Eine akute Mandelentzündung heilt meist unter einer rein symptomatischen Therapie aus. Antibiotika sind tatsächlich nur selten notwendig.
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenDie akute Angina tonsillaris oder akute Tonsillitis tritt besonders im Kindes- und jungen Erwachsenenalter auf und beschreibt eine Entzündung der Gaumenmandeln. Halsschmerzen und Schluckbeschwerden kennzeichnen die Erkrankung. Als Tonsillopharyngitis tritt die Mandelentzündung oft gemeinsam mit einer Entzündung des Rachens auf. Ein Antibiotikum muss nur bei langem Krankheitsverlauf mit starkem Krankheitsgefühl eingenommen werden, wenn der Verdacht auf eine bakterielle Infektion besteht. Eine operative Entfernung der Mandeln wird heutzutage eher zurückhaltend angeordnet.
Die Mandeln und ihre Aufgaben
Im Eingangsbereich von Mund- und Nasenhöhle zum Rachen liegt der sogenannte Waldeyer-Rachenring. Dieser umfasst 5 Anteile der Immunabwehr, um diese stark den Keimen ausgesetzte Region zu schützen. Der Waldeyer-Rachenring setzt sich zusammen aus
- Tonsilla palatina (= Gaumenmandel, paarig rechts und links hinter dem Gaumenzäpfchen)
- Tonsilla pharyngealis (= Rachenmandel, im Rachendach am Eingang zum Rachenraum)
- Tonsilla lingualis (= Zungenmandel, Gewebe im Zungengrund)
- Tonsilla tubaria (= Tubenmandel, paarige Ansammlung von Lymphgewebe an Einmündung der Ohrtrompete im seitlichen Rachenraum)
- Seitenstränge
Mit einer akuten Tonsillitis ist eine Entzündung der Gaumenmandeln gemeint. Diese zählen zu den lymphoepithelialen Organen und dienen somit der Immunabwehr.
Die Symptome: Woran erkennt man, dass man eine Mandelentzündung hat?
Anna aus unserem Beispiel könnte an einer akuten Angina tonsillaris leiden.
Ein wichtiges Symptom der Angina tonsillaris sind die Halsschmerzen. Diese können bis in die Ohren einstrahlen und mit Schluckschmerzen und -störungen einhergehen. Auch ist eine kloßige Sprache möglich.
Außerdem können noch ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Husten, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber dazukommen. Gelegentlich treten Mundgeruch oder Bauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen auf.
Video-Exkurs: Lymphknotenschwellung
Halsschmerzen, die das Schlucken erschweren, müssen nicht unbedingt eine Mandelentzündung bedeuten. Es kommen einige andere Erkrankungen infrage. Eine davon sind zum Beispiel geschwollene Lymphknoten. Wie sie eine harmlose Schwellung von Krebs unterscheiden, erklärt Dr. Tobias Weigl in diesem Video:
Wen kann es erwischen?
Grundsätzlich können jede Altersgruppe und jedes Geschlecht von einer akuten Tonsillitis betroffen sein. Ein Häufigkeitsgipfel findet sich bei Schulkindern. Der genaue Grund dafür ist nicht bekannt. Ausgelöst wird die Krankheit oft durch Viren oder Streptokokken, also bestimmten Bakterien.
Exkurs: Scharlach
Scharlach tritt meist bei Kindern zwischen 4 und 10 Jahren in Verbindung mit einer Tonsillopharyngitis, verursacht durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, auf. Aber: Scharlach ist nicht gleichbedeutend mit einer Streptokokken-Tonsillitis. Scharlach wird nämlich durch ein von den Bakterien produziertes Gift (sog. Exotoxin) verursacht und kann beispielsweise auch nach einer operativen Entfernung der Mandeln auftreten. Für die Diagnose muss neben Fieber noch wenigstens ein zusätzliches Kriterium erfüllt sein. Zu diesen gehören:
- Wangenröte
- Blässe um den Mund herum
- Geröteter Gaumen
- Rote Himbeer- oder Erdbeerzunge (zu Beginn weiß belegt)
- Feinfleckiger Ausschlag, besonders ausgeprägt in den Leisten
- Abschuppung an Handflächen und Fußsohlen
Die Diagnose stellt der Arzt in der Regel, indem er sich den Patienten auf diese Symptome hin ansieht. Sie kann aber auch durch einen Streptokokken-A-Schnelltest mittels Rachenabstrich erfolgen.
Als Therapie gilt neben einer symptomatischen Behandlung die antibiotische Therapie mit Penicillin V über sieben Tage. Dadurch sollen die Beschwerden verkürzt, die Ansteckungszeit verringert und Komplikationen vermieden werden.
