Neueste Erkenntnisse legen nahe, dass Adipositas, also starkes Übergewicht, krebsfördernd ist. Ein Grund mehr, den überflüssigen Pfunden den Kampf anzusagen.
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenEine kürzlich in der Fachzeitschrift Cell Reports veröffentlichte Studie zeigt, dass Adipositas verantwortlich für die Entstehung von Krebs sein kann. Experimente mit Gen-Mäusen haben ergeben, dass eine fettreiche Ernährung die körpereigene Krebsabwehr schwächt. Der Grund dafür ist bislang noch unklar.
Und der Gang zum Arzt könnte Herbert letztlich sogar das Leben retten: Adipositas, auch als Fettleibigkeit oder starkes Übergewicht bekannt, bringt schwere gesundheitliche Risiken mit sich und kann zahlreiche mögliche Folgeerkrankungen verursachen. Mehrere verschiedene Studien haben zudem gezeigt, dass adipöse Menschen zusätzlich ein höheres Krebsrisiko haben. Der Zusammenhang zwischen Adipositas und Krebs lässt sich vor allem bei den Formen Brustkrebs und gastrointestinaler Krebs (z. B. Darmkrebs) beobachten. Aktuelle Forschungsergebnisse aus Japan erklären ebendiesen Zusammenhang.
Was genau hat die Wissenschaft herausgefunden?
Adipositas behindert die Krebsabwehr des Körpers
Der Zellbiologe Yasuyuki Fujita von der Universität Hokkaido in Sapporo hat mit Experimenten an Gen-Mäusen herausgefunden, dass eine fettreiche Ernährung krebsfördernd wirkt. Die körpereigene Krebsabwehr war bei gemästeten Mäusen deutlich abgeschwächt, während die Krebszellen bei den normal genährten Tieren weitgehend abgestoßen wurden.
- Erst vor wenigen Jahren wurde eine körpereigene Krebsabwehr entdeckt, die krebsmutierte Zellen aus dem Zellverband, dem Epithel, ausstößt.
- Dabei befinden sich die einzelnen Zellen des Epithels in einem gegenseitigen Wettstreit, der sog. cell competition.
- Fujita konnte zeigen, dass Epithelzellen erkennen, wenn eine benachbarte Zelle krebsmutiert ist; die gesunden Zellen brechen dann die Verbindung mit dieser Zelle ab.
- Diesen Vorgang bezeichnet Fujita als Epithelial defence against cancer, kurz EDAC.
Experimente am lebenden Objekt
- Um zu testen, wie bei fettreich genährten Mäusen die EDAC beeinflusst wird, wurde den Tieren der Wirkstoff Tamoxifen gegeben, der Krebsmutationen auslösen kann.
- Die EDAC konnte bei normal genährten Tieren die Krebszellen größtenteils auslöschen. Bei den fettreich genährten Tieren hingegen war der Abwehrmechanismus abgeschwächt.
- Noch ist unklar, weshalb die Wirkung der EDAC abgeschwächt wird. Möglicherweise sind eine Störung des Fettstoffwechsels oder auch chronische Entzündungsreaktionen dafür verantwortlich, beides tritt infolge von Adipositas auf.
- Auffällig bei den Experimenten war, dass die Beifügung von Acetylsalicylsäure, besser bekannt als Aspirin, die Krebsabwehr wieder in Gang setzen konnte. Diese Beobachtung deckt sich mit den Ergebnissen verschiedener klinischer Studien, in denen Aspirin die Entstehung von Darmpolypen, aus denen Darmkrebs entstehen kann, verhindert hat.
Implikationen
Das erhöhte Krebsrisiko ist eine weitere negative Folgeerscheinung von Adipositas. Mehrere Studien haben bereits in der Vergangenheit nachweisen können, dass die langfristige Einnahme von Aspirin etwa das Risiko, an Magenkrebs zu erkranken, senkt. Nichtsdestoweniger ist es nicht sinnvoll, das Medikament eigenmächtig über längere Zeit einzunehmen, da Nebenwirkung wie Magenblutungen auftreten können.
Exkurs: Was ist Adipositas
Wie ist Adipositas definiert?
Adipositas wird als eine das normale Maß übersteigende Vermehrung des Körperfetts definiert. Laut der Deutschen Adipositas-Gesellschaft ist eine erwachsene Person demzufolge dann adipös, wenn sie einen BMI-Wert von 30 oder mehr besitzt. In Deutschland gelten rund zwei Drittel der Männer und etwas mehr als die Hälfte der Frauen als übergewichtig (BMI zwischen 25 und 29,9). Knapp ein Viertel der Erwachsenen ist bereits adipös, bei steigender Tendenz.
Was bedeutet BMI?
Der sogenannte Body Mass Index, kurz BMI, wird unter anderem dafür benutzt, das Ausmaß von Übergewicht zu bestimmen. Berechnet wird der BMI, indem das Körpergewicht in ein Verhältnis zur Körpergröße gesetzt wird, also der Quotient aus Körpergewicht und Körpergröße zum Quadrat errechnet wird (kg/m²). Anhand dieses Wertes kann das Gewicht nun in verschiedene Adipositasgrade eingeteilt werden. Zu beachten ist allerdings, dass der BMI einen groben Richtwert darstellt: Sportliche Menschen können durchaus einen höheren BMI-Wert haben, da beim BMI beispielsweise die Muskelmasse nicht in die Berechnung einfließt. Zudem werden weder die Körperstatur noch das Geschlecht berücksichtigt. Darüber hinaus lässt der Wert keine Rückschlüsse auf die Ursachen des Übergewichts zu und darüber, welche Maßnahmen am besten ergriffen werden müssen.
Welche Folgeerkrankungen treten häufig bei einer Adipositas auf?
