Agitiertheit ist ein Symptom, das bei nahezu allen psychiatrischen Erkrankungen auftreten und unter Umständen gefährlich für den Patienten selbst, aber auch für Außenstehende sein kann.
— Dr. Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenWas ist Agitiertheit?
Der Begriff Agitiertheit (von lat. agitare ‚antreiben, aufregen, anreizen‘), manchmal auch Agitation genannt, beschreibt einen Zustand starker innerlicher Erregbarkeit und Anspannung, der mit Rastlosigkeit und einem unstillbaren Bewegungsdrang verbunden ist. Dieser Bewegungsdrang ist in der Regel unproduktiv und wiederholt sich ständig. Betroffene Patienten beschreiben ihre individuelle Gemütslage oft als nervös, angespannt, unruhig und unausgeglichen. Agitiertheit ist keine selbstständige Krankheit, sondern ein Symptom, das in Zusammenhang mit anderen Erkrankungen oder medikamentösen Nebenwirkungen auftreten kann.
Wie zeigt sich Agitiertheit?
Häufige Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit Agitiertheit beobachtet werden können, sind ein stetes Hin- und Herlaufen, Zappeln, Nicht-Stillsitzen-Können, das Zerren und Zuppeln an den Kleidern und das Händeringen. In der Medizin werden diese Verhaltensmuster als „gesteigerte Psychomotorik“ bezeichnet. Der Begriff Psychomotorik umfasst den Einfluss der Psyche auf alle willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen des Menschen. Ein Patient, der von Agitiertheit betroffen ist, wirkt häufig „wie unter Strom“. Andere Betroffene wirken ratlos, verzweifelt oder jammern und weinen, teilweise wiederholen sie immer wieder bestimmte Fragen oder Sätze.
Agitiertheit und Nervosität sind nicht das gleiche, auch wenn sich die Symptome z. T. ähneln können. Nervosität ist oft ein nur temporärer, also zeitlich begrenzter Zustand, bspw. das Fingernägelkauen vor einer anstehenden Prüfung. Dieses Verhalten verschwindet in der Regel nach der Prüfung. Agitiertheit dagegen ist wesentlich belastender für die Betroffenen und ihre Umwelt, die Intensität heftiger: Der Bewegungsdrang ist deutlich stärker und kann über einen längeren Zeitraum bestehen. Werden Betroffene aggressiv oder sogar gewalttätig, kann Agitiertheit unter Umständen zu lebensgefährlichen Situationen für alle Beteiligten führen.
Videoexkurs: Restless Legs Syndrom
Das Restless Legs Syndrom, eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, ähnelt der Agitiertheit, ist aber u. a. von einem stärkeren (nächtlichen) Bewegungsdrang geprägt. Aber was genau ist das Restless Legs Syndrom und wie wird es behandelt? Das und mehr erklärt Ihnen Dr. Tobias Weigl im folgenden Video.
Wer ist von Agitiertheit betroffen?
Als Symptom kann Agitiertheit prinzipiell bei allen psychiatrischen Störungen, zum Beispiel Schizophrenie, oder sog. affektiven Störungen wie Depressionen auftreten. Möglicherweise können aber auch Patienten mit organischen Erkrankungen betroffen sein.
Agitiertheit – ein Symptom, viele mögliche Ursachen
Agitiertheit kann viele verschiedene Ursachen haben. Vor allem psychiatrische, aber auch organische Erkrankungen können von ihr als Symptom begleitet werden. Im Folgenden werden die häufiger auftretenden Ursachen für Agitiertheit erläutert.
