Eine Depression ist gleichermaßen eine körperliche und psychische Erkrankung: So spielen sowohl psychosoziale wie auch neurobiologische Faktoren eine entscheidende Rolle.
— Dr. Tobias Weigl
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Dieser Text wurde gemäß medizinischer Fachliteratur, aktuellen Leitlinien und Studien erstellt und von einem Mediziner vor Veröffentlichung geprüft.
Quellen ansehenWas ist eine Depression?
Die Symptome, unter denen Lieke aus unserem Beispiel leidet, deuten auf eine Depression hin. Depressionen (sog. ‚affektive Störungen‘) bezeichnen Stimmungsschwankungen, die sich durch Antriebslosigkeit, eine sogenannte depressive oder gedrückte Stimmung und Interessenverlust auszeichnen. Hinzu kommen weitere Zusatzsymptome. Grundsätzlich gilt, dass eine klare Kausalkette wie bei anderen Krankheiten nicht existiert. Dies macht diese Krankheit so vielschichtig.
Die Ursachen einer Depression sind mannigfaltig. Derzeit geht die Forschung davon aus, dass ein Zusammenspiel aus neurobiologischen und psychosozialen Faktoren entscheidend ist. Es existiert kein spezifisches Gen, was für eine Depression verantwortlich ist; allerdings begünstigen bestimmte genetische Konstellationen, Neurotransmitterstörungen, morphologische Genveränderungen und hormonelle Einflüsse, eine Depression. Psychische Faktoren können auf der Ebene der Persönlichkeit liegen. Einschneidend können beispielsweise traumatische und belastende Erlebnisse sein und damit unmittelbar eine depressive Episode auslösen. Daneben können andere Krankheitsbilder Depressionen hervorrufen. Mehr Informationen finden Sie unter dem Punkt „Depression als Symptom“.
Der Psychologe Martin Seligman hat in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Steven Maier 1967 das Modell der „Erlernten Hilflosigkeit“ entwickelt, um das Krankheitsbild der Depression erklärbar zu machen. Anhand von Experimenten an Hunden entwickelten sie die These, dass depressive Menschen sich in einem Zustand einer erlernten Hilflosigkeit befinden. So übertragen sie eine gefühlte Hilflosigkeit einer Situation – Traumata oder negative Erfahrungen – auf ihr allgemeines Verhalten. Dadurch kommt es, so die Psychologen, zum Kontrollverlust und dem Gefühl, nicht mehr dem Alltag gewachsen zu sein. Wesentlich für diese Reaktion sind drei kognitive Aspekte: 1. Problemursachen werden bei einem selbst gesucht (sog. ‚internale Kausalattribution‘), 2. Verallgemeinerung eines Problems (sog. ‚Generalität‘), 3. Unveränderlichkeit eines Problems (sog. ‚Stetigkeit).
Arten der Depression
Es gibt nicht die eine Depression, sondern verschiedene Spielarten. Je nach Anzahl und Ausprägung der Depression unterscheiden Ärzte zwischen einer leichten, mittelgradigen und schweren Depression. Weitere Unterscheidungsmerkmale sind die Art und die Zahl der depressiven Phasen sowie die Polarität einer affektiven Störung:
- Unipolare Depression: Unter diese Bezeichnung fallen Betroffene, die eine einmalige Episode erlebt haben. Ansonsten definiert sich eine unipolare Depression anhand der bereits genannten Symptome.
- Rezidivierende unipolare Depression: Betroffene erleiden intervallartige Episoden. Ihre Dauer und auch die Zeit zwischen einzelnen Episoden ist unterschiedlich lang. Zwischen den einzelnen Episoden sind die Betroffenen gesund.
- Bipolare Depression: Zusätzlich zu den depressiven haben Patienten auch manische Episoden. Diese äußern sich durch übermäßig gute Stimmung, welche begleitet wird von Ruhelosigkeit, Optimismus und Tatendrang. Die Phasen können jedoch auch schnell ins andere Extrem kippen. Eine bipolare Depression wird seltener diagnostiziert als eine unipolare Störung.
- Dysthymie: Menschen, die an Dysthymie leiden, leben mit deutlich geschwächten Symptomen der Depression. Anstelle eines Intervalls, sind diese allerdings bei Betroffenen chronisch und liegen mindestens zwei Jahre vor.
