Die Reserveantibiotika sollten als Ausweichmedikamente nur in bestimmten Situationen verwendet werden. Ein zu häufiger Gebrauch begünstigt die Entstehung von Resistenzen und kann so die Behandlung ggf. schwerwiegender Erkrankungen in der Zukunft erschweren.
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenEin Antibiotikum wird zur Behandlung einer bakteriellen Infektion eingesetzt. Dabei kann das Krankheitsbild von einer Erkältung über eine Wundinfektion oder eine Blutvergiftung (sog. ‚Sepsis’) viele Erscheinungsformen haben. Jedes Antibiotikum bzw. jede Gruppe der Antibiotika hat dabei ein eigenes Wirkungsspektrum, also ein eigenes Spektrum an Bakterien, welches bekämpft werden kann. Zunehmendes Problem ist die Bildung von Resistenzen, also die Fähigkeit der Bakterien, die Wirkung eines Antibiotikums zu neutralisieren. Bei besonders schweren Infektionen mit schnellem Handlungsbedarf oder resistenten Erregern kommen die Reserveantibiotika zum Einsatz.
Risikogruppen sind Kinder, junge Frauen (wegen des regelmäßigen Blutverlusts während der Menstruation) und ältere Menschen.
Da ein Großteil der Anämien auf Mangelversorgungen zurückzuführen ist, können sie durch Gabe der entsprechend fehlenden Mikro- und Spurenelemente bzw. Vitamine behoben werden. Bei genetisch bedingten Störungen oder Anämien aufgrund von Knochenmarkserkrankungen kann eine Knochenmarkstransplantation nötig sein.
Für weitere Informationen und Grundlagen zum Thema lesen Sie doch auch unseren Artikel „Antibiotika – Wann und wie wende ich sie richtig an?“.
Was sind Reserveantibiotika? Wann werden sie eingesetzt?
Reserveantibiotika werden aufgrund ihrer Wirksamkeit bevorzugt bei Infektionen mit resistenten Erregern eingesetzt. Dabei kann der Erreger bereits durch eine Untersuchung im Labor nachgewiesen sein. Des Weiteren nutzt man Reserveantibiotika bei einer schweren Infektion mit schnellem Handlungsbedarf im Rahmen einer sog. kalkulierten Antibiotikatherapie.
Ein Antibiotikum (von griech. ἀντί-, anti- ‚gegen‘ und βίος bios ‚Leben‘; Plural: Antibiotika) ist ein Medikament, das zur Behandlung von Infektionen zum Einsatz kommt. Meist wird es zur Bekämpfung von bakteriellen Infektionen, seltener auch zur Bekämpfung von parasitären Erkrankungen eingesetzt.
Bei einer kalkulierten Antibiotikatherapie werden ein Breitspektrumantibiotikum, also ein gegen viele Bakterien wirksames Mittel, oder eine Kombination verschiedener Antibiotika eingesetzt. Dabei bedeutet ‚kalkuliert’, dass von den klinischen Beschwerden auf den potenziellen Erreger geschlossen wird. Die Behandlung wird begonnen noch bevor die entsprechenden Tests im Labor durchgeführt wurden, da meist eine schwere Erkrankung vorliegt (z. B. eine Hirnhautentzündung, die sog. ‚Meningitis’). Die Ärzte greifen auf ihren Erfahrungsschatz zurück. Daher trägt diese Therapie auch den Beinamen ‚empirische Antibiotikatherapie’. Nachdem die Ergebnisse der Laboruntersuchungen eingetroffen sind, kann und sollte die Therapie dann angepasst werden.
Im ‚Normalfall’ sollten die Reserveantibiotika nicht verschrieben werden. Hier gilt der Merksatz ‚the more you use it, the quicker you lose it’ (zu deutsch etwa: ‚je öfter Du es benutzt, desto schneller verlierst Du es‘).
Reserveantibiotika sollten eingesetzt werden bei
- besonders schweren Infektionen, bei denen eine schnelle Wirkung unter Umständen Leben retten kann (z. B. eine Hirnhautentzündung, die sog. ‚Meningitis’, schwere Lungenentzündung, sog. ‚Pneumonie’ oder schweren Wundinfektionen),
- resistenten Bakterien (z. B. MRSA, der Methicilin-resistente Staphylocuccus aureus, ein multiresistenter Krankenhauskeim; siehe dazu auch unter ‚Exkurs’ im Artikel „Die Cephalosporine – Behandlung von Mandelentzündung, Hirnhautentzündung, MRSA & Co.“).
Die Reserveantibiotika haben oft mehr und gravierendere Nebenwirkungen als die Standardantibiotika. Sie sind nicht zwingend besser wirksam. Eine Anpassung der Therapie anhand der entsprechenden Laborergebnisse ist daher wichtig.
Welche Reserveantibiotika gibt es?
Die Weltgesundheitsorganisation (kurz: WHO, von engl. World Health Organization) hat eine Auflistungen der Antibiotika erstellt und diese dort in drei Gruppen unterteilt:
- ACCESS: Die Antibiotika dieser Gruppe sollten überall verfügbar sein.
