Ein Tinnitus ist oftmals sehr leidvoll für den Betroffenen, aber ein eher ungefährliches Symptom.“
— Dr. Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenTinnitus – etwa die Hälfte der Bundesbürger war schon mindestens einmal von dem störenden und belastenden Piepsen, Pfeifen, Hämmern und Klingeln betroffen. In vielen Fällen vergehen die Ohrengeräusche so schnell, wie sie gekommen sind, doch bei einigen Betroffenen kann der Tinnitus chronisch und somit zu einem lebenslangen Begleiter werden. Was genau ein Tinnitus überhaupt ist, welche Ursachen er hat und wie er behandelt werden kann, zeigt Ihnen der folgende Artikel.
Marcels Situation ist typisch für die Entstehung eines Tinnitus (Plural: Tinniti). Das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „klingeln“. Das beschreibt grob das, was Marcel durchmacht: ein meist ständiges Geräusch, das sehr störend sein kann. Gerade diejenigen, bei denen ein Tinnitus langfristig besteht, können immens unter den Belastungen leiden. Er ist ein häufiges Phänomen, rund 10 Millionen Menschen in Deutschland sind jährlich betroffen. Bei vielen verschwindet er aber wieder, durch eine Behandlung oder von selbst. Aber was genau heißt eigentlich Tinnitus und wie wird er verursacht?
Was ist ein Tinnitus?
Der Begriff Tinnitus bezeichnet Geräusche, die allgemein als „Ohrgeräusche“, „Ohrenklingeln“ und „Ohrensausen“ bekannt sind. Betroffene sprechen oft von einem Pfeifen, Zischen, Summen oder Rauschen im Ohr. Sie hören diese Geräusche, obwohl keine anderen Geräuschquellen – bspw. Musik, Autolärm, Fernseher, etc. – dafür verantwortlich sind. Es kann immer oder nur manchmal da sein, auf einem oder sogar auf beiden Ohren. Ein Tinnitus kann die unterschiedlichsten Ursachen haben. Wie genau ein Tinnitus im Körper entsteht, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt; teilweise vermuten Wissenschaftler, dass die körperliche Ursache, die zum Tinnitus führt, im Gehirn zu finden ist. Oft wird der Ursprung des Tinnitus auch im Innenohr vermutet. Die genaueren Zusammenhänge müssen aber noch erforscht werden. Grundsätzlich gilt aber, dass ein Tinnitus keine Krankheit, sondern ein Symptom ist. Dieses Symptom kann zahlreiche Begleitsymptome hervorrufen, welche die individuelle Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen können. Einige dieser Begleiterscheinungen können sein:
- Reizbarkeit
- Konzentrationsschwächen
- Schlafstörungen
- Angstzustände
- Depressionen
- höhere Empfindlichkeit gegenüber (lauten) Geräuschen
- Kopfschmerzen
- Ohrenschmerzen
Video: Tinnitus – ein schreckliches Geräusch im Ohr
Mehr Informationen zu den Formen von Tinnitus, seinen Schweregraden, Ursachen sowie Diagnose- und Therapiemöglichkeiten gibt Ihnen Dr. Tobias Weigl im folgenden Video.
Wer kann von einem Tinnitus betroffen sein?
Grundsätzlich kann jeder von einem Tinnitus betroffen sein. Das Symptom tritt weltweit in Erscheinung. In Deutschland sind rund 60 Prozent der Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben zumindest zeitweise von einem Tinnitus betroffen. Aktuellen Studien zufolge nehmen Hörbeeinträchtigungen tendenziell mit steigendem Alter zu, infolgedessen vermehrt Tinniti auftreten können. Trotzdem ist ein Tinnitus keine reine Alterserscheinung: gerade jüngere Menschen setzen sich starken Lärmbelastungen aus (laute Musik über Kopfhörer, Musikfestivals), ebenso kann berufsbedingter starker Lärm einen Tinnitus verursachen.