- Winterdepression (sog. ‚saisonale affektive Störung‘): Die mit einer Depression assoziierten Symptome treten bei den Betroffenen im Herbst und Winter auf. In dieser Zeit nehmen sie an Gewicht zu und haben ein stärkeres Schlafbedürfnis.
Was passiert im Gehirn Betroffener?
Das Gehirn ist unsere zentrale Steuerzentrale und besteht aus einem dichten Netz aus Nervenzellen. Gefühle und Stimmungen, aber auch Verhalten oder Gedanken werden anhand bestimmter Aktivitätsmuster der dort liegenden Nerven verdeutlicht. Die Weiterleitung der Reize von Nervenzelle zu Nervenzelle erfolgt über die Ausschüttung von Botenstoffen (sog. ‚Neurotransmittern‘). Anders gesagt: Ohne eine funktionierende Weiterleitung kann das menschliche Gehirn keine Reize verarbeiten und dementsprechend arbeiten.
Im Falle einer Depression funktioniert die Ausschüttung von Neurotransmittern und somit der Stoffwechsel nicht richtig. An dieser Stelle haken die in der Therapie verwendeten Antidepressiva ein, die den Stoffwechsel wieder normalisieren.
Mehr Informationen zu Depressionen in diesem Video
Affektive Störungen können viele Ursachen haben. Führen beispielsweise Schmerzen zu Depressionen? Dieser Frage geht Schmerzexperte Dr. Tobias Weigl im folgenden Video nach und gibt einen Überblick über Krankheitsbild und Therapiemöglichkeiten.
Die Symptome einer Depression
Welche Symptome der Betroffene hat, ist sehr unterschiedlich und individuell. Die Medizin definiert sowohl Haupt- als auch Zusatzsymptome, die in unterschiedlicher Ausprägung und Kombination auftreten können. Als Hauptsymptome gelten:
- Gedrückte Stimmung: Betroffene beschreiben diese als ein Leeregefühl sowie die fehlende Wahrnehmung eigener Gefühle.
- Interessenlosigkeit: Der Verlust des Interesses an Aktivitäten oder sozialen Kontakten ist ein weiteres Merkmal.
- Antriebslosigkeit: Neben erhöhter Müdigkeit fällt es Betroffenen teilweise sehr schwer, sich zu alltäglichen Aktivitäten wie Einkaufen aufzuraffen. Die Überwindungsgrenze ist viel höher. Daran gekoppelt ist zudem ein Unvermögen, sich zu entscheiden bzw. das Gefühl nur falsche Entscheidungen treffen zu können.
Um von einer unipolaren Depression sprechen zu können, müssen mindestens zwei der soeben genannten Symptome sowie zwei der folgenden Zusatzsymptome über eine Zeitraum von mindestens zwei Wochen vorliegen. Zu den Zusatzsymptomen gehören:
-
- Mangelnde Konzentration und Aufmerksamkeit
- Fehlendes Selbstwertgefühl
- Gefühl der Wertlosigkeit und Schuld
- Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
- Gedanken der Selbstverletzung und Suizids
- Verminderter Appetit
Schwere depressive Episoden korrelieren mit psychotischen Symptomen und werden deswegen als wahnhafte Depression bezeichnet. In solchen Fällen leidet der Betroffene an Wahnideen und Halluzinationen.
Exkurs: Somatisches Syndrom
Unter dem Begriff Somatisches Syndrom verstehen Ärzte das Auftreten einer Reihe von Symptomen, die sich auf den Körper beziehen (das nennt man ‚somatisch‘). Treten mindestens vier dieser Symptome auf, so hat der Betroffene ein somatisches Syndrom zusätzlich zu einer Depression. Diese Symptome sind:
- Freudlosigkeit (sog. ‚Anhedonie‘)
- positive Ereignisse haben keinen Einfluss auf die Stimmung (sog. ‚mangelnde Reagibilität‘)
- Früherwachen
- Morgentief
- Psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit
- Appetitverlust
- Gewichtsverlust
- Libidoverlust
Da die gerade genannten Symptome sowieso Teil einer schweren Depression sind, existiert die Zusatzdiagnose des somatischen Syndroms für Menschen, die unter einer leichten oder mittelschweren Depression leiden.
