalb seit einiger Zeit diskutiert, ob Intervallfasten nicht sogar erfolgreich bei Migräne eingesetzt werden könnte.
Wissenswertes zu Intervallfasten bei Migräne
Was ist Migräne überhaupt?
Die Migräne ist eine der häufigsten Formen von Kopfschmerzen. Dabei kommt es zu heftigen halbseitigen Kopfschmerzattacken, die oft als starkes Pochen empfunden werden. Die Attacken treten periodisch auf; bei körperlicher Aktivität werden die Schmerzen stärker. Die genauen Ursachen sind bisher nicht geklärt, bei einem Migräneanfall lässt sich aber eine Überlastung der Nervenzellen und -fasern beobachten, was u. a. mit einer Erweiterung der Blutgefäße einhergeht. Sind die Nervenzellen nun stark beansprucht, können verschiedene Faktoren eine Migräne auslösen, bspw. Stress, Hunger oder das Wetter. Bei der Migräne spielt auch der Blutzuckerspiegel eine wichtige Rolle: Werden die Nervenzellen stark beansprucht und besteht dann ein Mangel an Energie, erkennbar an einem niedrigen Blutzuckerspiegel, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit eines Migräneanfalls.
Wie funktioniert Intervallfasten?
Beim Intervallfasten wird das gewöhnliche Essverhalten durch Fastenphasen unterbrochen. Das hat den Vorteil, dass so Gewicht verloren werden kann, aber gleichzeitig auch die eigenen Essgewohnheiten überdacht werden können. Zusätzlich verbessert sich der Stoffwechsel und das Fasten wirkt entzündungshemmend, bringt also einige gesundheitliche Vorteile mit sich. Es gibt verschiedene Arten des Intervallfastens, bspw. die 16/8-Methode: Hier gibt es eine Fastenphase von 16 Stunden, in der keinerlei Kalorien zugeführt werden dürfen, und eine Essensphase von 8 Stunden.
Kann Intervallfasten bei Migräne helfen?
Intervallfasten kann möglicherweise einen positiven Effekt auf Migräne haben. Ob und wie stark dieser Effekt aber ausfällt, müssen Betroffene für sich individuell testen. Grundsätzlich gilt aber, dass Sie, falls Sie sich mit Migräne für das Intervallfasten entscheiden, auf jeden Fall Rücksprache mit ihrem Arzt halten, um Komplikationen zu vermeiden. Da hinsichtlich des Blutzuckerspiegels gerade das Frühstück für Migränepatienten wichtig ist, sollte diese Mahlzeit nicht wegfallen. Generell sind lange Hungerphasen zu vermeiden. Beim Intervallfasten können Sie den Zeitraum für das Fasten selbst festlegen und so darauf achten, dass die Dauer nicht bedenklich wird. Ebenso wichtig ist, dass Sie einen passenden Zeitpunkt wählen, um mit dem Fasten zu beginnen, da gerade zu Beginn der Fastenphase der Körper vermehrt Stresshormone ausschüttet, die Kopfschmerz- bzw. Migräneattacken begünstigen können.
Videoexkurs – Intervallfasten bei Migräne
Wie genau funktioniert Intervallfasten und was passiert bei Migräne? Und ist Intervallfasten bei Migräne sinnvoll? Das und mehr erklärt Ihnen Dr. Tobias Weigl im folgenden Video.
Häufige Patientenfragen
Gibt es Nebenwirkungen beim Intervallfasten?
Dr. T. Weigl
Für einige Personengruppen ist das Fasten ungeeignet. Dazu zählen u. a.
Typ-1-Diabetiker, Menschen mit Essstörungen oder Schwangere und Stillende. Ebenfalls sollten Sie, falls Sie Medikamente einnehmen oder an chronischen Erkrankungen leiden, vorher mit Ihrem Arzt sprechen. Ansonsten kommt es gerade am Anfang des Fastens zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder ggf. zu Kopfschmerzen. Diese Symptome sind aber in der Regel harmlos und vergehen meistens von selbst, sobald der Körper sich an das Fasten gewöhnt hat.