Formen von Tinnitus
Nicht jeder Tinnitus ist gleich; er kann in Bezug auf Intensität, Häufigkeit, Verlauf und Ursachen mitunter stark variieren. Dabei lässt sich ein Tinnitus in vier Kategorien einteilen: akut, chronisch, subjektiv und objektiv.
Akuter Tinnitus
Bei einem akuten Tinnitus tritt das unangenehme Geräusch plötzlich auf und kann nur wenige Stunden, aber auch bis zu drei Monate andauern. Möglich sind sowohl eine kurzfristige Heilung als auch eine spontane Besserung der Symptome. Meistens ist diese Form des Tinnitus’ die Folge einer (starken) Lärmbelastung, wie es beispielsweise bei Musikfestivals der Fall ist. Vergleichsweise selten kann es auch durch einen erlittenen Hörsturz zu einem akuten Tinnitus kommen. In 80 Prozent der Fälle verschwindet der akute Tinnitus aber wieder: entweder, weil die Ursachen behandelt werden konnten oder weil er von selbst weggegangen ist.
Chronischer Tinnitus
Diese Form liegt vor, falls die Ohrgeräusche länger als drei Monate bestehen bleiben. Um einen chronischen Tinnitus zu vermeiden, ist eine frühzeitige Behandlung entscheidend, da ansonsten eine Behandlung mit Medikamenten keinen Erfolg mehr zeigen kann. Laut der Deutschen Tinnitus Liga verschwindet aber bei rund einem Drittel der Betroffenen der chronische Tinnitus nach einigen Jahren sogar. Wichtig ist für Patienten mit einem chronischen Tinnitus, dass sie lernen, mit den andauernden Ohrgeräuschen umzugehen, sodass sie trotzdem ein unbeschwertes und erfülltes Leben führen können.
Subjektiver Tinnitus
Bei einem subjektiven Tinnitus kann nur der betroffene Patient selbst die Geräusche wahrnehmen. Ein akuter oder ein chronischer Tinnitus können auch einem subjektiven Tinnitus zugeordnet werden.
Objektiver Tinnitus
Im Gegensatz zum subjektiven Tinnitus werden die Geräusche bei der objektiven Form auch von anderen Personen gehört. Der objektive Tinnitus resultiert aus einer konkreten Erkrankung und ist eine Begleiterscheinung dieser Krankheit. Warum dieser Tinnitus auftritt, kann viele Gründe haben, u. a. einen Herzfehler, Blutgefäßtumoren oder eine Verspannung der Mittelohrmuskeln. Allerdings ist diese Form selten und kommt nur bei einem Bruchteil der an Tinnitus leidenden Patienten vor.
Exkurs: Wie funktioniert Hören?
Um den Tinnitus als solchen zu verstehen, ist es wichtig, zu wissen, wie unser Hören überhaupt funktioniert. Geräusche, bspw. ein Hupen, versetzen die Luft in Schwingung, wodurch eine Druckwelle entsteht. Zunächst gelangt diese Druckwelle über die Luft an die Ohrmuschel, die zusammen mit dem äußeren Gehörgang das äußere Ohr bildet, also denjenigen Teil des Ohrs, den wir größtenteils erblicken können. Hier werden die Schallwellen in das Mittelohr weitergeleitet, wo sie verstärkt werden. Das Trommelfell wird dadurch in Schwingung versetzt, die dann an die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel weitergegeben wird. Im dritten und damit letzten Teil des Ohres findet dann eine elektrische Umwandlung statt; verantwortlich dafür ist die Schnecke, die mit ihren Haarzellen das eigentliche Hörorgan darstellt. Die Haarzellen sind dann dafür zuständig, die elektrischen Reize an die Nervenfasern des Hörnervs weiterzugeben. Durch den Hörnerv gelangen die Reize ins Gehirn und werden dort ausgewertet und in entsprechende Töne, Geräusche usw. umgesetzt.