Die soeben genannten Haupt- und Zusatzsymptome lassen sich um weitere ergänzen. Die Breite derer und die Flexibilität machen diese Erkrankung höchst individuell. Das bedeutet, dass Betroffene nicht über einen Kamm geschert werden dürfen. Ein jeder hat seine eigenen Hürden, die nicht generalisiert werden können. Weitere Symptome sind unter anderem:
- Emotionen und Stimmungen (sog. ‚Affekt‘): Anschein der Gefühllosigkeit, innere Unruhe
- Formale Denkstörung: Denkhemmung
- Inhaltliche Denkstörung: Schuldwahn, Verarmungswahn, Überzeugung, unheilbar krank zu sein (sog. ‚Hypochondrischer Wahn‘), Überzeugung, nicht zu existieren (sog. ‚Nihilistischer Wahn‘)
- Pseudodemenz: Scheinbare Intelligenzminderung, die sich wie eine Demenz anfühlt
Achtung! Handeln bei Suizidgefahr!
10.000 Menschen beenden jährlich allein in Deutschland ihr Leben durch Suizid, etwas weniger als 50 Prozent davon, weil sie unter Depressionen leiden. Wer eine affektive Störung hat, den kann starke Hoffnungslosigkeit befallen. Das macht Depressionen so gefährlich. Konkrete Auslöser für Suizidgedanken können unter anderem äußere Ereignisse sein. Die beste Prävention ist die Behandlung der Depressionen. Es gibt Verhaltensweisen bei suizidgefährdeten Betroffenen, die Angehörige ernst nehmen sollten. Dazu gehören Suiziddrohungen, große Hoffnungslosigkeit sowie die Ordnung von Angelegenheiten, oftmals wirken Betroffene ruhiger und gefestigt. Ganz wichtig für Angehörige: Bemerken Sie solch ein Verhalten, sprechen Sie es unbedingt an! Zusätzlich schalten Sie Hilfe in Form des Arztes bzw. Therapeuten ein.
Wer ist von einer Depression betroffen?
Von einer affektiven Störung können Menschen jeden Alters betroffen sein, allerdings gilt sie als häufigste psychische Erkrankung im Erwachsenenalter. Eine erste Episode erleiden die meisten Menschen ab dem 30. Lebensjahr. Mehrere Studien europaweit ergaben, dass bis zu ein Viertel aller Erwachsenen mindestens einmal in ihrem Leben eine klinisch depressive Episode durchlebt haben. Bei zwei Dritteln aller Betroffenen wird eine unipolare Depression diagnostiziert. In Deutschland leiden circa 800.000 Menschen dagegen an einer bipolaren Variante. Grundsätzlich taucht die Erkrankung in Industriestaaten deutlich öfter auf.
Von einer Depression sind nicht nur Erwachsene betroffen. Auch Kinder und Jugendliche können unter der Störung leiden. Die Symptome sind allerdings meist weniger stark ausgeprägt als bei Erwachsenen. Die Gängigsten sind depressive Symptome wie gedrückte Stimmung, Schlafstörungen sowie Antriebslosigkeit, kognitive Beeinträchtigungen wie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Motivations-, Leistungs- und Aufmerksamkeitsverlust sowie paradoxes Verhalten wie Unruhe oder Aggressionen.
Ist Depression vererbbar?
Bei der Entstehung einer Depression spielt auch die genetische Veranlagung eine Rolle. Es ist jedoch nicht ein einzelnes Gen ausschlaggebend. Erst eine, die Depression begünstigende, Konstellation kann das Risiko einer affektiven Störung erhöhen. Zwillings-Studien haben gezeigt, dass solch eine Prädisposition nicht zwingend eine Depression nach sich ziehen muss. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, dreimal so hoch wie bei Menschen, deren enge Familienmitglieder keine depressive Episode hatten.
Frühere Forschungsansätze gingen davon aus, dass Frauen doppelt so häufig Depressionen haben würden wie Männer. Nach Will (2008) stimmt dies insofern nicht, da bei Frauen „nur“ das Rückfallrisiko höher ist als bei Männern. Darüber hinaus haben sich die Diagnosegewohnheiten verändert, da Männer nun offener über eigene Emotionen sprechen.
