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Aktuelles aus der Forschung – Medikamente gegen Prostatavergrößerung helfen bei Parkinson

Bei der gutartigen Prostatavergrößerung (sog. ‚benigne Prostatahyperplasie‘, kurz: BPH) kommt es häufiger zu Problemen mit dem Wasserlassen, die mit verschiedenen Medikamenten behandelt werden, bspw. Terazosin, Doxazosin oder Alfuzosin. Das sind sogenannte Alpha-Blocker, die bestimmte Rezeptoren auf unseren Muskelzellen hemmen. In Studien der vergangenen Jahre konnte bereits gezeigt werden, dass Terazosin Organschäden lindern und so die Überlebensrate bei Schlaganfall und Blutvergiftung verbessern konnte. Michael Welsh (Universität Iowa City), Lei Liu (Universität Peking) und ihr Team haben den Wirkstoff weiter untersucht und konnten jetzt herausfinden:

Diese Medikamente verlangsamen auch das Fortschreiten der Nervenerkrankung Morbus Parkinson.

Von Medizinern geprüft und nach besten wissenschaftlichen Standards verfasst

Dieser Text wurde gemäß medizinischer Fachliteratur, aktuellen Leitlinien und Studien erstellt und von einem Mediziner vor Veröffentlichung geprüft.

Quellen ansehen

„Ein wichtiger Schritt für die Morbus-Parkinson-Behandlung, wenn auch keiner, der direkt umgesetzt werden kann. Anlass für weitere Untersuchungen liefern die Erkenntnisse von Welsh und Liu aber allemal.“
— Dr. Dr. Tobias Weigl

Was ist Parkinson eigentlich und was sagt die Studie genau?

Morbus Parkinson, umgangssprachlich auch einfach Parkinson, ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, zu dem auch unser Gehirn gehört. Im Verlauf der Erkrankung sterben fortwährend Nervenzellen ab, die Dopamin produzieren. Das ist ein Botenstoff, der zu Bewegungen und ihren Abläufen anregt. Durch den Verlust ebendieser Zellen kommt es bei Morbus Parkinson zu einer verminderten Beweglichkeit, langsamen Bewegungsabläufen und absoluter Bewegungslosigkeit. Außerdem befinden sich die Muskeln von Parkinson-Patienten immer in einer gewissen Grundspannung. Betroffene zittern in körperlicher Ruhe und haben Probleme damit, aufrecht zu stehen.

Gut zu wissen!
Normal wird das bei der Prostatavergrößerung erschwerte Wasserlassen mit Terazosin behandelt. Es bewirkt in diesem Zusammenhang eine Entspannung der Gefäßmuskulatur, wodurch die Harnwege Betroffener erweitert werden und sie besser urinieren können.

Die eingangs erwähnten Forscher Welsh und Liu haben auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse um den Wirkstoff Terazosin jetzt weitere Untersuchungen durchgeführt. Denn in den vergangenen Jahren wurde ein weiterer Effekt des Wirkstoffs entdeckt: Er kann Organschäden lindern und die Energieversorgung in den Zellen unseres Körpers fördern. Dem bei Morbus Parkinson typischen Zelluntergang könnte so auch vorgebeugt werden.

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Aufbau – Tierexperimente und Big Data zur Untersuchung von Parkinson

  • Die Forscher konnten anhand von Tierexperimenten mit Mäusen zeigen, dass der Wirkstoff Terazosin den Zelltod im Gehirn und damit auch das Fortschreiten des Morbus Parkinson hinauszögern kann.
  • Selbst dann, wenn die Tiere schon erste Anzeichen der Erkrankung hatten, erwies sich die Behandlung noch als wirksam. Die ähnlichen Wirkstoffe Doxazosin und Alfuzosin haben auch schützend gewirkt.
  • Auf der Grundlage dieser Ergebnisse haben die Forscher dann Daten von 2.880 Parkinson-Patienten ausgewertet, die aufgrund bspw. zeitgleicher Prostatavergrößerung auch einen der bis hier genannten Alpha-Blocker Terazosin, Doxazosin oder Alfuzosin erhalten haben, fortan Gruppe 1.
  • Demgegenüber stellten sie eine Gruppe aus 15.409 Patienten mit Parkinson, die Tamsulosin bekamen, fortan Gruppe 2. Tamsulosin ist ein anderer Alpha-Blocker, der schon in Tierversuchen keine vergleichbare Wirkung zeigte.
  • Die Forscher haben überdies noch eine weitere Analyse durchgeführt. Darin verglichen sie eine Gruppe von 78.444 Patienten, die mit Medikamenten der Gruppe 1 behandelt worden sind, mit einer gleich großen Gruppe, die Tamsulosin bekam über einen Zeitraum von 284 Tagen.

Ergebnisse – Sekundär und primär vorbeugende Wirkung bei Parkinson erkennbar

  • Zur ersten Analyse: Gruppe 1 wurde seltener als Gruppe 2 wegen für Morbus Parkinson typischen Symptomen behandelt. Es kam zu weniger sowohl motorischen als auch nichtmotorischen Beschwerden und es ereigneten sich auch seltener Komplikationen. Die Medikamente der Gruppe 1 könnten daher die Funktion haben, einen bereits bestehende Parkinson-Erkrankung in ihrem Verlauf zu verlangsamen.
  • Zur zweiten Analyse: Die Untersuchungen der zweiten Analyse haben ergeben, dass von den 78.444 Patienten, die mit Medikamenten der Gruppe 1 behandelt worden waren, in einem Zeitraum von 284 Tagen 118 Personen neu an Parkinson erkrankten. In der Tamsulosin-Gruppe waren es 190 Personen. Daher könnten Terazosin, Doxazosin oder Alfuzosin sogar eine vorbeugende Wirkung haben, wenn es um die Entstehung des Morbus Parkinson geht.

