Im Mai 2017 haben Forscher aus Boston die Ergebnisse einer Kniearthrose-Studie vorgestellt, die in der medizinischen Welt viel Beachtung fand: Sie ergab, dass regelmäßige Cortison- den Heilungsprozess nicht unterstützen, dafür aber den Knorpelabbau beschleunigen, also dem Knie eher schaden. Wann hilft Cortison, wann schadet es? Sehen wir uns die besagte Studie doch einmal genauer an.
„Eine vielbeachtete Studie zeigt: Cortisoninjektionen sollte man nicht dauerhaft und langfristig einnehmen, denn sonst überwiegen die Nachteile: Knorpelabbau.“ — Dr. Dr. Tobias Weigl Share on XWas sagt die Studie genau?
Worum geht es in der Studie?
Die Studie, um die es geht, haben Mediziner verschiedener Forschungseinrichtungen um Timothy E. McAlindon vom Tufts Medical Center in Boston durchgeführt. Sie untersuchten die Langzeitwirkungen von Triamcinolon auf Kniearthrose (auch: Gonarthrose).
Triamcinolon ist ein stark entzündungshemmender Wirkstoff aus der Gruppe der Glucocorticoide (auch Glukokortikoide geschrieben). Umgangssprachlich nennt man die ganze Wirkstoffgruppe auch Cortison bzw. Kortison. Sie ist vielseitig einsetzbar, wegen ihrer vielen Nebenwirkungen aber auch umstritten.
Aufbau der Studie
- An der Studie nahmen 140 Menschen teil, die einen arthrothischen Erguss im Kniegelenk hatten und unter chronischen Schmerzen litten
- Die Patienten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Hälfte erhielt über zwei Jahre hinweg alle drei Monate eine Spritze mit 40 mg Triamcinolon (also 40 mg/ml), die andere Hälfte nur eine Kochsalzlösung, also ein Placebo.
- Es handelte sich dabei um eine sog. Blindstudie, das heißt, die Patienten wussten nicht, zu welcher Gruppe sie gehören.
- Zu Beginn der Studie, nach einem Jahr sowie nach Ablauf der zwei Monate wurden MRTs an den Patienten durchgeführt
Ergebnisse
- In beiden Gruppen war eine leichte Verbesserung von Schmerzen und Gelenksteifigkeit zu beobachten
- Es gab keinen eindeutigen Unterschied im Schmerzempfinden zwischen den Patienten, die Cortison bekommen haben, und denen, die keins bekommen haben.
- Dafür wurde bei den Cortisonpatienten ein deutlich stärkerer Abbau des Knieknorpels
Implikationen
- Die Autoren der Studie raten davon ab, Triamcinolon/Cortison in der Arthtrosetherapie einzusetzen.
Video: Schmerzexperte Dr. Weigl zu Arthrose und Kortison
Noch mehr zur Kniearthrose und der Studie aus ärztlicher Sicht verrät Dr. Dr. Tobias Weigl in folgendem Video. Wie sieht eine ganzheitliche Therapie aus? Wie stehen die Ärzte in Deutschland allgemein zur Cortisontherapie?
Empfehlungen
Eine akute oder aktivierte Gonarthrose sollte immer multimodal und ganzheitlich behandelt werden. Multimodal bedeutet, unterschiedliche Methoden und Ansätze einzusetzen. Schmerzende Entzündungen können nach wir vor mit Medikamenten wie Ibuprofen und Diclofenac behandelt werden. Auch sind Cortison-Injektionen nicht an sich schlecht. Im Gegenteil, bei einer besonders akuten Schmerzphase können sie durchaus helfen. Für die Langzeittherapie sind aber Hyaluronsäure und Thrombozytenkonzentrate zu bevorzugen.
Bewegung ist der zweite wichtige Bestandteil der Behandlung. Zum einen gehören dazu gezielte Physiotherapie und Krankengymnastik. Zum anderen ist das allgemein viel Bewegung im Alltag, um den Nährstoffaustausch im Knie zu fördern.
Auch Maßnahmen wie Kälte– oder Elektrotherapie können helfen.
Und zuletzt kann man mit seiner Ernährung, speziellem Schuhwerk oder weiteren Hilfsmitteln seine Lebensweise an die Umstände anpassen.
Von „Wunderpräparaten“ wie Haifischknorpeln raten wir aber ab. Die sind nicht nur aus Gründen des Tierschutzes fragwürdig, sondern haben auch keine nachweisbare Wirkung.
Typisches Patientenbeispiel
Inge und Hilde unterhalten sich vor dem Supermarkt. „Du, hör mal, ich hab’ neulich gehört, dass diese Cortison-Spritzen bei Arthrose überhaupt nicht helfen sollen!“
„Aber die bekomme ich doch immer von Doktor Müller, wenn es gerade ganz schlimm ist. Und du doch auch, oder nicht?“
Eine Woche später stehen Inge und Hilde wieder vorm Supermarkt. „Ich habe Doktor Müller wegen dieser Cortison-Sache gefragt. Er sagte, das sei nicht schlimm. Nur wenn man es dauerhaft bekommt, dann kann das problematisch werden.“ „Dann bin ich ja beruhigt.“
Verwandte Themen
- Kniearthrose bzw. Gonarthrose – Ursachen | Symptome | Therapie
- Stimmt die Arthrose-Lüge? – Arthrose | Symptome & Behandlung
- Arthrose und Ernährung – gesunde Ernährung als Alternative?
- Haifischknorpel bei Gelenkproblemen, Arthrose und Krebs? Vorsicht bei Präparaten
- Die 7 Eckpfeiler einer ganzheitlichen Arthrosetherapie
- Elektrotherapie bei Arthrose
- Physiotherapie und Krankengymnastik bei Arthrose
- Thermotherapie bei Arthrose
- Hilfsmittel bei Arthrose – von Bandagen, Elektrostimulation, Gehhilfen & Co.
- Hyaluronsäure – In der ästhetischen Medizin und bei Arthrose
Wird Ihre Arthrose mit Kortison behandelt und haben Sie Fragen zum Thema? Nutzen Sie unsere Kommentarfunktion unten für den Austausch untereinander und mit uns!
Autoren: Marek Firlej, Dr. Dr. Tobias Weigl
Redaktion: Marek Firlej
Veröffentlicht am: 09.09.2019
Quellen
- Rüdiger Meyer (2017): Gonarthrose: Wenn Kortison schadet statt nutzt. In: Deutsches Ärzteblatt 114, S. 27–28.
- Timothy E. McAlindon u. a. (2017): Effect of Intra-articular Triamcinolone vs Saline on Knee Cartilage Volume and Pain in Patients With Knee Osteoarthritis. A Randomized Clinical Trial. In: Journal of the American Medical Association 317, S. 1967–1975.
Was denkst Du?