ADHS
Agitiertheit kann gerade bei Kindern ein Hinweis auf die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) sein. Sie gilt als eine der häufigsten psychiatrischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen, kann aber in selteneren Fällen auch bei Erwachsenen auftreten. Charakteristisch sind auch hier der außerordentlich hohe Bewegungsdrang und Ruhelosigkeit. Bei Kindern fällt dies meistens in der Schulzeit auf, wenn sie während des Unterrichts ständig Lärm verursachen, herumlaufen und herumzappeln. Mit diesen Symptomen einher geht eine gestörte Konzentrationsfähigkeit, die sich auch in der Freizeit bemerkbar macht: betroffene Kinder können sich kaum alleine beschäftigen oder über einen längeren Zeitraum bei einer Sache bleiben. Damit eine treffende Diagnose gestellt werden kann, müssen diese Merkmale über mindestens sechs Monate lang bestehen und sich in mehreren verschiedenen Lebensbereichen des Kindes bemerkbar machen. Die Behandlung sollte multimodal erfolgen, dabei werden u. a. verhaltenstherapeutische und pädagogische Maßnahmen und das bekannte Präparat Ritalin eingesetzt.
Agitierte Depression
Agitiertheit ist ein Symptom, das möglicherweise bei Depressionen in Erscheinung treten kann. Dann spricht man von einer agitierten Depression – eine Sonderform der depressiven Störung. Bei Depressionen haben die Betroffenen im Normalfall einen verringerten Antrieb, bei der agitierten Depression ist aber das Gegenteil der Fall: Betroffene sind von einer heftigen inneren Unruhe getrieben und fühlen sich rastlos. Begleitend treten womöglich Angstzustände, Schlaflosigkeit, aber vor allem ein großer Bewegungsdrang auf. Ruhe ist für Betroffene nicht möglich. Die eigentlichen zentralen Symptome einer Depression, wie bspw. Niedergeschlagenheit oder Interessenlosigkeit, werden so überspielt. Zudem wirken agitierte Depressive auf ihr Umfeld „normal“, sie selbst empfinden sich ebenfalls nicht als „richtig“ krank. Für Außenstehende ist diese Form der Depression entsprechend nur schwer zu erkennen und erscheint weniger beängstigend. Problematisch können aber unüberlegte und risikobehaftete Handlungen der Betroffenen sein, damit einhergehend steigt die Selbstmordgefahr. Es ist schwierig, aber gerade für die Diagnose wichtig, die Anzeichen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu deuten, damit eine psychotherapeutische Behandlung eingeleitet werden kann.
Angst- und Panikstörungen
Die krankhafte Unruhe, die Agitiertheit auszeichnet, ist ein häufiges Symptom bei Angst- und Panikstörungen. Bei einer generalisierten Angststörung, bei der die Betroffenen sich ständig in einem Zustand großer Anspannung und Sorge befinden, mündet die dauerhafte Beschäftigung mit diesen Sorgen und Ängsten u. a. in einen starken Bewegungsdrang, Rast- und Ruhelosigkeit, Beklemmungsgefühle und eine außerordentlich erhöhte Anspannung, die teils mit Schreckhaftigkeit und Reizbarkeit einhergeht.
Bei einer klassischen Panikattacke, die ohne konkreten Auslöser und meistens plötzlich auftritt, treten körperliche Symptome wie Zittern, Schweißausbrüche, Schwindel oder auch Herzrasen auf. Kommt es wiederholt zu Situationen, in denen der Betroffene aus unerklärlichen Gründen Panikattacken bekommt, führt dies oft zu der Angst, diesen Zustand noch einmal durchleben zu müssen. Agitiertheit und Schlafstörungen sowie eine immer tiefergreifende Erschöpfung können die Folge sein.
Demenz
Bei einer schon weiter fortgeschrittenen Demenzerkrankung lässt sich Agitiertheit regelmäßig beobachten. Meistens sind ältere Patienten betroffen, diese entwickeln eine heftige Unruhe und einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Da die Betroffenen davon überzeugt sind, etwas erledigen zu müssen, verlassen Demente teilweise immer wieder ihre Wohnung oder das Altenheim und bringen sich selbst und andere in Gefahr. Sie sind ständig in Bewegung und können unter Umständen aggressiv werden. Möglicherweise können eine gesteigerte Aggressivität und Agitiertheit bei Dementen aber auch auf Schmerzen hindeuten: Die Betroffenen sind in diesen Fall aufgrund ihrer Erkrankung nicht fähig, anders auf ihre Schmerzen hinzuweisen. Deshalb sollte geprüft werden, ob nicht die Schmerzen ursächlich für die Agitiertheit sind.