Es gibt durchaus übergewichtige wie adipöse Menschen, die kaum oder sogar gar keine gesundheitlichen Probleme haben. Das sind insgesamt aber eher Ausnahmen. Neben den oftmals auftretenden psychischen Belastungen einer Adipositas kommen eine ganze Reihe weitere mögliche Folgeerkrankungen hinzu, die Adipositas zu einem ernsthaften Gesundheitsrisiko werden lassen. Zu den wichtigsten Folgeerkrankungen bzw. -erscheinungen gehören, neben dem Krebsrisiko, Typ-2-Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Arthrose, Stoffwechselstörungen und Krankheiten, die das kardiovaskuläre System, also das Herz und das Gefäßsystem, betreffen. Hier sind besonders Bluthochdruck und Herzinsuffizienz zu nennen. Das Risiko, daran zu erkranken, steigt bei Übergewichtigen bzw. Adipösen immens. Unbehandelt sind die meisten dieser Folgeerkrankungen lebensbedrohlich. Regelmäßige Arztbesuche werden dringend empfohlen.
Häufige Patientenfragen
Wie bekommt man Adipositas?
Dr. T. Weigl:
Adipositas kann durch eine Vielzahl von Faktoren begünstigt werden. Biologisch gesehen ist sie eine natürliche Reaktion des Körpers auf eine über einen längeren Zeitraum positive Energiebilanz. Häufige Ursachen hierfür sind ein ungesundes Essverhalten, vor allem die übermäßige Einnahme von fett- und zuckerhaltigen Nahrungsmitteln, und Bewegungsmangel. Dies kann wiederum durch psychische Aspekte wie Stress oder Einsamkeit hervorgerufen oder begünstigt werden. Häufig wird die Schuld für starkes Übergewicht auf genetische Faktoren geschoben, wobei diese nur einer unter vielen sind. Zwar fördern möglicherweise genetische Einflüsse die Entstehung von Fettreserven, Adipositas selbst ist aber nicht vererbbar. Einige Medikamente können ebenfalls eine Gewichtszunahme begünstigen.
Was kann ich gegen Adipositas tun?
Dr. T. Weigl:
Das kommt auf den individuellen Fall an. Grundsätzlich ist zu beachten, Fett und Zucker nur in angemessenen Mengen zu sich zu nehmen und gleichzeitig mehr Obst und Gemüse zu essen, insgesamt also auf eine ausgewogene Ernährung zu achten. Im Fall einer Adipositas ist es auf jeden Fall wichtig, eng mit dem behandelnden Arzt und einem Ernährungsberater zusammenzuarbeiten, um Rückfälle zu vermeiden und bereits aufgetretene Folgeerkrankungen zu behandeln. Zusätzlich wird ein individueller Therapieplan erstellt, der immer wieder angepasst wird. Eine Operation, etwa eine Magenverkleinerung, kommt erst in Frage, wenn solche Therapieversuche fehlschlagen. Dies ist in der Regel aber wirklich die aller letzte Lösung. Am besten und effektivsten ist es natürlich, Adipositas mit einem gesunden Lebensstil vorzubeugen.
Worauf muss ich achten, wenn ich mit Adipositas Sport treiben will?
Dr. T. Weigl:
Grundsätzlich ist hervorzuheben, dass der Entschluss, mit Adipositas Sport zu treiben, ein richtiger und sehr wichtiger Schritt ist. Mehr Muskeln führen langfristig zu einem höheren Grundumsatz, gleichzeitig verbessert sich das eigene Körpergefühl. Trotzdem ist es entscheidend, dass unbedingt darauf geachtet wird, die richtige Sportart auszuwählen. Übergewicht belastet etwa die Gelenke des Körpers im Vergleich mit Normalgewichtigen deutlich stärker. Gerade im Kniebereich kann es besonders bei Lauf- oder Sprungsportarten zu Problemen kommen. Hinzu kommt die psychologische Komponente: Es dauert einige Zeit, bis sich größere Erfolge einstellen und für völlige Untrainierte sind selbst kurze Laufeinheiten schon sehr kräftezehrend. Und ohne Ernährungsumstellung helfen selbst regelmäßige Trainingseinheiten nur sehr bedingt. Deshalb ist es empfehlenswert, gemeinsam mit ärztlicher Beratung einen Trainings- und Ernährungsplan zu erstellen, mit dem das eigene Übergewicht bekämpft werden kann.
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Autoren: Sebastian Mittelberg und Dr. Tobias Weigl
Redaktion: Tobias Möller
veröffentlicht am: 08.05.2018, zuletzt aktualisiert: 09.11.2018
Quellen
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2007): Ursachen für Übergewicht und Fettsucht sind hinreichend bekannt. DGE beklagt Verunsicherung durch plakatives Infotainment. In: dge.de.
- Deutsches Krebsforschungszentrum / Krebsinformationsdienst (2016): Magenkrebs: Risikofaktoren und Auslöser. In: krebsinformationsdienst.de
- Franziska Haack (2009): Sportangst und Sportmotivation bei Übergewicht und Adipositas, Logos-Verlag.
- Janosch Bülow (2012): Grundwissen Übergewicht und Adipositas. Folgen, Ursachen, Therapie und Fallstudie zu Ernährungs- und Bewegungsangeboten an Schulen, disserta-Verlag.
- rme/aerzteblatt.de (2018): Wie eine Adipositas die Krebsabwehr ausschaltet. In: aerzteblatt.de
- Gert Mensink u. a. (2014): Übergewicht und Adipositas in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz Mai/Juni 2018.
- Sasaki u. a. (2018): Obesity suppresses cell-competition-mediated apical elimination of RasV12-transformed cells from epithelial tissues. In: Cell Reports 23, S. 974–982.
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