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Medizinisches Cannabis – Hilfe bei chronischen Erkrankungen?

Auf einen Blick – Medizinisches Cannabis

  • Cannabis: lat. Name für die Hanfpflanze
  • THC & CBD
  • schmerzlindernd
  • entspannende Wirkung

Wann wird Cannabis medizinisch eingesetzt?

  • per Antrag bei schwerwiegenden Erkrankungen
  • Verschreibungshöchstmenge: 100 g in 30 Tagen
  • Studienlage bisher oft noch unzureichend
  • oft „nur“ Fallberichte
  • möglicher (leichter) Nutzen bei z. B. Krebsschmerzen
  • kein Wundermittel

Mögliche Nebenwirkungen (Auswahl)

Seit April 2024 darf man in Deutschland unter gewissen Voraussetzungen Cannabis als Erwachsener (teilweise) legal kaufen und nutzen. Bereits seit 2017 konnten Patient*innen in speziellen Fällen medizinisches Cannabis per Rezept erhalten. Medizinisches Cannabis wird oft zur Schmerzbehandlung herangezogen und wird immer wieder als Alternative zu „klassischen“ Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol genannt. Ebenso wird der Einsatz bei chronischen Erkrankungen wie multipler Sklerose weiter untersucht. In diesem Artikel sprechen wir über die verschiedenen Anwendungsbereiche, Darreichungsformen und die Effekte von medizinischem Cannabis – und worin die Chancen und Grenzen des Arzneimittels liegen.

Was ist medizinisches Cannabis?

Cannabis ist die lateinische Bezeichnung für die Hanfpflanze. Aus den weiblichen Pflanzen kann man Rauschmittel gewinnen. In Deutschland ist Cannabis seit 2017 als Medizin zulässig, allerdings nur in begründeten Einzelfällen. Die Hanfpflanze an sich hat keine Wirkung; diese entsteht erst durch den enthaltenen Stoff THC (Tetrahydrocannabinol). THC gehört zur Gruppe der sog. Cannabinoide. Ein anderes bekanntes Cannabinoid der Hanfpflanze ist CBD (Cannabidiol), das als Nahrungsergänzungsmittel gekauft werden kann.

Welche Wirkungen hat medizinisches Cannabis?

Ebendiese Cannabinoide werden überwiegend in Arzneimittel eingesetzt, um so eine therapeutisch vorteilhafte Wirkung zu erzielen. Im Körper des Menschen wirken sie u. a.

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  • schmerzlindernd,
  • entzündungshemmend,
  • gegen Übelkeit
  • muskelentspannend
  • und appetitfördernd.

Aufgrund dieser Wirkungen wird mehr und mehr diskutiert, ob Cannabis zukünftig bspw. in der Schmerztherapie eine größere Bedeutung zukommen sollte.

Was ist der Unterschied zwischen medizinischem Cannabis und „Freizeit-Cannabis“?

Wichtig ist das Ziel der Einnahme: Entspannung, „abschalten“ oder steht eine Behandlung von Krankheiten und Symptomen im Vordergrund? Viele Menschen, die Cannabis „einfach so” konsumieren, möchten dadurch entspannen, vielleicht auch kreativer sein. Diese Effekte gehen v. a. auf das THC zurück. Der Stoff sorgt bspw. dafür, dass bspw. mehr Dopamin im Gehirn freigesetzt wird. Man nimmt also so viel THC zu sich, wie nötig ist, um u. U. solche Effekte zu erzielen.

Anders sieht es beim medizinischen Einsatz aus. Mit der geringstmöglichen Dosierung soll z. B. erreicht werden, dass die u. a. schmerzlindernden Effekte von Cannabis das Leben der Patient*innen erleichtert. Nicht der Rausch ist das Ziel, sondern möglichst wenig Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität. Deshalb ist für Betroffene auch eine möglichst exakte Dosierung so wichtig; anders als beim „Freizeitgebrauch”.

Chronische Erkrankungen – ist medizinisches Cannabis eine Behandlungsalternative?