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Wie bei jedem Arztbesuch erfolgt als erstes die Anamnese, also die Befragung des Patienten nach seinem Befinden. Seit wann bestehen die Beschwerden? Ist im Umfeld jemand krank gewesen?
Bei der körperlichen Untersuchung erfolgt nun die Inspektion des Rachens. Dabei kann eine Rötung und Schwellung der Gaumenmandeln auffallen, ggf. sind Beläge oder gelb-weißliche Stippchen zu sehen.
Als weitere Diagnostik kommt der Rachenabstrich in Frage. Dabei wird ein Schnelltest auf Streptokokken, also auf Bakterien gemacht. Der Test erkennt nicht immer, ob eine Streptokokken-Infektion vorliegt. Wenn dieser aber positiv ist, liegt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich eine solche Infektion vor.
Anhand einer Blutuntersuchung können allgemeine Entzündungswerte (CRP, BSG, Leukozyten) bestimmt werden. Dies gehört allerdings nicht zur Routinediagnostik.
Männer und Frauen gleichermaßen betroffen
Grundsätzlich in jedem Alter möglich, Häufigkeitsgipfel bei Schulkindern.
Symptome
- Halsschmerzen, die ggf. bis in die Ohren strahlen
- Schluckbeschwerden
- Allgemeines Krankheitsgefühl mit Fieber, Kopfschmerzen, Husten
- Mundgeruch
- Bauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Die Behandlung einer akuten Tonsillitis erfolgt zunächst durch unterschiedliche konservative Maßnahmen. Eine Operation, also die Entfernung der Mandeln ( sog. Tonsillekotmie), folgt nur nach strenger Indikationsstellung und wird heute eher zurückhaltend durchgeführt.
Konservative Therapie: Zunächst sollte eine symptomatische Therapie erfolgen. Dazu gehören:
- viel trinken
- den Körper schonen
- Paracetamol oder Ibuprofen zur Schmerztherapie
- Nasenspray benutzen, um Schwellungen zu lindern
- Kortisonpräparat bei drohender Verengung der oberen Atemwege durch die entzündlich angeschwollenen Tonsillen
Schmerzlindernde Medikamente und Antseptika, die an der Anwendungsstelle, also lokal wirken haben bisher keinen gesicherten Effekt gezeigt. Rachensprays, Lutschtabletten, Gurgellösungen usw. werden laut aktuellen Leitlinien nicht für die Therapie empfohlen. Hier ist eine individuelle Entscheidung sinnvoll.
Exkurs: Spezialfall EBV-Infektion
Der Epstein-Barr-Virus (=EBV) gehört zu den humanen Herpes-Viren, ebenso wie der Herpes simplex Virus, welcher den allgemein bekannten Lippenherpes verursacht. Der EBV ist Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers, auch als infektiöse Mononukleose bezeichnet. Die infektiöse Mononukleose zeichnet sich aus durch:
- Angina tonsillaris mit weiß-grauen Belägen
- Fieber
- Lymphknotenschwellung am ganzen Körper
- Vergrößerung der Milz (sog. Splenomegalie)
- Blutbild mit Vermehrung der Lymphozyten (sog. Lymphozytose)
- Blutausstricht (sog. Pfeiffer-Zellen)
Die Therapie erfolgt rein symptomatisch. Wird die Fehldiagnose einer bakteriellen Angina tonsillaris gestellt, kann die Gabe von Amoxicillin bzw. Ampicillin zur Ausbildung eines Ausschlages am gesamten Körper, eines Arzneimittelexanthems, führen. Die gilt nicht bei Gabe von Penicillin V.
Generell gilt, dass der spontane Krankheitsverlauf bei der akuten Tonsillitis, unabhängig davon, ob die Erkrankung durch Bakterien oder Viren ausgelöst ist, in der Regel eher günstig ist. Eine antibiotische Therapie sollte eher kritisch betrachtet und die Indikation genau geprüft werden. Mittel der Wahl ist Penicillin V in der Regel über einen Zeitraum von sieben Tagen.
Der Effekt einer Antibiotikabehandlung bei einer Streptokokken-Angina wird aktuell hinterfragt. Trotzdem empfehlen die ärztlichen Leitlinien die antibiotische Therapie bei Nachweis oder klinischem Verdacht von Streptokokken. Grund sind die möglichen Folgeerkrankungen nach Streptokokkeninfektionen. Dazu zählen u. a. das akute Rheumatische Fieber oder die akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis.
Antibiotisch behandelte Patienten sind in der Regel nach 24 Stunden nicht mehr ansteckend. Es konnte bisher weder eine geringere Fehlzeit noch eine geringere Ansteckungsrate von Kontaktpersonen festgestellt werden.