Tinnitus – ein Symptom, viele Ursachen
Ein Tinnitus kann viele Ursachen haben, die teils sehr unterschiedlich sind: Von Lärmtraumata, Ohrerkrankungen bis hin zu (seltenen) Medikamentennebenwirkungen oder sogar Funktionsstörungen der Halswirbelsäule ist die Breite der Möglichkeit, die einen Tinnitus verursachen, vergleichsweise groß. Viele Ursachen lassen sich gut behandeln, andere treten äußerst selten auf.
Lärmtraumata/Knalltraumata
Lärmtraumata bzw. Knalltraumata sind eine häufige Ursache für einen Tinnitus. Durch ein plötzliches, sehr lautes Geräusch wird das Innenohr verletzt (z. B. Silvesterböller), infolge wessen sich dann ein Tinnitus entwickeln kann. Aber auch langandauernde und starke Lärmbelastungen (z. B. laute Kopfhörermusik) können das Innenohr unwiderruflich schädigen, was dann mit Schwerhörigkeit und sogar auch mit einem Tinnitus einhergehen kann.
Mögliche Ohrerkrankungen, die einen Tinnitus verursachen können
Grundsätzlich gilt, dass ein Tinnitus oft eine Begleiterscheinung einer Reihe von Ohrerkrankungen oder anderweitigen Defekten bzw. Beeinträchtigungen des Ohrs verursacht werden kann. Dazu zählen u. a.:
- Mittelohrentzündungen
- Innenohrentzündungen
- Der Gehörgang ist verstopft, etwa durch Ohrenschmalz oder Fremdkörper
- Trommelfelldefekt
- Perilymphfisteln – die Perilymph, die klare Flüssigkeit im Mittelohr, dringt in das Mittelohr ein, wenn die Membran, die Innen- und Mittelohr verbindet, z. B. durch zu starken Druck gerissen ist.
Hörsturz
Ein Hörsturz, früher auch als „Ohrinfarkt“ bezeichnet, liegt vor, wenn plötzlich auf einem Ohr Hörprobleme oder sogar ein kompletter Hörverlust auftreten. Welche Ursachen dafür genau verantwortlich sind, ist bisher noch nicht komplett geklärt. Vermutlich kommt es durch verschiedene Faktoren zu Durchblutungsstörungen des Innenohrs, sodass die Sinnes- bzw. Haarzellen beschädigt werden. Dadurch können die akustischen Signale nicht mehr richtig aufgenommen werden, wodurch das Hörvermögen beeinträchtigt wird.
Menière-Krankheit
Schwindel und Tinnitus sind die Symptome der sogenannten Menière-Krankheit (auch Morbus Menière). Diese geht auf eine Störung des Innenohrs zurück. Die exakte Ursache für diese Krankheit ist allerdings bisher nicht geklärt. Ein wichtiger Faktor ist aber, dass sich im Innenohr und im Gleichgewichtsorgan vermehrt Flüssigkeit ansammelt. Infolgedessen kann es plötzlich zu Drehschwindelanfällen kommen, die mit Übelkeit oder gar Erbrechen verbunden sein können. Spontan und ohne konkreten Grund kann es mehrfach zu diesen Anfällen kommen, die von 20 Minuten bis hin zu mehreren Stunden dauern können.
Medikamentennebenwirkungen
Selten ist ein Tinnitus auch auf Nebenwirkungen von Medikamenten zurückzuführen, die das Hörsystem beeinflussen. Schädigt ein Medikament das Gehör und verursacht dadurch ggf. auch einen Tinnitus, spricht man von einem ototoxischen (übersetzt etwa ‚giftig für das Ohr‘) Medikament. Zu diesen Medikamenten zählen u. a.:
- Diuretika (harntreibende Arzneimittel)
- Chemotherapeutika, die bei Krebsbehandlungen zum Einsatz kommen
- Anti-Malaria-Mittel
- bestimmte Psychopharmaka
An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass Medikamente vor der Markteinführung umfassend getestet werden, um Nebenwirkungen zu gut wie möglich zu vermeiden. Dennoch gibt immer ein gewisses Restrisiko, dass Nebenwirkungen auftreten können. Es gilt: keine Wirkung ohne Nebenwirkung.
