Circa 25 Prozent der auftretenden Wadenkrämpfe haben keine konkrete Ursache. Treten sie jedoch gehäuft auf, lohnt sich eine Untersuchung.
— Dr. Tobias Weigl
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Dieser Text wurde gemäß medizinischer Fachliteratur, aktuellen Leitlinien und Studien erstellt und von einem Mediziner vor Veröffentlichung geprüft.
Quellen ansehenBei einem Wadenkrampf ziehen sich einzelne Muskeln oder Muskelgruppen in der Wade abrupt zusammen und verkrampfen: die Muskeln verhärten. Dieser Zustand kann Sekunden bis Minuten andauern und wird von Betroffenen als äußerst schmerzhaft wahrgenommen. Die Ursachen für Wadenkrämpfe können vielfältig sein.
Der Wadenkrampf
Lisa aus unserem Beispiel hat einen Wadenkrampf erlitten. Ein Krampf ist ein schmerzhaftes und unwillkürliches Zusammenziehen (Kontraktion) des Muskels. Verursacht wir ein Wadenkrampf jedoch gar nicht vom Muskel selber, sondern von den Nerven. Normalerweise werden elektrische Signale vom Gehirn über die Nervenzellen an die Muskeln gesendet. Ein Muskelkrampf entsteht, wenn die Nerven ohne einen Impuls vom Gehirn unkontrolliert Signale an die Muskeln senden und sie sozusagen damit überfluten.
Wadenkrämpfe treten häufig auf, etwa jeder zweite Erwachsene leidet hin und wieder unter unvermittelt einsetzenden Wadenkrämpfen. Besonders häufig betroffen sind Sportler, Schwangere und Senioren.
In den Sommermonaten treten Wadenkrämpfe wesentlich häufiger auf als in den Wintermonaten, sogar ungefähr doppelt so oft.
Die Symptome
Bei einem Wadenkrampf ziehen sich die Wadenmuskeln heftig zusammen, die Muskeln verhärten und es entsteht ein stechender Schmerz. Die Muskeln können so sekunden- bis minutenlang „blockieren“. In der Regel lässt der Krampf nach einer Weile von selbst nach, doch besonders nach starken Krämpfen können Muskelschmerzen- und Verspannungen an der betroffenen Stelle auftreten.
Ursachen
Für Wadenkrämpfe gibt es eine ganze Bandbreite an möglichen Ursachen. Wadenkrämpfe lassen sich in drei Kategorien aufteilen: idiopathische, paraphysiologische und symptomatische.
Bei idiopathischen Wadenkrämpfen lässt sich keine konkrete Ursache für den Krampf ermitteln. Sie treten spontan auf, ohne dass es einen erkennbaren Anlass gibt. Circa 25 Prozent der Wadenkrämpfe sind idiopathisch.
Paraphysiologische Wadenkrämpfe werden zumeist durch eine Elektrolytstörung, also eine Störung des Wasser- und Mineralstoffhaushaltes im Körper, ausgelöst. Dabei verliert der Körper Flüssigkeit und damit auch wichtige Mineralstoffe, bspw. Magnesium, Kalzium oder Kochsalz. Paraphysiologische Wadenkrämpfe treten unter anderem auf bei:
- Wassermangel
- Schlafmangel
- Mangelernährung
- Körperlicher Belastung (z. B. Sport)
- Starkes Schwitzen
- Schwangerschaft
- Alkoholkonsum
- Nikotinkonsum
- Fuß-Fehlstellungen (bspw. Senkfuß)
Symptomatische Wadenkrämpfe treten als Symptome im Zuge von anderen Erkrankungen auf, wie etwa:
- Stoffwechsel- und Infektionserkrankungen
- Neuromuskuläre Erkrankungen
- Intoxikation (also als Vergiftungserscheinung)
- Restless-Legs-Syndrom
- Diabetes mellitus
Exkurs: Diabetes mellitus
Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der der Glukosegehalt im Blut erhöht ist. Man nennt sie daher auch die „Zuckerkrankheit“. Sie tritt in Deutschland sehr häufig auf, ist damit also eine Volkskrankheit. Häufige Symptome sind Leistungsminderung, Müdigkeit, häufiges Wasserlassen und Wadenkrämpfe.
Was genau bedeutet die Krankheit Diabetes mellitus? Welche Symptome verursacht sie und welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Das und noch mehr erklärt Dr. Tobias Weigl in folgendem Video.
