Cimetidin und Ranitidin sind vor allem dann sinnvoll, wenn man eine gastrointestinale Krankheit, zum Beispiel Reflux, behandeln will. Allerdings gibt es mittlerweile deutlich verbreitetere Wirkstoffe.
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenRanitidin und Cimetidin sind H2-Antihistaminika, die häufig für Krankheiten im Gastrointestinaltrakt verwendet werden. Sie helfen dabei, die Produktion der Magensäure zu vermindern und können so einer Überproduktion und einer damit einhergehenden Übersäuerung des Magens entgegenwirken. Aufgrund ihrer Nebenwirkungen in Kontext mit ihrer Wirkungskraft und wegen problematischen Wechselwirkungen werden mittlerweile Protonenpumpeninhibitoren (Kurz: PPIs) eingesetzt.
Was sind Ranitidin und Cimetidin?
Cimetidin war der erste H2-Rezeptorenantagonist, gefolgt von Ranitidin. Ranitidin und Cimetidin sind Wirkstoffe, die als Antihistaminika bezeichnet werden, genauer gesagt H2-Antihistaminika. Sie werden bzw. wurden bei der Behandlung von Magenerkrankungen wie Reflux eingesetzt. Aufgrund von Nebenwirkungen und einer geringeren Potenz sind sie allerdings häufig das Medikament zweiter Wahl. Ihre Wirkweise am H2-Rezeptor (Histamin-2) wird als kompetitiver Antagonismus bezeichnet.
Da Sie die Histaminrezeptoren, die zur Säurebildung im Magen beitragen, belegen, können Ranitidin und Cimetidin so den Säurehaushalt im Magen regulieren. Sie tragen so zum Schutz der Magenschleimhaut bei, falls diese angegriffen ist. Ranitidin und Cimetidin werden beide meist oral eingenommen und über die Nieren wieder ausgeschieden. Cimetidin wird dabei besonders schnell abgebaut, nach 2 Stunden ist es bereits zur Hälfte wieder ausgeschieden worden.
Exkurs: Gastritis
Eine Gastritis entsteht, wenn die Magenschleimhaut entzündet ist, weshalb die Gastritis auch Magenschleimhautenzündung genannt wird.
Die Magenschleimhaut kleidet den Magen zwischen Speiseröhre und Darm aus. Ist diese nun entzündet, kann sie wichtige Aufgaben nicht mehr erfüllen. Darunter fällt auch, den Magen vor der eigenen Magensäure zu schützen. Die Magensäure ist dafür zuständig, das eingenommene Essen zu zerkleinern, kann aber bei einem erhöhten Säurewert, einer Überproduktion an Magensäure oder bei einer geschwächten bzw. entzündeten Magenschleimhaut auch den Magen und die Speiseröhre angreifen.
Die Ursachen für eine Gastritis sind vielfältig. So trägt zum einen die Ernährung zu einem erhöhten Entzündungsrisiko bei (z. B. Alkohol, Koffein, Tabak oder viel Fetthaltiges). Auch Medikamente oder Stress können Faktoren sein. Ausgelöst wird die Entzündung häufig durch ein Bakterium, das Helicobacter pylori genannt wird.
Gastritis äußert sich meist durch Symptome, die den Magen betreffen, also Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Völlegefühl oder außergewöhnlich schnelle Sattheit. Die Behandlung von Magenschleimhautentzündungen erfolgt meist medikamentös.
Weitere Informationen und Tipps bezüglich Gastritis finden sie im umfassenden Artikel zum Thema.
Weiteres zu Gastritis, ihren Ursachen, ihrer Verbreitung und ihrer Therapie erklärt Dr. Tobias Weigl im nachfolgenden Beitrag.
Wirkungsweise von H2-Antihistaminika wie Ranitidin oder Cimetidin
Um die Wirkung von H2-Antihistaminika genauer erklären zu können, hilft eine kurze Erklärung, was Histamine sind und was nun ein Antihistaminikum tut.
Histamin ist eine organische Verbindung (genauer: biogenes Amin), die zu den Gewebshormonen gezählt wird. Histamin fungiert gerade in der Haut, dem Magen-Darm-Trakt und im Nervensystem als Mittel zur Bekämpfung von Krankheiten im Körper. Daher ist Histamin wichtig für das Immunsystem, aber auch für andere Bereiche im Körper. Insgesamt gibt es vier Histamin-Rezeptoren, die in unterschiedlichen Bereichen des Körpers bei Andockung von Histamin unterschiedliche Reaktionen hervorrufen.
Aufgrund seiner vielfältigen Wirkungsweise im Körper bleiben wir hier bei der Aufgabe des Histamins im Magen-Darm-Trakt. Im Magen-Darm-Trakt (sog. ‚Gastrointestinaltrakt‘) besteht die Hauptwirkung von Histamin darin, die Säureproduktion zu regulieren. Histamin sorgt also dafür, dass sich im Magen eine angemessene Menge von Magensäure befindet. Eine gesteigerte Magensäureproduktion ist zum Beispiel nach dem Essen notwendig. Das Histamin im Magen setzt sich an den H2-Rezeptor und bewirkt somit eine Steigerung der Säureproduktion.