Risikogruppe Schwangere
Eine besondere Patientengruppe bilden Schwangere. Aufgrund der enormen Umstellungen, die Frauen vor, während und nach der Geburt erleben, erhöht sich das Depressionsrisiko. Zu unterscheiden sind die Schwangerschaftsdepression (sog. ‚Peripartale Depression‘) und die Wochenbettdepression (sog. ‚postpartale Depression‘). Letztere kommt ungefähr zehnmal häufiger vor und tritt zumeist innerhalb der ersten beiden Wochen nach der Kindsgeburt auf. Da aufgrund der Nebenwirkungen der Einsatz von Antidepressiva gut überlegt sein muss, helfen vor allem psychotherapeutische Gespräche und Unterstützung vonseiten der Angehörigen.
Steigt die Zahl der Depressionen in unserer Gesellschaft?
Gibt es in der postmodernen Gesellschaft mehr Menschen, die an einer Depression erkranken? Bereits 1982 stellte sich der schwedische Psychiater Olle Hagnell deshalb die Frage, ob eine Ära der Melancholie anbreche. Mediziner bezweifeln, dass der Anstieg der Zahl der Erkrankten mit einer größeren Ausbreitung der Krankheit zusammenhängt. Viel eher liegt der Grund der vielen Neuerkrankungen daran, dass die Zahl der Diagnosen höher ist. Vor allem Männer machen nun öfter den notwendigen Schritt zum Arzt.
Berufsunfähigkeit durch Depressionen
Je nach individueller Situation kann es sein, dass die Depressionen so einschneidend sind, dass es Betroffenen eine Zeit lang oder sogar dauerhaft nicht mehr möglich ist, ihren Beruf auszuüben. Eine solche Berufsunfähigkeit durch Depressionen oder auch andere psychische Erkrankungen bringt erheblich finanzielle Einbußen mit sich, die dann durch die Rentenversicherung nicht mehr abgedeckt werden. Zu den ohnehin starken Belastungen einer psychischen Erkrankung kommen dann schlimmstenfalls sogar noch existentielle Ängste hinzu.
Abhilfe kann eine Berufsunfähigkeitsversicherung schaffen, die – abhängig von den Versicherungskonditionen – in solchen Fällen einspringt. Ein Versicherungsabschluss ist prinzipiell auch dann noch möglich, wenn Sie sich in einer Psychotherapie befinden oder befunden haben. Sie müssen allerdings u. U. mit Risikozuschlägen rechnen, manche Anbieter lehnen den Versicherungsantrag aufgrund der Vorerkrankung aber auch ab. Empfohlen wird deshalb, eine solche Versicherung möglichst früh abzuschließen. Bei einem Versicherungsabschluss ist entscheidend, dass Sie korrekte Angaben über ihren Gesundheitszustand gemacht haben. Falls bei der Gesundheitsprüfung auffällt, dass Sie falsche Angaben gemacht haben, erhalten Sie keine Bezüge.
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Jeder Arztbesuch beginnt mit einer Anamnese, dem Patientengespräch. In dessen Rahmen wird Ihr Arzt Sie eingehend zu etwaigen Symptomen befragen. Auch Lebensumstände, Vorerkrankungen sowie Fälle innerhalb der Familie sind Punkte, die für eine Diagnose wichtig sind. Ihr Arzt wird sich an den bereits genannten Diagnosekriterien orientieren, die den Symptomen zugrunde liegen.
Daneben wird Ihr Arzt, um organische Ursachen ausschließen zu können, eine körperliche Untersuchung einleiten. Diese besteht unter anderem aus einer Blutuntersuchung und einer EEG (sog. ‚Elektroenzephalografie‘).
Da ein weiteres Charakteristikum der Depression Schlafprobleme sind, kann Ihr Arzt im Sinne einer zusätzlichen Diagnostik eine Polysomnographie mit Ihnen durchführen. Diese findet in Schlaflaboren statt und ist die Messung bestimmter Werte, während Sie schlafen. Dazu gehören unter anderem ein Langzeit-EKG, die Messung der Augenbewegungen und der Atmung.
Depression
Erkrankung meist um das 30. Lebensjahr, aber grundsätzlich auch in anderen Lebensabschnitten möglichRückfallwahrscheinlichkeit bei Frauen höherSymptome (Haupt- und Nebensymptome)
- Gedrückte Stimmung
- Interessenlosigkeit
- Antriebslosigkeit
- Mangelnde Konzentration und Aufmerksamkeit
- Fehlendes Selbstwertgefühl
- Gefühl der Wertlosigkeit und Schuld
- Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
- Gedanken der Selbstverletzung und des Suizids
- Verminderter Appetit
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Die Therapie einer Depression ist genauso vielfältig und individuell wie die Erkrankung selbst. Die wichtigsten Pfeiler stellen die Medikamentengabe und eine Psychotherapie dar. So kann den neurobiologischen und psychosozialen Ursachen gleichermaßen begegnet werden.