Wie kann ich Migräne vermeiden?
Dr. T. Weigl
Häufig wird ein Migräneanfall durch zu wenig Flüssigkeitsaufnahme oder ausgelassene Mahlzeiten ausgelöst. Deshalb sind regelmäßiges Essen und Trinken absolut notwendig. Außerdem ist Stress ein zentraler Auslöser für Migräne, weshalb Ruhe und Entspannung wichtig sind, um Anfällen vorzubeugen. Regelmäßige Auszeiten, ein passendes Stressmanagement und das Ausführen von Entspannungsübungen können Abhilfe schaffen. Abgesehen davon sollten die auslösenden Faktoren für Migräne, die sogenannten Trigger, vermieden werden. Das können bspw. bestimmte Nahrungsmittel, aber auch Schlafmangel oder Wetterschwankungen sein.
Wie wird Migräne behandelt?
Dr. T. Weigl
Migräne an sich ist zwar nicht heilbar, aber meistens gut behandelbar. Dabei muss für jeden Patienten eine individuell angepasste Therapie gefunden werden. Abgesehen von der Prophylaxe, also der Vorbeugung, gibt es einige Maßnahmen, die Schmerzen einer Migräneattacke zu lindern. Dazu gehören u. a. Entspannungsübungen, Ruhe, ausreichender Schlaf und kohlenhydratreiche Nahrung unmittelbar vor dem Schlafengehen. Medikamente, die zum Einsatz kommen können, sind u. a. Paracetamol oder Ibuprofen. Treten die Migräneattacken mehrmals im Monat auf oder ziehen sich die jeweiligen Attacken über mehr als zwei Tage hin, können zum Beispiel Betablocker (z. B. Metroprolol), eine hohe Dosis Magnesium oder sogar Antidepressiva gegeben werden.
Videoexkurs: Migräne
Wie sollte ich mich bei einer Migräne verhalten? Welche Lebensmittel sollte ich vermeiden und wie wird Migräne noch ausgelöst? Mehr dazu erklärt Ihnen Dr. Tobias Weigl im folgenden Video.
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.
Autoren: Dr. Tobias Weigl, Sebastian Mittelberg
Lektorat: Tobias Möller
Datum: 16.07.2018
Quellen
- Jamy Ard et al. (2017): Meal Timing and Frequency. Implications for Cardiovascular Disease Prevention: A Scientific Statement from the Amercian Heart Association.
- C. Baumeier et al. (2015): Caloric restriction and intermittent fasting alter hepatic lipid droplet proteome and diacylglycerol species and prevent diabetes in NZO mice, in: Biochimica et Biophysica Acta (BBA) – Molecular and Cell Biology of Lipids1851/5, S. 566–576.
- Irène Barone-Kaganas (2006): Migräne beim Erwachsenen – Pathophysiologie, Klinik, Diagnostik und Behandlung, in: Schweizer Medizin Forum 6, S. 668–673.
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DNG) (2018): Leitlinien der DNG – Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne
- EurekAlert! The Global Source for Science News (2018): Could intermittent fasting diets increase diabetes risk?
- Lioba Hofmann (2017): Intervallfasten. Auswirkungen auf Gewicht und Gesundheit, in: Ernährung im Fokus, S. 1-5.
- rme/aerzteblatt.de (2018): Begünstigt Intervallfasten die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes?
2 Antworten
Маленькие люди чаще болеют диабетом • HealthNews – Nachedeau
11.09.2019 16:46[…] показало, что меньшие люди имеют более высокий Риск диабета 2 типа есть. Предыдущие исследования уже показали, что […]
Kleine Menschen bekommen häufiger Diabetes • HealthNews - NG-A
11.09.2019 19:23[…] neue Untersuchung hat aufgedeckt, dass kleinere Personen ein höheres Risiko für Diabetes Typ 2 haben. Vorangegangene Forschungsarbeiten haben bereits gezeigt, dass die Körpergröße eine Rolle […]