Exkurs: Magnesium
Magnesium gilt als effektives Mittel gegen Wadenkrämpfe. Und tatsächlich finden sich Wadenkrämpfe ganz oben auf der Liste von Symptomen eines Magnesiummangels. Diese sind:
- Waden- und Muskelkrämpfe
- Muskelzucken (bspw. im Augenlid)
- Kribbeln oder Taubheitsgefühl in den Fingern oder einzelnen Muskelpartien
- Muskelverspannungen
Ob Magnesium jedoch bei akuten Krämpfen tatsächlich hilft, ist fraglich. Eine Studie, die Magnesiumeinnahme als wirksames Mittel gegen Wadenkrämpfe bestätigte, stammt aus dem Jahr 1983. Mittlerweile allerdings zeigen Forschungsergebnisse, dass Magnesium zur Verhinderung oder Beseitigung von akuten Krämpfen gar nicht unbedingt wirkt. Für Sportler bspw., die Krämpfe erleiden, existieren in aktuellen Studien keine klaren Ergebnisse, ob Magnesium tatsächlich hilfreich ist. Es bleibt also fraglich, ob die unmittelbare Einnahme von Magnesium bei Wadenkrämpfen Abhilfe schafft. Da Wadenkrämpfe jedoch eindeutig ein Symptom von Magnesiummangel sein können, ist ein ausgewogener Elektrolythaushalt, und das schließt einen ausgewogenen Magnesiumhaushalt ein, in jedem Fall wichtig.
Video: Schmerzexperte Dr. Weigl zu Magnesium und Magnesiummangel
Wofür braucht unser Körper Magnesium? Welche Auswirkungen hat ein Magnesiummangel und welche positiven Wirkungen kann Magnesium bei der Krankheitsbehandlung haben? Mehr dazu verrät Dr. Tobias Weigl in folgendem Video.
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Besonders bei regelmäßigen Wadenkrämpfen sollte der Patient einen Arzt aufsuchen, um die Ursache für die Krämpfe zu ermitteln.
Zunächst führt der Arzt ein Anamnesegespräch durch, also eine Befragung des Patienten unter anderem nach seinem Befinden, der Ernährung, eventuellen Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme, familiärer Disposition von Erkrankungen.
Zur Ermittlung der Ursache von Wadenkrämpfen können verschiedene körperliche Untersuchungen durchgeführt werden, wie etwa:
- Blutuntersuchungen (dienen z. B. der Bestimmung des Blutzuckers, der Schilddrüsenwerte, der Elektrolyte)
- Gezielte Nervenfunktionsprüfungen
- Bildgebende Verfahren
Erste Maßnahmen, die man bei einem akuten Wadenkrampf selber durchführen kann, sind:
- Vorsichtiges Dehnen (z. B. indem man die Fußspitze in Richtung des Schienbeins zieht und langsam das Bein durchstreckt)
- Massieren der Wadenmuskulatur
- Wärmebehandlung (z. B. mit warmem Wasser, um die Muskulatur zu entspannen)
Es gibt auch Maßnahmen, um Wadenkrämpfen vorzubeugen, sofern sie nicht symptomatisch (also bedingt durch andere Erkrankungen) auftreten. Dazu zählen regelmäßige Dehnübungen der Wadenmuskulatur, Durchblutungsförderung, maßvolle und regelmäßige Bewegung, sowie eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme. Vermeiden sollt man Alkohol, Nikotin und entwässernde Medikamente.
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Treten Wadenkrämpfe symptomatisch auf, können sie durch die Behandlung der primären Krankheit mitbehandelt werden.
Handelt es sich um Wadenkrämpfe auf Grund einer Elektrolytstörung, so handelt es sich häufig um einen Magnesiummangel. In dem Fall kann der Patient Magnesiumpräparate einnehmen. Solche gibt es frei erhältlich in der Apotheke oder im Drogeriemarkt. Eine Blutuntersuchung vom Arzt kann die Elektrolyte im Blut bestimmen, damit eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden kann.
In besonders starken Fällen von idiopathischen Wadenkrämpfen kann der Arzt Chinin verordnen. Diese Behandlung ist jedoch ausschließlich in Absprache mit dem Arzt und nach einem Aufklärungsgespräch angeraten.
Aktuelles aus der Forschung: Chinin
Chinin ist ein natürlich vorkommendes Alkaloid, das aus der Rinde des China-Baumes gewonnen wird.
Anwendungsgebiete:
- In niedriger Dosierung ist Chinin in Getränken wie Bitter Lemon und Tonic Water zu finden, da es den Getränken den typischen bitteren Geschmack verleiht.
- In höherer Dosierung wird Chinin schon seit langem als Malaria-Medikament eingesetzt. Mittlerweile ist es allerdings lediglich noch ein Reservemedikament, das zum Einsatz kommt, wenn andere Malaria-Mittel nicht anschlagen, z. B. bei Malaria tropica.
- Seit den 1930er Jahren wird Chinin zur Behandlung idiopathischer (also ursachenloser) Muskelkrämpfe eingesetzt. Bei circa 80 Prozent der mit Chinin behandelten Patienten konnten so Wadenkrämpfe ungefähr um die Hälfte verringert werden.
- Es wird auch zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms angewandt.
Forschungsergebnisse:
Chinin als Mittel gegen Wadenkrämpfe galt lange als unbedenklich. Noch 2003 wurde es als wirksames Mittel beschrieben, insbesondere da es Wadenkrämpfe auch unabhängig von der Ursache lindert.