Eine medikamentöse Therapie umfasst die Gabe von Antidepressiva. Diese sind mittlerweile fester Bestandteil einer multimodalen Therapie und greifen unter anderem in die Ausschüttung von Neurotransmittern im Gehirn ein. Antidepressiva werden regelmäßig und über einen längeren Zeitraum eingenommen. Entgegen allgemeiner Bedenken, die viele Patienten zu Beginn der Medikation haben, machen diese weder abhängig noch „high“ und wirken auch nicht als Aufputsch- oder Beruhigungsmittel.
Antidepressiva wirken zeitverzögert: Meist merken Sie erst ein bis zwei Wochen nach der täglichen Einnahme, dass Ihre Symptome schwächer werden. Auch wenn diese vollständig abgeklungen sind, sollten Sie die Medikation nicht einfach absetzen. Sonst ist ein Rückfall wahrscheinlich. Deswegen gilt: Sechs Monate nach Ende der Symptome weiter nehmen und das Absetzen mit dem behandelnden Arzt besprechen! Je nach Schweregrad und Zahl der Phasen kann es sein, dass sich die Medikamentengabe über Jahre hinweg zieht. Die Pharmazie hat mittlerweile eine breite Palette an Antidepressiva hervorgebracht. Entscheidend ist immer die Absprache mit Ihrem behandelnden Arzt, um eine individuelle und gut verträgliche Lösung gewährleisten zu können.
Antidepressiva können einige Nebenwirkungen haben. Deswegen strebt Ihr Arzt eine Monotherapie an. Dies bedeutet, dass Sie mit einem Medikament behandelt werden – und nicht mit verschiedenen gleichzeitig.
Die zweite Säule bildet die Psychotherapie, die der Bewältigung der psychosozialen Ursachen dient. Im Rahmen dieser Behandlung führen Sie mit Ihrem Therapeuten Gespräche und meistern von ihm angeleitete Übungen. Es können konkrete Ziele formuliert werden, die Sie im Laufe der Sitzungen erreichen können. In vielen Fällen reicht eine ambulante Behandlung.
Somatische Therapien
Neben den bereits genannten Therapiemöglichkeiten gibt es weitere Angebote, die Betroffenen bei der Bewältigung der affektiven Störung helfen. Diese fallen unter die somatischen Therapien. Sie sind auf den Körper bezogen und werden zumeist stationär durchgeführt.
- Lichttherapie: Im Rahmen dieser Therapie werden Sie täglich für maximal 40 Minuten einer starken Lichtquelle ausgesetzt. Angewendet wird die Lichttherapie vor allem an Patienten, die an einer Winterdepression leiden.
- Schlafentzugstherapie (sog. ‚Wachtherapie‘): Im Rahmen einer stationären Behandlung machen Sie einen therapeutisch begleiteten Schlafentzug mit. Sie bleiben dann für die halbe oder ganze Nacht wach, schlafen allerdings auch nicht am folgenden Tag. Die Therapie führt zu einer Stimmungsverbesserung.
- EKT (sog. ‚Elektrokrampftherapie‘): Dieser Therapie-Typ eignet sich besonders für Patienten mit einer schweren oder chronischen Depression. Es handelt sich um eine mit Strom arbeitende Methode: Mit kurzen elektrischen Reizen werden epileptische Krampfanfälle ausgelöst. Der Patient befindet sich in einer Vollnarkose. Dies wird bis zu 12 Mal in drei Wochen durchgeführt. Patienten erleben eine Verbesserung ihrer Depression.
- Rehabilitationssport: Bewegung im Rahmen eines von einer Klinik unterstützten Sportplans kann die multimodale Therapie komplementieren.
Einen Therapeuten finden – gar nicht so einfach
Das Finden eines geeigneten Therapeuten gestaltet sich nicht so einfach. Die Wartezeiten für einen Therapieplatz sind zum Teil sehr lang. Haben Sie einen Termin erhalten – meist im Rahmen von Telefonsprechzeiten – erhalten Sie im Zuge von fünf Probesitzungen (sog. ‚probatorische Sitzungen‘) die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen und festzustellen, ob Sie sich eine langfristige Zusammenarbeit vorstellen können. Krankenkassen übernehmen die Kosten, wenn der Therapeut eine kassenärztliche Zulassung hat. Mehr Informationen zur Kostenübernahme erhalten Sie direkt bei Ihrer Krankenkasse.