Wird aus unterschiedlichen Gründen nun zu viel Histamin freigesetzt, das sich an die H2-Rezeptoren ansetzt, wird dementsprechend auch zu viel Magensäure produziert. Der Magen übersäuert und es kann passieren, dass Magensäure in die Speiseröhre übertritt. Hier kommt das H2-Antihistaminikum ins Spiel, das – wie der Name vermuten lässt – an den H2-Rezeptoren wirkt. „Anti“ bedeutet in diesem Fall, dass es antagonistisch zum Histamin agiert. Das heißt, dass es verhindert, dass Histamine an den Rezeptoren andocken. Oder in anderen Worten: Es verringert die Menge, in der die Histamine andocken können. Somit senkt ein H2-Antihistaminikum im Magen die Säureproduktion.
Einsatzgebiete
Ranitidin und Cimetidin sind aufgrund ihrer Wirkung als Histamin-H2-Rezeptorantagonisten für verschiedene Zwecke verwendbar und kommen vor allem bei der Therapie von Magenbeschwerden zum Einsatz. So können beide Wirkstoffe zur Hemmung von Säuresekretion im Magen genutzt werden. Dies ist vor allem auch hilfreich bei der Behandlung Gastroösophagealer Refluxkrankheiten (vom Mageninhalt ausgelöste entzündliche Erkrankung der Speiseröhre). Auch Schleimhautdefekte, die schmale Gewebsschichten im Magen und Zwölffingerdarm angreifen, (sog. ‚Gastroduodenale Ulkuskrankheit‘) können mit den beiden Wirkstoffen behandelt werden.
Weitere Anwendungsgebiete, in denen – unter anderem – mit Ranitidin behandelt wird, sind:
- Zollinger-Ellison-Syndrom
- Vorbeugung von Blutungen aus Geschwüren
- Vorbeugung von Erosionen des Magen-Darm-Traktes
- Vorbeugung von stressbedingten Schleimhautschäden im Magen oder Zwölffingerdarm (sog. ‚Stressulkusprophylaxe‘)
- Prämedikation vor einer Narkose, um die Folgen des Mendelson-Syndroms (Säureüberfluss durch das Eindringen von Fremdmaterial in die Atemwege) zu vermindern
Cimetidin wird u. a. bei der Therapie des Shulman-Syndroms benutzt. Beide Antihistaminika können zusätzlich zu H1-Antihistaminika in der Behandlung anaphylaktischer Schocks, also allergischer Überreaktionen, Anwendung finden.
Allerdings gelten beide Wirkstoffe in Bezug auf die Senkung der Magensäurenproduktion heutzutage nicht mehr als erste Wahl, da Protonenpumpeninhibitoren (Kurz: PPIs) bei weniger Nebenwirkungen deutlich potenter wirken.
Eine 2017 veröffentlichte Studie konnte nachweisen, dass Cimetidin sich positiv auf die Bekämpfung von Gallengangskarzinomen auswirken könnte. Es würde die Ausbreitung von sogenannten CCA-Zellen vermindern. Diese Studie wurde sowohl in vitro (also außerhalb eines lebenden Organismus) als auch in vivo (also innerhalb eines lebenden Organismus) durchgeführt.
Etwa 10 Prozent der Bevölkerung leiden an einer sog. manifesten Refluxkrankheit, also einer klinisch erkennbaren Erkrankung. Allerdings ist diese nur bei einem Drittel der Erkrankten chronisch. Bei der gastroduodenalen Ulkuskrankheit sind es ebenfalls ungefähr 10 Prozent, wobei die Wahrscheinlichkeit je nach Typus und Geschlecht variieren kann.
Mögliche Nebenwirkungen
Man kann zwischen drei verschiedenen Nebenwirkungen unterscheiden. Das erste sind Nebenwirkungen, die für H2-Antihistaminika generell zu verzeichnen sind, Hinzu kommen Nebenwirkungen, die von Ranitidin ausgelöst werden und Nebenwirkungen, die von Cimetidin ausgelöst werden.
Nebenwirkungen, die mit H2-Antihistaminika einhergehen, also gruppenspezifische Nebenwirkungen sind, können sein:
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Probleme im Magen-Darmbereich, z. B. Verstopfung und Übelkeit
- Müdigkeit
Ranitidin kann des Weiteren noch zu folgenden Beschwerden führen:
- Muskel- und Gelenkschmerzen
- Hautausschlag
- Überempfindlichkeit
- Veränderung des Blutbildes
Cimetidin hat folgende Nebenwirkungen:
- Potenzstörungen (zeitweilige Impotenz)
- Hautausschlag
- Depressionen
- Halluzinationen
- Schlafstörungen
Bei beiden Medikamenten kann es in seltenen Fällen auch zu Herzrhythmusstörungen kommen.
Wechselwirkungen
Bei Restless-Legs-Syndrom ist Cimetidin abzusetzen, da es potentiell verstärkend bzw. auslösend auf die Krankheit wirken könnte.