Drogenmissbrauch
Agitiertheit tritt im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch oft als eine von vielen Entzugserscheinungen auf. Chronischer Alkoholmissbrauch zum Beispiel mündet in eine körperliche Abhängigkeit; sinkt der Blutalkoholspiegel unter eine bestimmte individuelle Schwelle, treten Entzugserscheinungen ein. Die ersten Symptome eines solchen Entzugs sind innere Unruhe, Angst, Schlaflosigkeit, Zittern, aber auch eine hohe Reiz- und Erregbarkeit, manchmal auch Übelkeit und Erbrechen. Kurze Zeit nach der letzten Alkoholeinnahme, meist nach zwei oder drei Tagen, kann es zu einem sogenannten Alkoholdelir kommen, womit Störungen beschrieben werden, die zumeist infolge eines ungeplanten Entzugs auftreten. Charakteristisch für ein Alkoholdelir sind heftige motorische Unruhe und ein teilweise ausgeprägter Beschäftigungsdrang, Desorientierung, Halluzinationen sowie ein erhöhter Puls und Blutdruck. Betroffene laufen oft ziellos umher, sind gereizt oder sogar gewalttätig. Typisch ist auch ein starkes Zittern. Ein Alkoholdelir ist oft lebensgefährlich für den Betroffenen wie auch für Außenstehende und dementsprechend ein Notfall, der einen stationären Aufenthalt unabdingbar macht.
Nebenwirkungen von Medikamenten
Einige Medikamente können als eine Nebenwirkung extrapyramidale Symptome (EPS), also bestimmte Bewegungsstörungen, hervorrufen. Dazu zählen bspw. die Sitzunruhe (sog. ‚Akathisie‘), bei der Betroffene keine Körperhaltung für einen längeren Zeitraum beibehalten können, und sogenannte gestörte Bewegungen (sog. ‚Dyskinesie‘), die sich zum Beispiel im Gesicht dadurch äußern, dass unkontrolliert Grimassen gezogen werden, ohne dass der Patient dies bewusst tut. Beispiele für solche Medikamente sind Dopamin-Agonisten zur Behandlung von Parkinson, Antidementiva zur Behandlung von Demenz oder bspw. Antidepressiva wie Venlafaxin. Prinzipiell können auch Schlaf- und Beruhigungsmittel zu sogenannten paradoxen Reaktionen führen: Eigentlich sollen diese Medikamente beruhigend oder schlaffördernd wirken, manchmal können sie aber in eine Agitiertheit münden und somit einen nicht gewollten, gegenteiligen Effekt erzielen. Neben Agitiertheit können dann auch gesteigerte Aggressionen und Verwirrtheit auftreten. Häufiger davon betroffen sind tendenziell eher Kinder, alte Menschen und organisch kranke Menschen. Selten kann Agitiertheit nach einer Operation als Nebenwirkung der Narkosemittel beobachtet werden.
Videoexkurs: Nebenwirkungen von Medikamenten
Kennen Sie die zehn häufigsten Nebenwirkungen und wissen, welche Medikamente die meisten Probleme verursachen? Mehr Informationen dazu gibt Ihnen Dr. Tobias Weigl im folgenden Video.
Schizophrenie
Schizophrenie ist eine schwere psychische Störung, bei der die Betroffenen immer wieder für einige Zeit unter heftigen Veränderungen ihrer Gefühle, Gedanken und Wahrnehmungen leiden. Akute Fälle von Agitiertheit treten häufiger bei Schizophrenie-Patienten auf. Bei mehr als 50 Prozent aller stationären Aufnahmen von Patienten, die schizophren sind, ist Agitiertheit der ausschlaggebende Punkt für eine Einweisung. Agitiertheit tritt innerhalb dieser psychischen Störung meist infolge von als bedrohlich empfundenen Wahnvorstellungen oder Halluzinationen auf, die auch in Gewalt ausarten können.
