Unbehandelt verläuft die Ruptur der Speiseröhre, die nach ihrem Entdecker „Boerhaave Syndrom“ heißt, in fast 100% der Fälle tödlich.
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenBeim Boerhaave-Syndrom kommt es als Folge von erzwungenem Erbrechen zum Riss (sog. Ruptur) der kompletten Speiseröhrenwand, meistens im unteren Drittel. Die Patienten leiden nach dem Erbrechen oft unter stärksten Schmerzen hinter dem Brustbein. Als Form der Behandlung ist der operative Verschluss der gerissenen Speiseröhre Standard. Unbehandelt versterben nahezu 100% der Betroffenen.
Die Speiseröhre und ihre Aufgaben: Was passiert beim Boerhaave Syndrom?
Die Speiseröhre (lat. Oesophagus) ist ein Muskelschlauch, der den Mund- und Rachenraum mit dem Magen verbindet. Durch diese Röhre erfolgt der Transport des im Mund zerkleinerten Speisebreis in den Magen. Die Wand der Speiseröhre besteht aus mehreren Schichten von Muskulatur und Schleimhaut.
Bei der Ruptur, also dem Riss der Speiseröhre, im Rahmen des Boerhaave-Syndroms reißen alle Wandschichten der Speiseröhre. Meistens befindet sich diese Ruptur im unteren Drittel der Speiseröhre (>90%). Ursache ist in der Regel ein starkes Erbrechen und die damit verbundene Druckerhöhung in der Speiseröhre, wenn der Speisebrei wieder aus dem Magen hinausbefördert wird.
Die Symptome: Woran erkennt man eine Speiseröhrenruptur?
Das Boerhaave-Syndrom ist gekennzeichnet durch drei Symptome, die als Mackler-Trias bezeichnet werden:
- Explosionsartiges Erbrechen
- Akute Brustschmerzen, meist hinter dem Brustbein als sog. „Vernichtungsschmerz“
- Luftansammlung in der Haut (sog. Hautemphysem)
Außerdem kann Luftnot (sog. Dyspnoe) auftreten.
Epidemiologie: Wer ist betroffen?
Betroffen sind meistens alkoholabhängige Männer oder Patienten mit einer Essstörung (z. B. Bulimie).
Im 18. Jahrhundert verstarb ein Freund des niederländischen Mediziners Herman Boerhaave nach einem ausgiebigen Festmahl plötzlich nach heftigstem Erbrechen. Die Obduktion zeigte eine Ruptur der Speiseröhre als Todesursache. Die Erkrankung wurde nach ihrem Entdecker als „Boerhaave-Syndrom“ benannt.
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Wie bei jedem Arztbesuch erfolgt als erstes die Anamnese, also die Befragung des Patienten nach seinem Befinden. Welche Beschwerden liegen vor? Hat sich der Patient vor kurzer Zeit heftig übergeben? Liegt eine Essstörung oder regelmäßiger/übermäßiger Alkoholkonsum vor?
Als nächstes erfolgt eine körperliche Untersuchung.
Im Anschluss werden ein Röntgenbild mit Kontrastmittel sowie eine Computertomographie und Ösophagoskopie durchgeführt. Als Ösophagoskopie bezeichnet man in der Medizin die Spiegelung der Speiseröhre mit einer Kamera, ähnlich der Magenspiegelung.
Boerhaave-Syndrom
Meistens alkoholabhängige Männer oder Patienten mit einer Essstörung (z.B. Bulimie)
Symptome
- Explosionsartiges Erbrechen
- Akute Schmerzen in der Brust
- Luftnot
- Hautemphysem (Luftansammlung in der Haut)
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Die Behandlung erfolgt durch den operativen Verschluss der Ruptur. Im schlimmsten Fall muss ein Teil der Speiseröhre entfernt und ersetzt werden. Außerdem erhalten die Patienten eine antibiotische Therapie.
Nicht nur die Speiseröhrenruptur verläuft in vielen Fällen tödlich, auch andere Erkrankungen erhöhen das Risiko eines frühen bzw. unerwarteten Todes. In folgendem Video erklärt Dr. Tobias Weigl die Gefahren einer Thrombose, die bspw. zu einer Lungenembolie führen kann.
Eine der häufigsten Todesursachen im westlichen Raum ist der Herzinfarkt. In Deutschland erleiden rund 300.000 Menschen pro Jahr einen Infarkt. Dr. Tobias Weigl im Interview über Brustschmerzen und Herzinfarkt.
Häufige Patientenfragen
Bekomme ich vom gelegentlichen Alkoholtrinken eine Speiseröhrenruptur?
Dr. T. Weigl
Nein, der gelegentliche Alkoholkonsum erhöht das Risiko für diese Erkrankung nicht. Ein chronischer Alkoholkonsum aber kann langfristig zur Schädigung und Reizung der Schleimhaut führen und so die Entstehung begünstigen. Entscheidend sind aber auch das forcierte Erbrechen und der damit verbundene Druckanstieg in der Speiseröhre.
Kann die Erkrankung behandelt werden?
Dr. T. Weigl
Rechtzeitig erkannt, kann das Boerhaave-Syndrom gut operativ behandelt werden. Eine zügige Einlieferung in das nächste Krankenhaus und die chirurgische Versorgung sind wichtig für einen positiven Krankheitsverlauf.
Muss man das Boerhaave-Syndrom behandeln?
Ja. Unbehandelt führt die Erkrankung in nahezu 100% der Fälle zum Tod.
Haben auch Sie Erfahrungen mit dem Boerhaave-Syndrom? Haben Sie Fragen zum Thema? Nutzen Sie unsere Kommentarfunktion unten für den Austausch untereinander und mit uns!
Autoren: Dr. Tobias Weigl, Claudia Scheur
Redaktion: Christine Pepersack
Quellen
- Doris Henne-Bruns: Duale Reihe Chirurgie. Thieme, 2012, 4. Auflage
- M. Müller: Chirurgie für Studium und Praxis. Medizinische Verlags- und Informationsdienste Breisach, 2014/15, 12. Auflage
Kerstin
08.01.2021 21:26Ein Patient wird 12 Tage nach der Ruptur (mit OTS-Clip, nach künstlichem Koma usw) aus der Klinik entlassen. Schon am selben Tag trinkt er wieder ca. 6 Bier, Tendenz steigend. Wie lange kann es gut gehen bist es wieder zur Ösophagusperforation kommt? Er ist nach wie vor überzeugt, etwas Falsches gegessen zu haben und unbelehrbar.
L.H.
03.04.2023 16:50Medicus curat, natura sanat
…
(oder so heißt es doch ? *rofl*)…
Im Ernst : Wenn er Bier „benötigt“, um einem Delir vorzubeugen – dann wird er von den 3 Litern kein erneutes Erbrechen bekommen … und evtl. friedlich i die demenz abgleiten oder ins Koma rauschen (wg. Phosphat usw.,), wenn die Zirrhose ihn ereilt …
vlg Dr L.H.