Depressionen als Symptom
Affektive Störungen können auch als Folge oder Begleiterkrankung, aber auch als Nebenwirkung von bestimmten Medikamenten auftreten. Im Folgenden haben wir eine Auswahl für Sie zusammengestellt.
Anämie, Demenzen, Parkinson und Malignome
- Anämie: Anämie bezeichnet zunächst Blutarmut. Unter der perniziösen Anämie versteht die Medizin Blutarmut, welche durch einen Vitamin-B12-Mangel hervorgerufen wird. Dafür gibt es wiederum unterschiedliche Ursachen, häufige sind Medikamente sowie Alkoholabhängigkeit. Neben der Depression kann es zu Symptomen wie Müdigkeit, Leistungsverminderung und einer erhöhten Herzfrequenz kommen.
- Demenzen: Unter dem Begriff der Demenz werden neurologische Krankheiten zusammengefasst, welche Hirnleistungen wie das Denken oder das Gedächtnis beeinträchtigen. Depressive Symptome sind Teil einer vaskulären Demenz. Eine affektive Störung kann allerdings genauso eine Ursache einer sekundären Demenz sein.
- Morbus Parkinson: Im Zuge dieser Krankheit kommt es zum Absterben von Nervenzellen im zentralen Nervensystem. Diese sind unter anderem für Bewegungen und deren Abläufe zuständig. Bekannt sind Beschwerden wie Zittern, aber auch Bewegungsarmut und Muskelstarre. Daneben gibt es weitere Symptome, darunter Konzentrations- und Schlafstörungen wie auch Depression. Die Krankheitsursache ist unbekannt, die Behandlung erfolgt daher nur symptomatisch.
- Malignome: Malignome sind Tumore, die bösartig sind. Dies bedeutet, dass es zu einem unkontrollierten Wachstum durch unnötige Zellteilungen und Durchbrechen des Gewebes, aber auch Ansiedlung der Zellen an anderen Körperstellen (sog. ‚Metastasierung‘) kommt. Malignome werden symptomatisch unter Krebs zusammengefasst. Als eine Folge können Betroffene depressive Symptome entwickeln.
Angststörungen, Abhängigkeiten, Burnout und Borderline
- Angst- und Panikstörungen: Diese Krankheitsbilder basieren auf Angst, welche durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden kann. Es kann sowohl chronische als auch akute Attacken geben. Zu den Angststörungen gehören auch verschiedene Phobien. Grundsätzlich unterscheiden Ärzte zwischen einer generalisierten Angststörung, welche chronisch ist, sowie Panikstörungen und Phobischen Störungen. Letztere äußern sich in akuten Panikattacken. Depressionen können als Begleitsymptom erscheinen.
- Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit: Eine Abhängigkeit beschreibt das Verlangen nach einer bestimmten Substanz. Von einer Abhängigkeit spricht der Mediziner, wenn drei der folgenden Punkte zutreffen: Substanzverlangen (sog. ‚Craving‘), erschwerte Kontrolle des Konsums, körperliches Entzugssyndrom, Toleranzentwicklung, Vernachlässigung des Alltags, Gebrauch der Substanz trotz Wissen um schädliche Folgen. Die Symptome einer Abhängigkeit hängen auch von dem Erkrankungsstadium und der Substanz ab. Depressionen sind jedoch ein häufig psychisches Symptom.
- Burnout: Burnout resultiert aus einer langanhaltenden Überarbeitung. Es handelt sich dabei um einen emotionalen und physischen Erschöpfungszustand. Konkrete Ursachen sind oft individuell und können nicht generalisiert werden. Wie auch beim Borderline tritt Burnout häufig in Kombination mit Depressionen auf.
- Borderline: Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung, die die Selbstwahrnehmung betrifft. Charakteristisch sind ein instabiles wie auch impulsives Verhalten im Rahmen zwischenmenschlicher Beziehungen. Depressive Symptomatiken können Teil des Krankheitsbildes sein.