Mögliche andere Ursachen
Neben den oben beschriebenen Möglichkeiten gibt es auch eine Reihe von anderen Ursachen, die für einen Tinnitus verantwortlich sein können. Einige wichtige können Sie der folgenden Auflistung entnehmen. An dieser Stelle muss aber betont werden, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Tinnitus aufgrund der folgenden Möglichkeiten äußerst gering ist.
- Stoffwechselerkrankungen, z. B. Diabetes
- Schädel-Hirn-Traumata, z. B. Gehirnerschütterungen
- Erkrankungen des zentralen Nervensystems, z. B. Multiple Sklerose
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen, z. B. Herz-Rhythmus-Störungen, aber möglicherweise auch ein zu niedriger oder zu hoher Blutdruck.
- veränderte Druckverhältnisse im Ohr, die durch die die Umwelt beeinflusst werden, etwa bei Tauchgängen oder Flugreisen.
- Stress, wobei der Zusammenhang zwischen Stress und einem Tinnitus bisher noch nicht völlig geklärt wurde. Tinnitus-Patienten berichten aber häufig von Stress.
- Funktionsstörungen der Halswirbelsäule – die Gelenke der oberen Halswirbelsäule und die Gehirnbereiche, an denen auch Fasern des Hörnervs entlanglaufen, sind über Nervenbahnen direkt verbunden. Störungen der Halswirbelsäule könnten so Einfluss auf einen Tinnitus nehmen.
- Zahn-Kiefer-Bereich – das Kiefergelenk bzw. die Kaumuskulatur ist über Nervenverbindungen mit dem Ohr verbunden. Möglicherweise kann eine zu hohe Anspannung der Kaumuskulatur deshalb zu einem Tinnitus führen.
Exkurs: Schwindel
Schwindel oder Vertigo (von lat. vertigo ‚das Herumdrehen‘) bezeichnet die Störung des Gleichgewichtssinns. Schwindel entsteht, wenn die Orientierung unseres Körpers im Raum gestört ist. Um diese Raumorientierung zu gewährleisten, müssen drei Sinnesorgane bzw. Grundsysteme des Körpers zusammenarbeiten: Augen, Ohren und die Tiefenwahrnehmung (sog. ‚Kinästhesiesinn‘). Ist dieses Zusammenspiel gestört, kommt es zu Schwindel. Betroffene haben das Gefühl, dass um sie herum alles dreht oder schwankt, die Raumorientierung und die Sicherheit beim Gehen gehen verloren.
Ein Schwindelanfall tritt meistens ganz plötzlich auf – sehr oft in Form des Lagerungs- bzw. Drehschwindels, der bei bestimmten Bewegungen auftritt, bspw. morgens beim Aufstehen. Manchmal hält der Schwindel nur wenige Momente, manchmal bis zu mehrere Stunden an. Schwindel ist allerdings keine selbstständige Krankheit, sondern ein häufiges Symptom, das viele Grunderkrankungen begleitet. Die wichtigste Ursache sind Entzündungen des Gleichgewichtsnervs sowie Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans, das im Innenohr liegt. Wiederholter akuter Schwindel kann aber auch auf lebensgefährliche Erkrankungen hinweisen, bspw. auf die Gefahr eines Schlaganfalls. Chronische Schwindelattacken können auf psychische Probleme hinweisen. Viele Menschen sind im Laufe ihres Lebens bereits von Schwindelattacken betroffen gewesen, wobei gerade ältere Patienten anfälliger sind. Oftmals ist ein Schwindelanfall aber harmlos und verschwindet nach kurzer Zeit wieder. Bei wiederholtem Auftreten ist aber dringend angeraten, einen Arzt aufsuchen, da Schwindel dann ein Zeichen schwerwiegender Erkrankungen sein kann.