In Untersuchungen, die eine Antibiotikagabe und Placebobehandlung differenzierten, wurde ein durchschnittlicher Unterschied von 16 Stunden bei der Besserung der Beschwerden festgestellt.
Operative Therapie: Die Tonsillektomie, also die komplette Entfernung der Gaumenmandeln wird heute eher zurückhaltend durchgeführt. Als Entscheidungsgrundlage dient die Anzahl der Infektionen in den letzten 12 Monaten:
-
- < 3 Infektionen: keine OP notwendig
- 3–5 Infektionen: OP ist möglich, wenn weitere Infektionen in den kommenden 6 Monaten folgen und 6 Infektionen in 12 Monaten erreicht werden
- ab 6 Infektionen: OP ist therapeutische Option
Mehr dazu finden Sie unter dem Stichwort „Paradise-Kriterien“ im Artikel Halsschmerzen.
Unabhängig von der Anzahl der Infektionen gelten beispielsweise eine Abszessbildung oder eine einseitige Mandelvergrößerung als OP-Indikationen.
In ca. 5 % aller Tonsillektomien kommt es zu behandlungsbedürftigen Nachblutungen. Dabei wird unterschieden zwischen den Primärblutungen, die innerhalb von 24 Stunden nach der Operation auftreten, wenn die gefäßverengende Wirkung der Anästhesie nachlässt, und der Sekundärblutung die meist zwischen dem 5. und 8. Tag nach OP auftritt. Nachblutungen müssen nicht immer behandelt werden. Da sie im Einzelfall aber lebensbedrohlich sein können, sollten Tonsillektomien stets stationär erfolgen um ein schnelles Handeln zu ermöglichen.
Neben der verbreiteten Tonsillektomie, ist auch eine Teilentfernung der Gaumenmandeln möglich, eine sogenannte Tonsillotomie. Dabei bleibt die Kapsel, also die äußerste Schicht der Gaumenmandeln erhalten. Hierbei sind das Nachblutungsrisiko und die Schmerzrate geringer. Die Tonsillotomie wird eher selten durchgeführt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht keines der Verfahren im direkten Vergleich deutlich vorne.
Häufige Patientenfragen
Muss ich bei einer akuten Mandelentzündung ein Antibiotikum nehmen?
Dr. T. Weigl:
In 50–80 % der Fälle sind Halsschmerzen durch eine virale Infektion verursacht. Hier ist kein Antibiotikum notwendig. Bei bakteriellen Infekten entscheidet der Hausarzt, inwieweit eine antibiotische Therapie vorgenommen werden sollte.
Was kann ich gegen die Schmerzen nehmen?
Dr. T. Weigl:
Grundsätzlich können Ibuprofen oder Paracetamol eingenommen werden. Der Effekt von frei verkäuflichen, lokal wirksamen Medikamenten aus der Apotheke (Lutschtabletten, Rachensprays etc.) ist nicht nachgewiesen. Gegen die Einnahme spricht generell nichts. Im Zweifel kann immer Rücksprache mit dem Hausarzt oder auch in der Apotheke gehalten werden.
Muss man eine akute Tonsillitis behandeln?
Dr. T. Weigl:
In den meisten Fällen ist eine konservative Therapie ausreichend. Die Indikation zur antibiotischen Therapie wird vom Hausarzt gestellt und unterliegt bestimmten Kriterien und Regularien. Erst bei besonders schweren Verläufen mit Komplikationen oder besonders häufig auftretenden Entzündungen wird die Indikation zur operativen Therapie und somit der Entfernung der Gaumenmandeln gestellt.
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Autoren: Claudia Scheuer und Dr. Tobias Weigl
Redaktion: Andrea Lorenz
Veröffentlicht am: 02.06.2018, zuletzt aktualisiert: 07.01.2019
Quellen
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hg.) (2015): S2k-Leitlinie 017/024: Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln – Tonsillitis.
- Herold u. a.: Innere Medizin. Eigenverlag, 2013
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Hg.) (2017): Tonsillotomie bei rezidivierender akuter Tonsillitis und bei Hyperplasie der Tonsillen. Abschlussbereicht (IQWiG-Berichte – Nr. 475). IQWiG, Köln.
- hil/aerzteblatt.de (2017): Entscheidung zwischen Tonsillotomie und Tonsillektomie bleibt schwierig. In: Deutsches Ärzteblatt online.
Schüttelfrost – Muskelzittern bei fieberhaften Erkrankungen
Ischka Niemer
02.10.2023 17:40Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Mandelentzündung. Gut zu wissen, dass man auch schwer schlucken kann. Ich werde mich schnell an einen HNO Arzt wenden.