Organische Erkrankungen als Ursache für Agitiertheit
Auch somatische, also organische Erkrankungen, können Agitiertheit auslösen. Dazu zählen u. a.:
- Stoffwechselerkrankungen, zum Beispiel Diabetes mellitus
- schwere Schilddrüsenüberfunktion
- Sauerstoffmangel (sog. ‚Hypoxie‘)
- Asthmaanfälle
- Epilepsie
- Elektrolytenentgleisung – Der Gehalt von einzelnen Blutsalzen, bspw. Natrium, Kalium oder auch Kalzium, darf nicht zu hoch oder zu niedrig sein, damit die Organe ordnungsgemäß funktionieren können. Ist dies nicht der Fall, kann das u. a. zu Agitiertheit führen.
- Infektionen, z. B. eine Hirnhautentzündung (Meningitis)
Krankhafte Unruhe – Agitiertheit
- Agitiertheit ist vor allem durch heftige innere Unruhe, starken Bewegungsdrang und Rastlosigkeit sowie Ruhelosigkeit geprägt
- Beispiele für ein solches Verhalten sind stetes Hin- und Herlaufen, Zappeln oder Nicht-Stillsitzen-Können
- Sie kann im Grunde bei jeder psychiatrischen Störung auftreten, teilweise sind aber auch organische Erkrankungen verantwortlich
- Nervosität äußert sich teilweise wie Agitiertheit, ist aber nicht das gleiche
Was tut der Arzt? Teil 1: Diagnose von Agitiertheit
Grundsätzlich gilt, dass der Arzt und auch alle anderen Menschen, die mit der von Agitiertheit betroffenen Person in Kontakt treten, Ruhe und Gelassenheit vermitteln sollen. Dem Patienten muss vermittelt werden, dass ihm geholfen werden kann und er mit seinen Problemen ernst genommen wird. Der Zustand der starken Unruhe soll auf diese Weise zumindest etwas abgemildert werden, weshalb auch die Umgebung, in der mit dem Patienten gesprochen werden soll, entsprechend ruhig und mit wenigen zusätzlichen Reizen ausgestattet sein sollte.
So gut wie möglich sollten die Ursachen bekämpft werden. Zunächst muss also geklärt werden, ob psychiatrische Erkrankungen, ein stärkerer Alkohol- und Drogenkonsum, Medikamente und Entzugssyndrome (Alkoholdelir) vorliegen. Ebenso muss abgeklärt werden, ob möglicherweise organische Ursachen wie bspw. Entgleisungen des Stoffwechsels oder neurologische Erkrankungen für die Agitiertheit verantwortlich sind. Dafür wird möglichst rasch Blut abgenommen, um u. a. Blutzucker, Schilddrüsenwerte, ggf. Alkoholgehalt oder Elektrolyte zu bestimmen.
Problematisch kann allerdings die Anamnese sein, also das Patientengespräch, wenn die Agitiertheit akut auftritt und das Symptom der erste Anlass ist, zu überprüfen, ob der Patient möglicherweise von einer psychiatrischen Erkrankung betroffen ist. Häufig ist es infolge der akuten Agitiertheit nur schwer möglich, ein geordnetes, geschweige denn ein psychodiagnostisches Gespräch zu führen: Dem Betroffenen selbst erscheint seine Situation als unerträglich und peinigend, durch den starken Bewegungsdrang und die innere Unruhe kann er Fragen häufig kaum sinnvoll beantworten. Hinzu kommen Angst, aber möglicherweise auch Aggression oder Wutausbrüche. Deshalb greift der Arzt ggf. auf eine Außenanamnese zurück, er befragt also Familienangehörige oder Personen, die einen konkreten Bezug zum Patienten haben. Hierbei fragt der Arzt u. a. nach weiteren Verhaltensauffälligkeiten des Betroffenen oder nach Medikamenten, da diese möglicherweise als Nebenwirkung Agitiertheit verursachen können.