Möchten Sie mehr über die Entstehung und die Ursachen von Schwindel wissen? Wann sollten Sie unbedingt zum Arzt gehen und welche Formen von Schwindel gibt es? Mehr Information dazu gibt Ihnen Dr. Dr. Tobias Weigl im folgenden Video.
Was tut der Arzt? Teil 1: Diagnose von Tinnitus
Wichtig ist für die Betroffenen, einen Tinnitus nicht zu unterschätzen, sondern besser früh als spät einen Arzt aufzusuchen. So lassen sich mögliche Folgebeschwerden, möglicherweise sogar ein einsetzender chronischer Tinnitus, vermeiden oder zumindest vermindern. Bei der Diagnose eines Tinnitus’ beginnt der Arzt mit einem Patientengespräch (Anamnese), um Hinweise zur Entstehung des Ohrgeräuschs zu bekommen. Er ermittelt so ebenfalls, wie lange die Beschwerden bereits bestehen, ob andere Symptome (sog. Sekundärsymptome) auftreten, bspw. Schlafstörungen, und ob andere Faktoren die Intensität des Ohrgeräusches beeinflussen, etwa durch eine andere Haltung des Kopfes.
Der behandelnde Arzt führt nun verschiedene grundlegende Untersuchungen des Gehörs durch. Dazu gehören u. a.:
- Ohrmikroskopie: Mikroskopische Untersuchung des Außenohrs und des Trommelfells
- Gleichgewichtsprüfung: Das Gleichgewichtsorgan befindet sich im Innenohr, weshalb ein gestörter Gleichgewichtssinn möglicherweise darauf hinweist, dass die Ursache für den Tinnitus dort liegt.
- Nasopharyngoskopie: Hierbei wird der Nasen-Rachen-Raum mikroskopisch untersucht, um zu sehen, ob die Umgebung des Ohres in irgendeiner Form mit dem Tinnitus zusammenhängt.
- Tinnitus-Matching: Lautstärke und Frequenz des Tinnitus-Tones werden bestimmt.
- Hörtest: Die Hörleistung des Innenohrs wird geprüft.
Abhängig von diesen Befunden können noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Zu nennen ist bspw. die Tinnitusanalyse, in der festgestellt wird, wie hoch die individuelle Tinnitusintensität im Vergleich zur normalen und individuellen Hörschwelle ist. Die Ergebnisse sind dann die Grundlage für eine sogenannte apparative Therapie, in der z. B. mit einem Hörgerät gearbeitet wird. Eine psychometrische Untersuchung findet hingegen erst ab einem bestimmten Schweregrad der Tinnitusbelastung statt. Hier wird die individuelle Belastung durch den Tinnitus und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen ermittelt, um geeignete Therapiemöglichkeiten zu finden, die das persönliche Leid des Patienten lindern können.
Je nach Ermessen des Arztes können weitere Untersuchungen durchgeführt werden, bspw. eine Ohrmikroskopie oder eine Audiometrie, mit der das Hörvermögen bestimmt wird. Unter Umständen kann es sein, dass der Arzt keine Ursache findet. Dann müssen weitere Ärzte wie u. a. Orthopäden, Kieferorthopäden oder Psychologen aufgesucht werden, damit der Auslöser des Tinnitus’ gefunden und beseitigt werden kann.
Was tut der Arzt? Teil 2: Behandlung von Tinnitus
Welche Therapie letztlich veranschlagt wird, hängt davon ab, welche Art von Tinnitus vorliegt, wie intensiv das Symptom ist und welchem individuellen Leidensdruck Betroffene ausgesetzt sind. Da der Tinnitus keine selbstständige Krankheit ist, gilt es, wenn möglich, die eigentliche Ursache zu bekämpfen. Bei einem akuten Tinnitus ist eine mögliche Vorgehensweise, dass der Arzt eine Infusion gibt, die durchblutungsfördernde Medikamente beinhaltet. So soll das Innenohr besser mit Blut und Sauerstoff versorgt werden. Besteht der Verdacht, dass Entzündungen für den Tinnitus verantwortlich sind, wird Kortison ebenfalls in Form einer Infusion beigegeben. Ist der Tinnitus auf Komplikationen der Halswirbelsäule zurückführen, müssen ggf. operative Eingriffe getätigt werden. Krankengymnastik kann auch Abhilfe schaffen. Bei Problemen im Zahn-Kiefer-Bereich, die die Ohrgeräusche verursachen, ist eine kieferorthopädische Behandlung notwendig.