Es gibt derzeit keine klar definierten Anwendungsfelder für die Verwendung von Cannabis. Meistens wird es in der Medizin bei chronischen Schmerzen, multipler Sklerose, Krebsleiden (v. a. in der Palliativmedizin) und bei Spastiken eingesetzt. Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Cannabis ist kein Wundermittel. Für viele Krankheitsbilder gibt es keine wissenschaftlich einwandfreien Beweise für seine Wirksamkeit, sondern lediglich Hinweise. Das bedeutet jedoch nicht, dass Cannabis völlig unwirksam ist – es mangelt oft einfach an klaren wissenschaftlichen Belegen.

Momentan ist Cannabis eine Option, wenn andere Therapien fehlschlagen oder als zusätzliche Maßnahme unter bestimmten Umständen. In einigen Studien gibt es überzeugende Hinweise dafür, Cannabis bei Krebsschmerzen und neuropathischen Schmerzen (z. B. diabetische Neuropathie) helfen könnte. Für u. a. Muskelschmerzen, Rückenschmerzen, migränebedingte Kopfschmerzen oder Fibromyalgie gibt es bisher aber nur unzureichende Belege. Weitere mögliche Anwendungsgebiete für Cannabis könnten sein:

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  • Appetitlosigkeit
  • Darmkrankheiten
  • Epilepsie
  • gegen Erbrechen und Übelkeit durch Zytostatika („Krebsmedikamente“)
  • psychische Störungen
  • Schlafstörungen
  • Tourette-Syndrom

Es mangelt generell noch an Forschung, die die Wirksamkeit von Cannabis bei diesen Erkrankungen zweifelsfrei belegt. Deshalb muss stets individuell entschieden werden, ob medizinisches Cannabis als Behandlungsalternative in Frage kommt.

Cannabis stellt oft eine (oder sogar die letzte) Behandlungsoption für Patient*innen dar, bei denen andere Therapien versagt haben. Die nötigen Dosierungen hängen vom Einzelfall ab, wobei meist mit einer niedrigen Dosis begonnen und diese dann schrittweise erhöht wird. Die maximale Verschreibungsmenge für medizinisches Cannabis beträgt 100 g über 30 Tage.

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Cannabis kann u. U. einige Nebenwirkungen verursachen. Dazu gehören u. a.

  • Angst
  • Benommenheit
  • Blutdruckabfall
  • Euphorie
  • gerötete Augen
  • gesteigerte Appetit
  • Halluzinationen
  • Herzrasen
  • Müdigkeit
  • Mundtrockenheit
  • Schwindel
  • Störungen der Psyche

Trotz dieser Nebenwirkungen gilt medizinisches Cannabis insgesamt als sicher. Es sei aber angemerkt, dass es bisher keine Langzeitstudien gibt, in denen der langfristige, dauerhafte Verzehr untersucht wird. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind bisher nicht bekannt. Das gleiche gilt für Todesfälle infolge einer Überdosierung. Bei regelmäßiger Einnahme tritt aber meistens ein Gewöhnungseffekt ein, sodass Arzneimittel mit Cannabis als gut verträglich gelten.

Gibt es Wechselwirkungen?

Vor der Einnahme sollten Sie mögliche Wechselwirkungen im Blick behalten und ärztlich abklären lassen. Bei folgenden Substanzen kann es u. U. zu verstärkten Nebenwirkungen kommen:

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Wann sollte Cannabis nicht verwendet werden?

Klar definierte Kontraindikationen stehen noch aus. Das liegt daran, dass es keine Langzeitstudien gibt, die die Sicherheit bei einer langfristigen, regelmäßigen Einnahme untersucht haben. Meist wird auf folgende Kontraindikationen verwiesen, die aber noch diskutiert werden:

  • Allergie oder Überempfindlichkeit gegenüber Cannabinoiden
  • Bluthochdruck
  • Herz-/Kreislauf-Erkrankungen
  • Psychosen
  • schwere Leber- oder Nierenfunktionsstörungen
  • u. U. Depression

Um mögliche Folgenerkrankungen und -problemen vorzubeugen, sollten Sie sich ausführlich beraten lassen, bevor Sie medizinisches Cannabis einnehmen. Vor- und Nachteile sollten gründlich abgewogen werden.

Aktuelle Forschung – Herzrhythmusstörungen durch Cannabis?