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung von Agitiertheit
Grundsätzlich gilt es, die Ursachen, die das Auftreten von Agitiertheit verursachen und begünstigen, festzustellen und zu bekämpfen. Da Agitiertheit keine eigenständige Krankheit ist, kann dementsprechend nur das Symptom behandelt werden. Bei einer festgestellten psychiatrischen Erkrankung muss dementsprechend eine psychotherapeutische Behandlung eingeleitet werden.
Bei akuter Agitiertheit ist es aber zunächst einmal wichtig, festzustellen, ob der Patient für sich oder andere eine Gefahr darstellt. Trifft dies zu, ist unter Umständen eine Isolierung o. Ä. vonnöten. Es kann unter Umständen auch notwendig sein, den Patienten mit bestimmten Arzneimitteln zu behandeln, damit er sich wieder beruhigt. Welche das sind, hängt von dem Ausmaß der Agitiertheit, dem Alter des Patienten und der eigentlichen Ursache ab. Folgende Arzneimittel können u. a. eingesetzt werden:
- Verschiedene Antipsychotika, also Medikamente zur Behandlung von psychischen Erkrankungen, z. B. Haloperidol, Melperon, Loxapin u. v. m.
- Sedativa (Beruhigungsmittel), z. B. Lorazepam oder Benzodiazepine
- In einigen Fällen, etwa bei einer Arzneimittelunverträglichkeit, können auch beruhigende Antidepressiva (z. B. Mirtazapin), Schlafmittel (z. B. Clomethiazol) oder Antiepileptika, also Mittel gegen Krampfanfälle (z. B. Carbamazepin) eingesetzt werden
Die Medikamente können, je nach dem, um welche Substanz es sich handelt und in welchem Zustand sich der Patient befindet, oral, per Inhalation oder auch durch Spritzen verabreicht werden. Ob das Medikament einmalig, für einen kurzen Zeitraum oder gar längerfristig gegeben wird, hängt vom individuellen Zustand des Patienten ab und davon, ob sich die bisherige Medikation als ausreichend erwiesen hat. Bei Benzodiazepinen sollte die Gabe allerdings nach vier bis sechs Wochen eingestellt werden, da hier ein gewisses Suchtpotenzial besteht.
Häufige Patientenfragen
Wie unterscheidet sich Nervosität von Agitiertheit?
Dr. T. Weigl
Manchmal ist es schwer, Agitiertheit und Nervosität auseinanderzuhalten, da deren Anzeichen sich z. T. sehr ähneln. Agitiertheit ist aber in seiner Ausprägung bedeutend stärker als Nervosität, die Intensität des Bewegungsdrangs und die innere Unruhe sind heftiger und können zuweilen selbstzerstörerische Züge annehmen. Deswegen muss Agitiertheit in den meisten Fällen medizinisch behandelt werden, während das bei Nervosität eher die Ausnahme ist. Im Zweifelsfall sollten Sie Ihren Arzt aufsuchen und sich untersuchen lassen.
Ich habe ein Familienmitglied, das von Agitiertheit betroffen ist. Wie kann ich damit umgehen?
Dr. T. Weigl
Wenn Agitiertheit akut in Erscheinung tritt, ist es wichtig, dass Sie dem Betroffenen ruhig und gelassen entgegentreten. Zunächst müssen Sie also selbst Ruhe bewahren. Drängen Sie den Betroffenen zu nichts, seien Sie, selbst wenn der Betroffene provokant werden sollte, verständnisvoll. Reagiert dieser aggressiv, machen Sie deutlich, dass er eine Grenze überschreitet. Agitiertheit kann für das soziale Umfeld des Betroffenen sehr schwierig sein, weswegen Sie sich im Zweifelsfall Hilfe von außen holen sollten.
Da Agitiertheit manchmal auch in aggressives oder gar gewalttätiges Verhalten münden kann, ist es wichtig, dass Sie unbedingt an Ihre Sicherheit denken. Zeichnet sich ab, dass der agitierte Betroffene in der jeweiligen Situation gewaltbereit ist, bringen Sie sich in Sicherheit und rufen den ärztlichen bzw. den psychiatrischen Notdienst an. In akuten Gefahrensituationen sollten Sie auch die Polizei rufen.