Eine Studie des Forschers Laurence Fardet und seines Teams an der Universität Paris hat jedoch bedenkliche Ergebnisse. Die Studie von 2017 hat nun eine erhöhte Sterblichkeit bei Einnahme von Chinin nachgewiesen. Deutlich erhöht war das Sterberisiko besonders bei Patienten unter 50 Jahren. Bei Langzeiteinnahme erhöht es das Risiko eines plötzlichen Herztodes um den Faktor 3.
Nebenwirkungen:
Bei der Einnahme von Chinin kann es zu einer Reihe von Nebenwirkungen kommen.
„Cinchonismus“ nennt man eine allergische Reaktion auf Chinin. Die allergischen Reaktionen waren bei der Malariabehandlung bekannt und von den Patienten gefürchtet. Sie können bei der Behandlung von Wadenkrämpfen einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen. Die konkreten Nebenwirkungen sind:
- Tinnitus
- Schwindel
- Übelkeit
- Kopfschmerzen
- Hypoglykämie (Unterzuckerung)
- Thrombozytopenie (verminderte Anzahl von Blutplättchen im Blut)
- Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen)
Folgen:
In Amerika gibt es kein zugelassenes Chinin-Präparat als Krampflöser. Daher wird es dort häufig off-label durch Einnahme eines Malariamedikamentes genutzt.
In Großbritannien dagegen ist die Behandlung mit Chinin noch gängige Praxis.
Die in Deutschland 2015 eingeführte Rezeptpflicht für Chinin soll unter anderem auch die Anwendung des Mittels durch Drogenkonsumenten minimieren. Manche Mittel, wie beispielsweise das medizinische Opiat Loperamid, haben alleine keine zentralnervöse Wirkung. Nimmt man es jedoch zusammen mit Chinin ein, wirkt es als Droge.
In Deutschland ist nur ein einziges Chinin-Präparat zugelassen, welches nur auf Rezept für die Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe bei Erwachsenen erhältlich ist. Allerdings ausschließlich im Falle von besonders häufigen und schmerzhaften Wadenkrämpfen, wenn behandelbare Ursachen bereits ausgeschlossen wurden und auch nicht-pharmakologische Maßnahmen ausprobiert wurden, aber nicht ausreichende Linderung einbrachten.
Wegen der starken, unter Umständen lebensbedrohlichen, Nebenwirkungen, die Chinin auslöst, ist das Medikament ausschließlich nach Absprache und Beratung durch den behandelnden Arzt und nach sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses einzunehmen.
Quelle: Laurence Fardet, Irwin Nazareth, Irene Petersen (2017): Association Between Long-term Quinine Exposure and All-Cause Mortality. JAMA. 317(18):1907–1909. doi:10.1001/jama.2017.2332.
Häufige Patientenfragen
Muss ich wegen meiner nächtlichen Wadenkrämpfe zum Arzt gehen?
Dr. T. Weigl
Wenn die Wadenkrämpfe ab und zu auftreten, insbesondere nach Alkohol- oder Nikotinkonsum, ist ein Arztbesuch nicht zwingend erforderlich. Kommen sie jedoch häufig und ungewöhnlich schmerzintensiv vor, so ist ein Arztbesuch durchaus angeraten. Insbesondere ist hier das Risiko zu beachten, dass die Wadenkrämpfe als Symptom einer anderen zugrundeliegenden Krankheit, wie bspw. Diabetes, auftreten können. Der Arzt kann durch Anamnese und Untersuchung die Ursache der Wadenkrämpfe ermitteln und eine entsprechende Behandlung einleiten.
Was kann ich tun, um Wadenkrämpfen vorzubeugen?
Dr. T. Weigl
Um Wadenkrämpfen vorzubeugen, ist eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme wichtig. Dies hilft dabei, Elektrolythaushaltsstörungen vorzubeugen. Durchblutungsfördernde Maßnahmen, wie z. B. Wechselbäder, sind außerdem hilfreich. Auch regelmäßige Dehnübungen und regelmäßige Bewegung sind wichtig. Übertriebene körperliche Betätigungen sollten allerdings vermieden werden. Außerdem vermeiden sollte man starken Alkohol- und Nikotinkonsum. Allerdings gilt zu beachten, dass auch trotz vorbeugender Maßnahmen spontane idiopathische Wadenkrämpfe (also solche, bei denen keine Ursache zu ermitteln ist) auftreten können.
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.
Autoren: Dr. Tobias Weigl, Sarah Sodke
Lektorat: Tobias Möller
Datum: 16.07.2018
Quellen
- Laurence Fardet, Irwin Nazareth, Irene Petersen (2017): Association Between Long-term Quinine Exposure and All-Cause Mortality. JAMA. 317(18):1907–1909. doi:10.1001/jama.2017.2332.
- Herold et al. (2013): Innere Medizin. Eigenverlag.
- Ross Neitz (2015): To everything there is a season: UAlberta researcher finds a common painful condition is seasonal in nature. University of Alberta.
- rme/aerzteblatt.de (2017): Muskelkrämpfe: Chinin erhöht Sterberisiko.
- rme/aerzteblatt.de (2015): Nächtliche Wadenkrämpfe saisonal gehäuft.
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