Ranitidin kann zu einer erhöhten Wirkung von Alkohol führen.
Sowohl Cimetidin als auch Ranitidin können Enzyme stören, die an der Verstoffwechselung von Arzneimitteln beteiligt sind. Daher werden diese Arzneimittelstoffe langsamer abgebaut und wirken so unbeabsichtigt länger.
Nimmt ein Patient hohe Dosen von Loperamid ein (zur Bekämpfung von Durchfall), kann eine gleichzeitige Einnahme von Cimetidin und Ranitidin zu Herzproblemen führen.
Viele dieser Fälle waren auf den Versuch zurückzuführen, Entzugserscheinungen nach Opioidmissbrauch abzuschwächen oder um ein Euphoriegefühl herbei zu führen.Medikamentenmissbrauch ist ein wichtiges und schwieriges Thema, zu dem sie im nachfolgenden Beitrag von Schmerztherapeut Dr. Tobias Weigl mehr erfahren.
Ein 2016 im Deutschen Ärzteblatt erschienener Artikel erwähnt die theoretische Möglichkeit, dass der H2-Rezeptor Cimetidin zu einem erhöhten Serumspiegel führen könnte. Dies würde die Wirkung (aber auch Nebenwirkung) von Sexualsteroiden, die zur Ausbildung von Geschlechtsmerkmalen und für die Fortpflanzung im Körper ausgeschüttet werden, verstärken. Allerdings, so der Artikel, gäbe es dafür bislang keine klinischen Beweise.Quelle: Amelie Lupp (2016): Orale Kontrazeptiva: Risikoreiche Interaktion. In: Dtsch Arztebl 2016; 113(11).
Häufige Patientenfragen
Wann sollte ich ein Medikament mit Ranitidin oder Cimetidin nehmen? Wann nicht?
Dr. T. Weigl
Cimetidin und Ranitidin kann man bei einem akuten Reflux nehmen oder bei der oben angesprochenen gastroduodenalen Ulkuskrankheit. Es empfiehlt sich aber, vorher mit einem Arzt oder Apotheker gesprochen zu haben, um festzustellen, ob sich nicht doch lieber eine Behandlung mit Protonenpumpeninhibitoren empfiehlt. Nimmt man gleichzeitig andere Medikamente, sollte man dringend mit dem Arzt über mögliche Wechselwirkungen sprechen.
Nehmen Sie beispielsweise Diazepam oder Midazolam ein, könnte Ranitidin die Wirkung dieser Medikamente verlängern.
Was sind die Nebenwirkungen?
Dr. T. Weigl
Die Nebenwirkungen bei Cimetidin und Ranitidin sind vielfältig und davon abhängig, welchen der beiden Wirkstoffe man eingenommen hat. Gängige Nebenwirkungen bei beiden sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, aber auch Hautausschlag und Probleme im Magen-Darm-Bereich. Hier kann es zu Verstopfung oder Durchfall kommen.
Am besten lesen Sie für das spezifische Präparat die Packungsbeilage, dort finden Sie die möglichen Nebenwirkungen meist nach ihrer Wahrscheinlichkeit aufgeschlüsselt.
Wie sollte ich das Medikament dosieren?
Dr. T. Weigl
Das Medikament sollte auf jeden Fall nach Anweisung des Arztes, des Apothekers oder der Packungsbeilage eingenommen werden. Ein Beispiel für eine Dosierung von einer 200mg Cimetidin-Tablette zur Behandlung von Reflux wäre 2 Mal täglich. Eine Überdosierung ist gefährlich und sollte vermieden werden.
Kann ich Ranitdin oder Cimetidin über einen längeren Zeitraum einnehmen?
Dr. T. Weigl
Ranitidin und Cemitidin werden meist über den Zeitraum der Beschwerden oder punktuell (z. B. vor einer Operation) angewandt. Sie sollten nicht darüber hinaus genommen werden. Eine Anwendungsdauer sollte individuell und je nach Fall mit dem Arzt abgeklärt werden.
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt. Autoren: Dr. Tobias Weigl, Mathis GronauLektorat: Tobias Möller
Veröffentlicht: 05.09.2018
Quellen
- Paweena Dana et. al. (2017): Repurposing cimetidine for cholangiocarcinoma: Antitumor effects in vitro and in vivo. In: Oncology Letter 13 Nr. 3, Athen,
s.1432–1436. - EB (2016): Kurz Informiert, in: Dtsch Arztebl 2016; 113(26): A-1274.
- Wolfram Karges, Sascha Al Dahouk (2009): Innere Medizin… in 5 Tagen. Springer Medizin Verlag, Heidelberg.
- Amelie Lupp (2016): Orale Kontrazeptiva: Risikoreiche Interaktion. In: Dtsch Arztebl 2016; 113(11).
- Christian Prinz (2012): Basiswissen Innere Medizin. Springer Medizin Verlag, Heidelberg.
- Fred Sesto (Hg.) (1984): Arrhythmie-Kompendium II. Fragen – Antworten. Springer-Verlag, Heidelberg.
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