Wie gehe ich mit Demenzerkrankten um, die sich in einem agitierten Zustand befinden?
Dr. T. Weigl
Gegenüber dem Patienten sollten sie ruhig und nicht fordernd auftreten sowie Gelassenheit und Freundlichkeit ausstrahlen. Berührungen können Sicherheit vermitteln, Kritik sollten Sie vermeiden. Die Umgebung sollte so eingerichtet sein, dass sie Ruhe ausstrahlt, alle Unruhe verursachenden Bestandteile sollten so gut wie möglich verbannt werden. Möglicherweise ist für den Erkrankten auch eine spezielle Verhaltenstherapie nötig und/oder der Einsatz der oben beschriebenen Medikamente. Da Demenz nicht nur für den Erkrankten, sondern auch für die Angehörigen äußerst belastend sein kann, empfiehlt sich eine sog. Psychoedukation für Angehörige in Selbsthilfegruppen. Dort können diese u. a. Wissen über Demenz und die dazugehörigen möglichen Symptome erwerben und die Verhaltensweisen des Kranken besser verstehen, sodass die Angehörigen selbst besser mit dieser Erkrankung umgehen können. Scheuen Sie nicht davor zurück, dieses Hilfsangebot anzunehmen, da Sie sich so vielleicht selbst ein Stück weit entlasten können. Eine allgemeingültige ‚Anleitung‘ für den Umgang mit agitierten Demenzkranken gibt es aber nicht. Hier muss von Fall zu Fall geschaut werden, wie mit den jeweiligen Betroffenen am besten umgegangen werden kann.
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt. Autoren: Dr. Tobias Weigl, Sebastian MittelbergLektorat: Tobias Möller
Veröffentlicht: 02.08.2018
Quellen
- Martin Conzelmann et al. (Hg.) (2001): Checkliste Geriatrie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
- Christina M. Eder (2006): Was tun bei Agitiertheit? In: Österreichische Ärztezeitung 13/14.
- Neuropsy – das Medium für Psychiatrie und Neurologie (Hrsg.) (2013): Die Behandlung der Agitation beim psychiatrischen Notfall.
- Norbert Pauly (2004): Agitiertheit bei Demenz im Tagesverlauf. Prospektive kontrollierte Längsschnittuntersuchung an 82 älteren Personen, Bochum.
- Uwe Henrik Peters (2017): Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, medizinische Psychologie, 7. Aufl. Elsevier, München.
- psychisch-erkrankt.de (Hrsg.): Was sind die Ursachen für Agitiertheit?
- psychisch-erkrankt.de (Hrsg.): Wie werden Patienten bei Agitation in einer Klinik behandelt?
- Brigitte Vetter (2007): Psychiatrie. Ein systematisches Lehrbuch; mit 34 Tabellen, 7. Aufl. Schattauer, Stuttgart.
Ria
04.03.2024 09:49Ich habe eine agitierte Depression.
Wenn ich Überforderung spüre komme ich in eine unerträgliche Unruhe mit Jammern und heftiges Weinen.
Dann benötige ich ein Gegenüber der mir spontan hilft und Ruhe bewahrt. Wenn dann vom Gegenüber Vorwürfe kommen über mein nicht angemessenes Verhalten oder mit Worten versucht das Vorkommnis kleinzureden, oder versucht mich zu trösten steigere ich mich leider noch mehr rein. Einen klaren Gedanke zu erfassen ist in den Gefühlen nicht möglich! Der Zustand kann im schlimmsten Fall wochenlang anhalten. Nur mit Entspannungsübungen komme ich wieder aus dem Zustand, dazu brauche ich Ruhe, Zeit und liebevolle verständnisvolle Mitmenschen. Wenn ich wieder Ruhe finde, kann ich reflektieren was passiert ist. Aber große Angst vor erneuter Überforderung, ohne liebe Menschen an meiner Seite, bleibt leider bestehen.