Implikationen – Ergebnisse noch nicht für Parkinson umsetzbar

  • Die Art der Analyse schwächt die Ergebnisse ab, sodass wahrscheinlich noch keine Berücksichtigung in den aktuellen Leitlinien zur Behandlung von Morbus Parkinson erfolgen wird.
  • Mehrere weitere Studien sind erforderlich, und zwar mit einer größeren Teilnehmerzahl und über längere Beobachtungszeiträume.

Video: Dr. Dr. Tobias Weigl über Parkinson und die 7 typischen Alterserkrankungen

Deutschlandweit leiden Schätzungen zufolge etwa 250.000–400.000 Menschen an Morbus Parkinson und ein Großteil der Erkrankungen entfällt auf Über-60-Jährige. Damit zählt die Krankheit zu den 7 typischen Alterserkrankungen und findet damit ihren Platz neben Augen- und Ohren-Erkrankungen, Demenz, Rheuma, verengten Wirbelkanälen, Erkrankungen des Herzens und der Arthrose. Dr. Dr. Tobias Weigl geht im folgenden Video-Beitrag noch einmal etwas detaillierter auf die verschiedenen Erkrankungen ein und bereitet auf die altersbedingten Veränderungen vor.

An diesen 7 Alterserkrankungen erkranken Sie wenn Sie alt sind: Arthrose, Glaukom, Rheuma, Demenz...

Empfehlungen

Wir sollten angesichts der Ergebnisse erst einmal abwarten, was weitere Studien sagen. Fest steht, dass Welsh und Liu hier wichtige Schritte unternommen haben, um einer auch mit fortschreitendem Alter immer wahrscheinlicheren Erkrankung vielleicht sogar vorbeugen zu können.

Die bisherigen bei Parkinson eingesetzten Medikamente dienen vor allem der symptomatischen Behandlung und können sogar für vorübergehende Beschwerdefreiheit sorgen. Dazu gehören bspw. Levodopa (Vorstufe von Dopamin), Dopaminagonisten (gleiche Wirkweise wie Dopamin), Mao-B-Hemmer und COMT-Inhibitoren (hemmen den Abbau von Dopamin) sowie Anticholinergika (hemmen Botenstoffe, die Bewegung unterdrücken). Je mehr Medikamente aber zur Behandlung zur Verfügung stehen, desto besser – denn so können mögliche Unverträglichkeiten oder Nebenwirkungen besser umgangen werden. Außerdem setzen die neuen Erkenntnisse an anderer Stelle an als die bisherigen Medikamente, denn sie beugen dem Absterben der Zellen vor und sorgen so dafür, dass weiterhin auf natürliche Weise Dopamin produziert wird.

Typisches Patientenbeispiel

„Guck mal, Fritz!“, sagt die mit 71 Jahren bereits gut betagte Luise zu ihrem Mann, der gerade die Sportschau guckt. Sie hält ihm das Tablet vors Gesicht und sagt: „Hier. Da gibt es ein neues Medikament, das bei Parkinson wirkt. Soll ich mal bei Dr. Schmirgel fragen, ob ich das bekommen kann? Bei mir ist das ja noch gar nicht so weit, vielleicht kann das die Erkrankung bremsen!“

Fritz liest sich den Artikel stirnrunzelnd durch, hat am Ende aber einen leicht enttäuschten Blick. „Luise, ich glaube, ich muss dich enttäuschen. Das ist eine Studie, die erst vor ein paar Tagen veröffentlicht wurde. Ich bezweifle stark, dass der Herr Doktor dir da jetzt sofort das Medikament geben darf – und eine Prostatavergrößerung hast du ja wohl kaum. Entschuldige, dass ich das jetzt so grob gesagt habe, aber das ist nun einmal der Stand der Dinge.“ Kurz hat Luise über den Witz ihres Mannes gelacht, ist dann aber anschließend etwas niedergeschlagen. Schade. Das wäre bestimmt etwas. Aber vielleicht forschen die ganzen Wissenschaftler ja besonders schnell und sie hat auch noch was von dem neuen Medikament.

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Haben Sie Fragen zur Studie? Haben Sie selbst oder Ihnen bekannte Personen Parkinson und nehmen regelmäßig Medikamente? Richten Sie Ihre Frage unten im Kommentarbereich an uns und tauschen Sie sich auch gerne mit anderen Lesern aus!

Autor: Dr. Dr. Tobias Weigl, Tobias Möller
Veröffentlicht: 19.09.2019

Quellen

  • Lei Liu u. a. (2019): Terazosin activated Pgk1 and Hsp90 to promote stress resistance. In: Nature Chemical Biology 11, S. 19–25.
  • Michael J. Welsh u. a. (2019): Enhancing glycolysis attenuates Parkinson’s disease progression in models and clinical databases. In: The Journal of Clinical Investigation, 16. September 2019.
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