„Verstopfung wird oft klein geredet, so können schlimmere Krankheiten übersehen werden. Das muss nicht sein.“ — Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenBei einer Verstopfung (sog. ‚Obstipation‘) ist der Stuhlgang verzögert oder erschwert, was meist zur geringen oder fehlenden Ausscheidung von Stuhl führt. Die Ursachen können verschieden sein.
Ab wann spricht man von Verstopfung?
Von Verstopfung spricht man im Regelfall dann, wenn über einen längeren Zeitraum nur wenig Stuhl abgesetzt werden. Wenn die Stuhlentleerungen sich auf weniger als drei Mal pro Woche belaufen, dann spricht man von einer Obstipation, einer Verstopfung. Symptome unterteilen sich in zwei Bereiche:
- Bei Obstipation im Darmbereich kommt es zu einem Völlgefühl ohne spontanen Stuhldrang, oder auch vermehrtes Rülpsen oder Gasausscheidung ohne spontanen Stuhldrang.
- Obstipation im Bereich des Anus oder Rektums macht sich durch einen ständigen Stuhldrang ohne vollständige Entleerung bemerkbar.
Durch Obstipation können folgende Nebenerscheinungen auftreten:
- Aussackungen, auch Divertikel genannt, an der Wand des längsten Teils des Dickdarms (Colon), sog. Divertikulose
- Eine Entzündung dieser Aussackungen (Divertikulitis)
- Hämorriden
- Steinartig verdickter Kot, auch Kotstein genannt (sog. Koprolithen)
Verstopfung betrifft ab dem 60. Lebensjahr bis zu jeden dritten Menschen
Ursachen
Verstopfung kann vielerlei Gründe haben. Grundsätzlich kann jede Altersgruppe und jedes Geschlecht von einer Verstopfung betroffen sein. Einer der häufigeren Gründe für eine Obstipation, vor allem wenn es sich um chronische Beschwerden handeln, kann das Verhalten im Allgemeinen sein. Darunter fallen das Essen von faserarmer Kost oder Kost, die Verstopfung fördert (z.B.: Weißbrot, Schokolade etc.), fehlende Bewegung oder zu wenig Flüssigkeit im Körper. Auch ein unterdrückter Defäkationsreiz, das ‚drinhalten‘, kann zu Verstopfung führen.
Des Weiteren kann Verstopfung durch Medikamente hervorgerufen werden. Mögliche verstopfungserzeugende Medikamente sind z.B.:
- Beruhigungsmittel (sog. Sedativa)
- Anti-Parkinsonmittel
- Antidepressiva
- Medizin z.B. gegen Reflux, Asthma oder Bronchitis (sog. Anticholinergika)
- Wirkungsverstärker in anderen Medikamenten (z.B.: Aluminiumhydroxid)
- Antipsychotische Medikamente mit schwacher Wirkung (sog. Phenothiazine)
- Medikamente zur Behandlung epileptischer Krankheiten (sog. Antikonvulsiva)
Exkurs zu Antikonvulsiva
In diesem Video erklärt Dr. T. Weigl die Medikamente Pregabalin und Gabapentin. Typische Einsatzfelder dieser Medikamente sind z.B. neuropathische Schmerzen oder auch Phantomschmerzen.
Verstopfung kann aber auch auf andere Krankheiten hinweisen, zum Beispiel:
- Karzinome
- Verwachsungen in der Bauchhöhle oder Entzündungen im Dickdarm.
- Störungen der Drüsen, wie bspw. der Schilddrüse
- Oder auch Störungen des Nervensystems (z.B. Multiple Sklerose, Parkinson etc.)
- Primärer Hyperaldosteronismus (sog. Conn-Syndrom)
- Unterversorgung der Organe durch die Schilddrüse (sog. Hypothyreose)
Auch Kaliummangel durch Mangelernährung oder Krankheit, (sog. Hypokalämie) sowie eine Störung des Calcium- und Phosphathaushaltes (sog. Hyperkalzämie), ausgelöst durch Krankheiten wie z.B. bösartige Neubildungen im Gewebe können zur Verstopfung führen.