Essstörungen, Ohrenkorrekturen, Tinnitus und Nebenwirkungen
- Essstörungen: Zur Gruppe der Essstörungen gehören Erkrankungen wie Magersucht, Bulimie, das Binge-Eating-Syndrom und die Adipositas. Allen gemein ist, dass die Betroffenen eine gestörte Beziehung zu Essen und dem eigenen Selbstbild haben. Diese Krankheiten werden häufig von affektiven Störungen begleitet. Dies kann dazu beitragen, dass sich Betroffene, beispielsweiser einer Adipositas, noch mehr in Nahrung bzw. deren Verweigerung flüchten.
- Ohrenkorrekturen (sog. ‚Otopexie‘): Die Betroffenen leiden unter den psychischen Folgen von Segelohren. So entwickeln Betroffene Depressionen. Um den psychischen Druck frühzeitig zu nehmen, empfiehlt sich eine Otopexie.
- Tinnitus: Das Symptom Tinnitus äußert sich als ein unangenehmes Geräusch im Ohr und kann sowohl akut als auch chronisch auftreten. Es gibt verschiedene Ursachen für Ohrgeräusche. Auch ist nicht vollständig geklärt, wo Tinnitus entsteht. Tinnitus kann weitere Begleitsymptome auslösen wie Reizbarkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen und auch Depressionen.
- Medikamente: Bei manchen Medikamenten, wie dem schmerzstillenden Opioid Tapentadol, kann es zu einer Reihe von Nebenwirkungen kommen. Deren Ursachen sind unter anderem Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Neben einer erhöhten Abhängigkeitsgefahr kann es so häufig zu depressiven Verstimmungen kommen.
Häufige Patientenfragen
Welche Symptome weist eine Depression auf?
Dr. T. Weigl:
Art und Verlauf einer Depression sind individuell. Dennoch lässt sich die Erkrankung auf drei Leitsymptome herunterbrechen, die von einer Reihe von Nebensymptomen komplettiert werden. Die drei Hauptsymptome sind gedrückte Stimmung, Interessen- und Antriebslosigkeit.
Muss ich Medikamente nehmen?
Dr. T. Weigl:
Medikamente sind nicht die alleinige Säule einer Therapie, sondern wirken ergänzend zu einer Psychotherapie. Gemeinsam decken Medikation und Psychotherapie neurobiologische und psychosoziale Faktoren und Ursachen ab. Grundsätzlich werden im Rahmen solch einer Therapie sogenannte Antidepressiva eingesetzt, die unter anderem in die Regulation der Neurotransmitter im Gehirn eingreifen. Wichtig ist, dass nicht mehrere Substanzen gemischt werden. Darüber hinaus wirken die im Falle einer Depression angewendeten Medikamente zeitverzögert. Das bedeutet, dass Sie eine Veränderung Ihrer Symptome erst ein bis zwei Wochen später bemerken werden. Auch nachdem die Symptome abgeklungen sind, müssen Sie das Medikament weiternehmen, um Rückfällen vorzubeugen.
Ob und welche Antidepressiva Sie nehmen, bespricht Ihr behandelnder Arzt mit Ihnen.
Sind Depressionen behandelbar?
Dr. T. Weigl:
Tatsächlich sind Depressionen mithilfe einer multimodalen Therapie behandelbar. Neben der Psycho- und Medikamententherapie gibt es eine Reihe weiterer Angebote, die Ihnen helfen können, depressive Episoden in den Griff zu bekommen. Dazu gehören beispielsweise die Schlafentzugs- oder Elektrokrampftherapie. Auch somatische Therapien wie Sport können dabei unterstützend wirken!
Mein Bekannter hat Depressionen – was tue ich?
Haben Angehörige Depressionen, brauchen sie die Unterstützung der Menschen, die ihnen nahestehen. Das ist für viele nicht einfach, da viele nicht wissen, wie sie konkret helfen können. Neben gezielter Information über die Krankheit ist vor allem wichtig, dass Angehörige geduldig bleiben und die Erkrankung und die damit einher gehenden Veränderungen für sich annehmen. Dazu gehört auch, den Betroffenen nicht mit eigentlich gut gemeinten Tipps zu überfrachten oder zu gut gemeinten Aktivitäten zu überreden. Oftmals können Betroffene nicht anders in der Situation und reagieren ablehnend oder mit Überforderung. Ermuntern Sie daher lieber, wenn der Betroffene Eigeninitiative zeigt und seien Sie da.