In einer 2024 veröffentlichten dänischen Studie wurde untersucht, ob der Freizeitkonsum von Cannabis Herz-Kreislauf-Probleme verursacht. Dafür wurden in dänischen Patientenregistern Personen mit chronischen Schmerzen gesucht, die medizinischen Cannabis verordnet bekamen. Von 1,8 Millionen Patient*innen mit chronischen Schmerzen erhielten knapp 5.400 Personen Cannabis. Diese Daten wurden mit rund 27.000 Kontrollpatient*innen verglichen. Der Konsum von medizinischem Cannabis war im Ergebnis mit einem leicht höheren Risiko für neu einsetzende Herzrhythmusstörungen verbunden im Vergleich zu denjenigen Patient*innen, die kein Cannabis erhielten. In den meisten Fällen traten die Symptome in den ersten 180 Tagen der Behandlung auf.

Personen, die an Krebs litten oder bereits andere kardiometabolische Erkrankungen vorwiesen, hatten in der untersuchten Gruppe das höchste Risiko. Die Autor*innen verweisen darauf, dass es noch größere Langzeituntersuchungen geben müsse; gleichzeitig seien die Erkenntnisse aber für jede/n Arzt/Ärztin wichtig, da gerade Vorhofflimmern eng mit dem Risiko z. B. eines Schlaganfalls verbunden sei.

Quelle: Anders Holt et al. (2024): Cannabis for chronic pain: cardiovascular safety in a nationwide Danish study, in: European Heart Journal 45/6, S. 475–484.

„Medizinisches Cannabis kann bei bestimmten chronischen Erkrankungen und Krebsschmerzen eine (ergänzende) Alternative sein. Sie sollten aber keine Wunder erwarten.“ — Dr. Dr. Tobias Weigl

Häufige Patientenfragen

Kann ich von medizinischem Cannabis abhängig werden?

Dr. Dr. T. Weigl
Grundsätzlich führt Cannabiskonsum nicht zwangsläufig in eine Abhängigkeit. Tendenziell scheint das Suchtpotenzial von Cannabis im Vergleich mit anderen Rauschmitteln geringer zu sein. Trotzdem besteht die Möglichkeit, dass Sie abhängig werden können – auch von verordnetem medizinischem Cannabis. Dieser Gefahr sollten Sie sich bewusst sein. Letztlich muss immer im Einzelfall abgewogen werden, ob eine Cannabis-Gabe weiterhin sinnvoll ist, falls eine Abhängigkeit besteht oder zu entstehen droht.

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Wann und wie wird mir medizinisches Cannabis verschrieben?

Dr. Dr. T. Weigl
Der Einsatz von medizinischem Cannabis ist nicht ohne Weiteres möglich. Die Verordnung ist nicht auf konkrete Krankheiten oder Symptome beschränkt – Voraussetzung ist aber, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, die lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität dauerhaft einschränkt.

Das spielt auch für eine mögliche Kostenübernahme eine wichtige Rolle. Grundsätzlich kann medizinisches Cannabis auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen nur dann übernommen werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Der/die Patient*in hat eine schwerwiegende Erkrankung
  • Es gibt keine anerkannte alternative Behandlungsmöglichkeit
  • Es gibt ausreichend Hinweise darauf, dass medizinisches Cannabis helfen könnte

Außerdem muss die Krankenkasse zusätzlich eine Genehmigung erteilen, wenn Cannabis zum ersten Mal einem/einer Patient*in verordnet wird. Ihr Arzt oder Ihre Ärztin reicht dazu eine Dokumentation bei der Krankenkasse ein. Darin wird begründet, warum Cannabis eingesetzt werden sollten. Binnen drei Wochen erhalten Sie Nachricht darüber, ob die Krankenkasse den Antrag genehmigt oder nicht.

In Ausnahmefällen kann seit Juni 2023 der Bewilligungsweg abgekürzt werden: Entweder wird das Arzneimittel sehr schnell benötigt oder es soll bei einer ambulanten Palliativversorgung eingesetzt werden. Dann entscheidet die Krankenkasse binnen 3 Tage über eine Genehmigung. Bei Patient*innen, die in einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) betreut werden, entfällt die Genehmigung. Betroffene haben nur noch kurze Zeit zu leben und bürokratische Hürden sollen einer Cannabis-Gabe z. B. zur Schmerzlinderung nicht im Weg stehen.