Exkurs zu Eisenmangel
Eisenmangel ist die weltweit häufigste Mangelerkrankung. Das Spurenelement Eisen ist besonders wichtig für den Sauerstofftransport im Blut. Kommt es zu einem Mangel an Eisen, dass für die roten Blutkörperchen (genauer: das Hämoglobin) zuständig ist, kommt es in drei verschiedenen Stadien zu folgenden Symptomen:
Erstes Stadium (auch prälatenter Eisenmangel)
- Eingeschränktes Denkvermögen
- Ein geringer Ferritinspiegel (Ferritin ist ein Proteinkomplex, der beim Speichern von Eisen zuständig ist)
- Müdigkeit
Zweites Stadium (auch eisendefizitäre Erythropoese)
- Möglichkeit von Folgeerkrankungen durch Unterversorgung der Vorstufen von roten Blutkörperchen
- Ferritinspiegel, wie schon im ersten Stadium, abgesenkt (Der Hämogblobinwert bleibt allerdings normal)
Drittes Stadium (Eisenmangel-Anämie)
- Der Hämoglobinwert sinkt nun auch
- Nagel- und Haarveränderungen (wie z.b.: Nagelbrüchigkeit und Haarverlust)
- Blasse Haut und Schleimhäute
- Aphten im Mund
- Erschöpfung und geringere Leistungsmöglichkeit des Körpers (z.B. schneller außer Atem, Schlafstörungen etc.)
Die Ursachen sind zumeist bedingt durch einen erhöhten Eisenbedarf, eine zu niedrige Zufuhr von Eisen in den Körper, eine zu hohe Ausscheidung von Eisen oder auch eine krankheitsbedingte Störung der Eisenaufnahme. So können beispielsweise folgende Situationen zu Eisenmangel führen:
- Schwangerschaft (erhöhter Bedarf)
- Vegetarismus (zu geringe Eisenzufuhr)
- Chronische Blutungen z.B. die Periode (erhöhte Ausscheidung bzw. erhöhter Verlust von Eisen)
- Magen-Darm Erkrankungen (schlechte Eisenaufnahme)
Um Eisenmangel vorzubeugen, versuchen Sie möglichst eisenhaltige Nahrung zu sich zu nehmen, die in Fleisch oder pflanzliche Lebensmittel. Bei pflanzlichen Lebensmittel, sollten diese allerdings mit Aufnahmeförderern wie Vitamin C oder Sauermilchprodukten (enthalten Milchsäure). Kaffee oder Cola wiederum hemmen die Eisenaufnahme. Eine weitere Möglichkeit ist die Einnahme von Eisentabletten, was aber zu Verstopfung oder Durchfall führen kann.
Mehr Informationen zu Eisenmangel in diesem Video
Was genau ist Reizdarm? Welche Rolle spielt Verstopfung im Zusammenhang mit der Krankheit? Wichtige Grundlagen und Wissenswertes zum Thema erklärt Dr. Tobias Weigl in diesem Video.
Wann sollte ich mich behandeln lassen?
Verstopfung, ob spontan oder chronisch, ist in der Regel harmlos. Wenn jedoch die Lebensqualität dauerhaft so gesenkt wird, dass man einen Leidensdruck hat, sollte man den Arzt zur Abklärung oder Behandlung aufsuchen.
Die Angst, durch Verstopfung eine Vergiftung auszulösen, da vielleicht Giftstoffe im Stuhl wieder in den Körper gelangen, wurde als unbegründet widerlegt! Falls also länger kein Stuhlgang einsetzt, keine Panik.
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Wie bei jedem Arztbesuch erfolgt als erstes die Anamnese, also die Befragung des Patienten nach seinem Befinden. Danach gibt es verschieden Untersuchungsmöglichkeiten, die häufigste ist jedoch die digital-rektal Untersuchung, auch DRU genannt. Digital könnte man als etwas technisches verstehen, bedeutet in diesem Falle Finger (lat.: Digitus), wobei dieser mithilfe von Vaseline oder Gleitgel langsam und möglichst schmerzfrei eingeführt wird. Diese geschieht im Normalfall, gebietet sich aber vor allem wenn rektale Funktionsstörungen (Funktionsstörungen des Mastdarms, einem Teil des Enddarms) die mögliche Ursache sind.
Andere Diagnosemethoden bei Obstipation
- Allgemeine Labordiagnostik (z.B.: Elektrolyte oder der Hämoccult®-Test)
- Darmspiegelung (Koloskopie)
- Röntgen des Magens und Dünndarms (Magen-Darm-Passage)
- Bei Ileusverdacht: Abdomenübersichtsaufnahme
Mehr Informationen zu der Verbindung von Reizdarm und Verstopfung in diesem Video
Was genau ist Reizdarm? Welche Rolle spielt Verstopfung im Zusammenhang mit der Krankheit? Wichtige Grundlagen und Wissenswertes zum Thema erklärt Dr. Tobias Weigl in diesem Video.