Schnell kann es passieren, dass sich Angehörige im Zuge der Unterstützung überfordern. So kommen negative Gefühle auf, sie fühlen sich überlastet. Deswegen: Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Sie dürfen sich eingestehen, wenn Sie sich in der Situation überfordert fühlen. Behutsam darauf aufmerksam machen kann helfen. Neben dem Kontakt zum behandelnden Arzt gibt es weitere Möglichkeiten. Sie können sich beispielsweise im Rahmen von Selbsthilfegruppen über Ihre Situation und Erfahrungen austauschen. Wichtig ist hierbei auch: Reden Sie mit den Betroffenen offen darüber, wenn Sie solche Angebote wahrnehmen!
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.Autoren: Dr. Tobias Weigl, Andrea Lorenz
Lektorat: Sarah Sodke
Veröffentlicht: 26.09.2018
Aktualisiert: 07.12.2021
Quellen
-
- Deutsches Ärzteblatt (2018): Jeder dritte junge Berliner wegen psychischer Probleme beim Arzt. Artikel vom 17. Mai 2018.
- Deutsche Depressionshilfe: Was ist eine Depression?
- Hanfried Helmchen et al. (2001): Depression und Manie. Wege zurück in ein normales Leben. Ein Ratgeber für Kranke und Angehörige. Zweite Auflage. Trias-Verlag, Stuttgart.
- Wolfgang Mertens (Hrg.) (2008): Depressionen. Psychodynamik und Therapie. 3. Überarbeitete und erweiterte Auflage. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart.
- Holger Reiners et al. (2006): Das Rätsel Depression. Eine Krankheit wird entschlüsselt. Zweite Auflage. Verlag C.H.Beck, München.
- Manfred Wolfersdorf (2011): Depressionen verstehen und bewältigen. Aus der therapeutischen Praxis. Psychotherapie, Unterstützung, Medikamente. Einfühlsam und verständlich. Vierte, neu bearbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin.
Dr.med. Karin Sievert-Fischer, FÄ Orthopädie
10.01.2019 13:55Super Seite!
Bin begeistert!
Dr. Tobias Weigl
10.01.2019 14:08Vielen Dank, das freut mich sehr zu hören.
Viele Grüße und Ihnen alles Gute
T. Weigl
Roland
20.02.2022 18:36Hallo, ich bin 63 J. und nehme schon seid längerer Zeit Escitalopram 10mg, desweiteren Tilidin 2x 100/8 und diverse Blutdruckmedikemente.
Ich komme trotz meiner Medis schon seid Wochen bzw Monaten nicht wirklich raus aus meinen Depris,Antriebslosigkeit,Müdigkeit,schlechter Schlaf, bekomme Dinge nur langsam in kleinen Schritten etwas auf die Reihe.
Es gibt mal 1 oder 2 gute Tage aber dann falle ich wieder in das alte Muster zurück.
Mit diesen Jahr bin ich in Rente, bin geschieden und habe 2 erw. Söhne die für mich da sind.
Der Vormittag verläuft fast immer trostlos,Müdigkeit,TV oder mal was am Rechner machen, erst am Nachmittag werde ich aktiver, versuche regelmässig spazieren zu gehen, Einkäufe zu erledigen. Versuche ein wenig Struktur in mein Leben zu bekommen.
Ich wohne in Berlin und Kontakte zu finden ist nicht einfach schon garnicht mit meiner Vorbeladtung.Ich möchte aber auch nicht jetzt schon mit anderen älteren Personen Ksrten spielen, das ist nicht mein Ding,zumal an sich schon Intrvertiert bin.
Bin aber trotz allen noch aufgeschlossen und habe auch Dinge die mir Freude machen.
Soweit meine Gedanken, geht es Anderen ähnlich.
Danke für das evt lesen
Lg Roland
Mfg
Mario Schwarz
30.06.2022 13:05Gut zu wissen, dass schwere Depressionen auch als wahnhafte Depression bezeichnet werden. Seit dem Tod meiner Großmutter, mit der ich mit Abstand das beste Verhältnis aus meiner Familie hatte, leide ich an Depressionen. Um da herauszukommen, werde ich mir heute einen geeigneten Therapeuten suchen.
Lena
19.08.2024 12:11Eine sehr hilfreiche Seite.
Es ist so ein wichtiges Thema, welches zu häufig verharmlos wird oder tot geschwiegen!
Es leiden sooo viele daran…
Danke für die infos!