Viele grundlegende Therapiemöglichkeiten, die bei einem akuten Tinnitus angewendet werden, sind auch bei der chronischen Form angebracht. Grundsätzlich gilt auch hier, dass die Ursachen gefunden und behoben werden müssen. Leider können die Ursachen aber nicht immer gefunden werden. Eine wirksame medikamentöse Behandlung, die gezielt den chronischen Tinnitus bekämpft, gibt es bisher nicht. Zentral für die Behandlung ist, die Lebensqualität des Betroffenen zu verbessern und den belastenden Zustand so gut wie möglich zu kompensieren. Diese Therapie wird Tinnitus-Counselling genannt (spezifische Tinnitusberatung). Das Counselling beinhaltet oft auch psychotherapeutische Maßnahmen, die den Umgang des Patienten mit dem Symptom unterstützen, abhängig vom individuellen Leidensdruck des Betroffenen. Eine andere Möglichkeit stellen die sogenannten Tinnitusmasker da, die aber auch mit anderen Verfahren kombiniert werden können. Die Tinnitusmasker sind vergleichbar mit Hörgeräten, produzieren aber ein stetiges Rauschen, das die Geräusche des Tinnitus’ überdeckt oder zumindest von ihnen ablenkt. Die konkreten Maßnahmen sind aber stets von der individuellen Situation des Patienten abhängig.
Häufige Patientenfragen
Kann man sich vor einem Tinnitus schützen?
Dr. T. Weigl
Einen allumfassenden Schutz gibt es nicht. Generell sollte man sich keiner langfristigen starken Lärmbelastung aussetzen oder zumindest seine Ohren schützen, bspw. mit Ohrenstöpseln, die den Lärm dämmen. Da ein Tinnitus auch berufsbedingt auftreten kann, ist es auch hier wichtig, entsprechende Vorkehrungen zu treffen und sein Gehör zu schützen. Für die Bereitstellung solcher Materialien ist meistens aber der Arbeitgeber verantwortlich.
Was kann ich selbst tun, wenn ich von einem Tinnitus betroffen bin?
Dr. T. Weigl
Abgesehen davon, frühzeitig zum Arzt zu gehen, ist es ratsam, Ihren Ohren regelmäßig eine Pause zu gönnen. Bei chronischen Verläufen ist zudem wichtig, dass Sie eine passende Einstellung zum Tinnitus entwickeln und lernen, damit umzugehen. Das ist sicher nicht leicht, ansonsten kann es aber möglicherweise zu psychischen Problemen kommen. Lassen Sie sich helfen und suchen Sie sich Unterstützung: Neben Psychotherapien gibt es auch Selbsthilfegruppen, die eine Stütze sein können beim richtigen Umgang mit dem Symptom. Dieser Umgang ist natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Daneben scheint Stress ein Faktor zu sein, der Tinnitus zumindest begünstigen kann, weswegen Sie sich Ruhepausen nehmen und regenerieren sollten.
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.
Autoren: Dr. Tobias Weigl, Sebastian Mittelberg
Lektorat: Tobias Möller
Datum: 10.07.2018
Quellen
- AWMF online. Das Portal der wissenschaftlichen Medizin (Hg.) (2010): Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Chronischer Tinnitus.
- Deutsche Tinnitus Liga e. V.: Der Hörvorgang.
- Deutsche Tinnitus Liga e. V.: Morbus Menière.
- Deutsche Tinnitus Liga e. V.: Was ist Tinnitus?
- Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e. V. (Hrsg.):Tinnitus – Ursachen und Risikofaktoren.
- Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e. V. (Hrsg.): Was löst Schwindel aus?
- Alexander Hoffmann; Markus Michèle (2009): Tinnitus: Ursachen und Behandlung von Ohrgeräuschen. Humboldt, Hannover.
- Martina Hoffschulte (2017): Was ist die Menière-Krankheit? In: Die Techniker Krankenkasse
- Viktor Kaldo et al. (2016): Mit Tinnitus leben lernen. Ein Manual für Therapeuten und Betroffene. Springer-Verlag, Heidelberg.
- Robert-Koch-Institut (Hrsg.): Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Heft 29: Hörstörungen und Tinnitus.
Dieter Henzler
06.11.2018 14:23Sehr geehrter Herr Weigl.
als Tinnitus-Geplagter habe ich inzwischen alle machbaren Wege beschritten.
Diese Studie „Vorderes Neurol 2017;8:494 von Andrea Aparecida Avedo et.al.“ Tinnitus Behandlung mit Oxytocin. Eine Pilotstudie .scheint ein sinnvoller Ansatz zu sein.
Was halten SIe davon ?
Herzliche Grüße
Dieter Henzler
Dr. Tobias Weigl
06.11.2018 21:21Sehr geehrter Herr Henzler, vielen Dank für Ihre Nachricht. Eine sehr interessante Studie. Dies sind erste Erkenntnisse und hier ist leider noch mehr Forschung notwendig. Ich würde daher als Betroffener davon erst einmal die Finger lassen und abwarten – auch wenn man das bei hohem Leidensdruck nur schwer kann. Aber ein Allheilmittel ist es ganz gewiss (leider) auch nicht.
Viele Grüße
Dr. T. Weigl
Nora
05.12.2019 16:45Gut zu wissen, dass oft die Ohrengeräusche sehr schnell vergehen. Seit einiger Zeit habe ich ein nerviges Ohrenpfeifen und habe Angst, dass es ein Tinnitus sein kann. Dein Beitrag hat mir einen guten Überblick über das Thema angeboten. Ich werde auf jeden Fall einen HNO-Arzt kontaktieren. Danke!
Petra
09.02.2021 20:37Hallo Herr Dr. Weigl, vielen Dank für das tolle Video. Ich leide seit 6.12.2020 unter einem Brummen im rechten Ohr. Vorgausgegangen ist ein Hörsturz am 03.12.2020. Ich bin weiblich, 50 Jahre alt, habe Schilddrüsenunterfunktion (50mg L-Thyrox.) und habe eine Kalkschulter rechts. Weder der Ohrenarzt noch der Orthopäde sehen einen Zusammenhang. Die Kortison-therapie hat nichts gebracht. Beim Ohrenarzt bin ich austherapiert. Die Kalkschulter wird demnächst operiert. Ich habe aber trotzdem Angst, dass das Geräusch nun bleibt. Es quält mich eigentlich nur nachts und ich bin froh, dass es kein Pfeifen ist. Aber ich kann nicht oder sehr schlecht einschlafen. Musik hilft auch nicht. Das einzige was hilft , ist den Finger ins Ohr zu stecken. Dann ist Ruhe. Aber dann wache ich morgens mit Schmerzen im Finger auf. Und eine Dauerlösung ist das auch nicht. Ohrstöpsel helfen auch nicht; die sind nicht so dicht wie der Finger der im Ohr irgendwie was zu unterbrechen scheint. Erklären kann ich es mir auch nicht. Was könnte ich noch tun? Viele Grüße Petra L. PS: Stress habe ich übrigens keinen.
Mario Schwarz
09.02.2022 10:40Ich frage mich, ab welcher Dauer das störende Piepen im Ohr als chronisch angesehen wird. Ich habe wahrscheinlich zu laute Musik gehört und seit einigen Tagen vermehrt ein lästiges Piepen im Ohr, das kommt und geht. Am besten werde ich einen HNO-Arzt aufsuchen, um mich untersuchen zu lassen.