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Sollte es sich bei der Obstipation um das Symptom einer anderen Krankheit handeln, wird der Arzt eine kausale Therapie beginnen, um das ursächliche Problem zu behandeln. Im Fall, dass keine andere Krankheit zugrunde liegt, ist eine weitere Behandlungsmethode ist der Rat zur Verhaltensänderung im Bereich der Nahrungsgewohnheiten, Trinkgewohnheiten (mindestens 2L pro Tag) oder auch Bewegungsgewohnheiten. Sollte dies nicht anschlagen, gibt es eine Reihe verschiedener Behandlungsmethoden:
- Verhaltenstherapie zur Bewusstbarmachung und gewünschten Verschiebung von Körperfunktionen (sog. Biofeedback-Training)
- Einläufe (Klysmen) und Zäpfchen (Suppositorien)
- Eine manuelle Entleerung
- Der Einsatz von Abführmitteln (sog. Laxanzien) z.B.: Leinsamen, Magnesiumsulfat oder Lactulose
Mehr als jeder Zweite leidet unter Gesundheitsproblemen, die mit Scham verbunden sind. Darunter fällt auch Verstopfung. Unbehandelt bleibt jeder Dritte, da Hilfe häufig nicht in Anspruch genommen wird.
Häufige Patientenfragen
Mein Stuhlgang ist sehr unregelmäßig? Könnte ich vielleicht Verstopfung haben?
Dr. T. Weigl
Nicht zwingend. Verstopfung wird schnell selbst diagnostiziert, dabei haben nur ein Viertel der Patienten tatsächlich eine Stuhlfrequenz, die sich auf weniger als dreimal pro Woche beläuft. Die Beunruhigung ist verständlich, aber Verstopfung ist sehr häufig nicht schädlich für den Körper. Als Richtwert nehmen Sie trotzdem, wenn Sie weniger als drei Mal in einer Woche Stuhlgang haben, handelt es sich um eine Obstipation, eine Verstopfung.
Was kann ich zu mir nehmen, damit meine Verstopfung aufhört?
Dr. T. Weigl
Wenn andere Krankheiten ausgeschlossen sind, empfiehlt es sich Produkte mit Weizenkleie und Präparate bspw. aus Flohsamen zu sich zu nehmen. Weizenkleie kann allerdings schlechter vertragen werden. Wenn die Behandlung anschlägt, helfen generell ballaststoffreiche Lebensmittel wie z.B. Hülsenfrüchte um den Stuhlgang weiter anzuregen.
Was hilft weniger bei Verstopfung?
Dr. T. Weigl
Einige Produkte können Verstopfung verursachen, wie oben bereits genannt. Dazu gehören Produkte, wie Schokolade oder auch Weißbrot oder eine generell zu ballaststoffarme Lebensweise. Auch Obst und Gemüse helfen nicht direkt bei Verstopfung, da die darin enthaltenen Ballaststoffe anders abgebaut werden.
Haben auch Sie Erfahrungen mit Verstopfung? Haben Sie Fragen zum Thema? Nutzen Sie unsere Kommentarfunktion unten für den Austausch untereinander und mit uns!
Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.
Autoren: Dr. Tobias Weigl, Mathis Gronau
Lektorat: Sarah Sodke
Datum: 10.07.2018
Quellen
- Christian Prinz (2012): Basiswissen Innere Medizin. Springer Medizin Verlag, Heidelberg.
- Katri Elina Clemens/Eberhard Klaschik (2007): Übelkeit, Erbrechen und Obstipation in der palliativen Situation, in: Deutsches Ärzteblatt; 104(5), S. A-269/ B-240 / C-235
- Klaus-Peter Schaps et. al. (Hg.) (2007): Innere Medizing. Springer Medizin Verlag, Heidelberg.
- Rme/aerzteblatt.de (2017): Gewichtsmanagement in Hausarztpraxis kuriert fast jeden zweiten Typ-2-Diabetes.
- Rme/aerzteblatt.de (2017): Schamgefühl verhindert oft professionelle Versorgung stigmatisierter Leiden.
- Rme/aerzteblatt.de (2016): Impfstoff schützt Affen vor 50 Rhinoviren.
- Stefan Müller-Lissner (2009): Obstipation – Pathophysiologie, Diagnose und Therape, in: Deutsches Ärzteblatt; 106(25), S. 424-431.
- Wolfram Karges/Sascha Al Dahouk (2009): Innere Medizin…in 5 Tagen. Springer Medizin Verlag, Heidelberg.
- Darmträgheit: Ernährung umstellen und Verdauung anregen?
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