In Ausnahmefällen, z. B. bei palliativer Betreuung, kann eine Cannabis-Gabe ohne Genehmigung möglich sein.

Ich nehme Cannabis – ist der Konsum gefährlich?

Dr. Dr. T. Weigl
Es gibt Hinweise darauf, dass regelmäßiger Konsum das Risiko für Psychosen erhöhen kann. Das gilt insbesondere für den langfristigen Verzehr von hochpotentem Cannabis mit einem THC-Gehalt von über 10 %. Vielfach wird Cannabis als Einstiegsdroge kritisiert, laut der Deutschen Suchthilfe steigt aber nur ein geringer Anteil der Konsument*innen langfristig auf härtere Drogen um. Gravierende Hirnschäden wie bei Alkohol scheint Cannabis bei regelmäßigem Konsum nicht zu verursachen.

Welche cannabishaltigen Medikamente gibt es?

Dr. Dr. T. Weigl
Cannabishaltige Arzneimittel gibt es in mehreren Variationen. Bedenken Sie aber: Die Cannabisagentur rät davon ab, Cannabis zu rauchen, da dabei krebsverursachende Verbrennungsprodukte entstehen können. Wichtige Varianten sind v. a.:

  • getrocknete Blüten/Pflanzen-Extrakte
  • Cannabisextrakte
  • Dronabinol- und nabilonhaltige Rezepturarzneimittel
  • Fertigarzneimittel

Verwandte Themen

Haben Sie bereits medizinisches Cannabis verschrieben bekommen? Hat es Ihnen geholfen? Nutzen Sie unsere Kommentarfunktion unten, um von Ihren Erfahrungen zu berichten und sich untereinander auszutauschen!

Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.

Autor: Dr. Dr. Tobias Weigl, Sebastian Mittelberg
Veröffentlicht am: 25.04.2024

Quellen

  • Achim Schneider & Christian Heinrich (2024): Was Sie über medizinisches Cannabis wissen sollten, in: apotheken-umschau.de.
  • Anders Holt et al. (2024): Cannabis for chronic pain: cardiovascular safety in a nationwide Danish study, in: European Heart Journal 45/6, S. 475–484.
  • BMJ (2021): Medical cannabis or cannabinoids for chronic pain: a clinical practice guideline, in: BMJ 374, S. 2040.
  • Bundesministerium für Gesundheit (Hg.) (2024): Fragen und Antworten zum Cannabisgesetz, in: bundesgesundheitsministerium.de.
  • Catalina Lopez-Quintero et al. (2011): Probability and predictors of transition from first use to dependence on nicotine, alcohol, cannabis, and cocaine: results of the National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions (NESARC), in: Drug and Alcohol Dependence 115/1–2, S. 120–130.
  • Jennifer H. Walsh et al. (2021): Treating insomnia symptoms with medicinal cannabis: a randomized, crossover trial of the efficacy of a cannabinoid medicine compared with placebo, in: Sleep 44/11, S. 149.
  • Josiah Damisa et al. (2023): Is Cannabis Effective in the Treatment of Chronic Back Pain?, in: Cureus 15/8, e43220.
  • Kirsten Müller-Vahl & Franjo Grotenhermen (2017): Medizinisches Cannabis: Die wichtigsten Änderungen 114/8, A-352 / B-306 / C-300.
  • Martin J. de Vita et al. (2018): Association of Cannabinoid Administration With Experimental Pain in Healthy Adults. A Systematic Review and Meta-analysis, in: JAMA Psychiatry 75/11, S. 1118–1127.
  • Melanie Klingler (2018): Cannabis, in: gelbe-liste.de.
  • Michael Specka et al. (2024): Effectiveness of Medical Cannabis for the Treatment of Depression: A Naturalistic Outpatient Study, in: Pharmacopsychiatry 57/2, S. 61–68.
  • Natalie Strand et al. (2023): Medical Cannabis: A Review from the American Society of Pain and Neuroscience, in: Journal of Pain Research 16, S. 4217–4228.
  • Penny F. Whiting et al. (2015): Cannabinoids for Medical UseA Systematic Review and Meta-analysis, in: JAMA 313/24, S. 2456–2473.
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