- WATCH: Diese Antibiotika sind bei der Behandlung spezieller Infektionen Mittel der 1. oder 2. Wahl, es besteht ein erhöhtes Risiko der Resistenzbildung.
- RESERVE: Die Reserveantibiotika sollten als letzte Option bei Therapieversagen der alternativen Antibiotika eingesetzt werden.
Laut WHO (‚WHO Model List of Essential Medicines’ im März 2017) zählen zu den Reserveantibiotika:
- Aztreonam
- Cephalosporine der 4. Generation (z. B. Cefepim)
- Cephalosporine der 5. Generation (z. B. Ceftarolin)
- Polymyxine (z. B. Colistin)
- Fosfomycin
- Oxazolidinone (z. B. Linezolid)
- Tigecyclin
- Daptomycin
Welche Nebenwirkungen gibt es?
Die möglichen Nebenwirkungen variieren abhängig vom verwendeten Antibiotikum.
Antibiotika (-gruppe) | Nebenwirkungen |
---|---|
Aztreonam | Husten und pfeifende Atemgeräusche Brustschmerzen, verengte/krampfende Bronchien Halsschmerzen Schnupfen Hautausschlag Fieber |
Cephalosporine der 4. und 5. Generation | Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) Alkoholintoleranz (man wird schneller und unberechenbarer betrunken) Erhöhte Blutungsneigung (schneller blaue Flecken, kleine Verletzungen bluten stärker und länger) Kreuzallergien bei bekannter Penicillinallergie |
Polymyxine | Schädigung von Nieren (sog. ‚Nephrotoxizität’) und Nerven (sog. ‚Neurotoxizität’) |
Fosfomycin | Magen-Darm-Beschwerden Luftnot Schwindel Ausschlag Appetitlosigkeit Geschmacksstörungen Veränderung einzelner Blutwerte Kopfschmerzen Selten Sehstörungen Das Auftreten der Nebenwirkungen ist eher selten. |
Oxazolidinone | Veränderungen des Blutbildes
Bluthochdruck (sog. ‚Arterielle Hypertonie’) |
Tigecyclin | Unter anderem: Magen-Darm-Beschwerden Kopfschmerzen Schwindel Juckreiz Veränderungen einzelner Blutwerte Achtung: Bei Kindern und Jugendlichen unter 8 Jahren kann es zu Verfärbungen und Verlust des Zahnschmelzes kommen. |
Daptomycin | Magen-Darm-Beschwerden Kopfschmerzen Erhöhung der Leberwerte Muskelerkrankungen im Sinne von Muskelschwäche (sog. ‚Myopathie’) |
Was tut der Arzt? Von der Diagnose zur Behandlung
Kommt eine antibiotische Behandlung zum Einsatz, gibt es unterschiedliche Verfahrensweisen für die behandelnden Ärzte. Dabei greift der Arzt auf seinen Erfahrungsschatz zurück und entscheidet, ob er ohne weitere Laboruntersuchungen ein Antibiotikum verschreibt, welches die üblicherweise verantwortlichen Erreger bekämpft (z. B. im Rahmen einer Blasenentzündung der Frau/Blasenentzündung des Mannes oder einer bakteriellen Mandelentzündung) oder ob die Bestimmung der Erreger notwendig bzw. sinnvoll ist und die Untersuchung auf mögliche Resistenzen der Bakterien daher erforderlich ist.
Bei der Laboruntersuchung wird eine Probe (z. B. Blut oder Wundabstrich) auf die verursachenden Erreger untersucht. Anschließend kann noch ein Antibiogramm erstellt werden. Dabei wird im Labor die Wirksamkeit einiger Antibiotika gegen das Bakterium getestet, um mögliche Resistenzen festzustellen.
Kalkulierte Antibiotika-Therapie
Die Behandlung erfolgt, ohne dass ein Erreger im Labor nachgewiesen wurde und ohne dass die Wirksamkeit der verschiedenen Antibiotika gegen den Erreger überprüft wurde.
Unter Beachtung verschiedener Faktoren wird von den behandelnden Ärzten im Grunde vermutet, welche Bakterien am wahrscheinlichsten die Infektion verursachen. Oft wird auch ein Breitspektrumantibiotikum gewählt, welches möglichst viele Erreger eliminiert.
In die Entscheidung fließen u. a. folgende Aspekte mit ein:
- Ort der bakteriellen Infektion
- Wurde in letzter Zeit bereits ein Antibiotikum eingenommen, gab es vielleicht sogar einen ähnlichen Infekt in jüngerer Vergangenheit?
- Vorerkrankungen, Allergien
- Entstand die Infektion im Krankenhaus (sog. ‚nosokomiale Infektion’) oder auf der Straße / zu Hause (sog. ‚ambulante Infektion’)
Ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Auswahl eines Antibiotikums ist die Frage nach dem Entstehungsort der Infektion. Im Krankenhaus erworbene Keime bei den sog. nosokomialen Infektionen sind andere Bakterien als auf der Straße (sog. ‚ambulante Infektionen’). Die Krankenhauskeime weisen oft andere Resistenzen auf und erfordern daher auch andere Antibiotika für die Behandlung.
Gezielte Antibiotika-Therapie
Bei der gezielten Antibiotika-Therapie wird eine Probe im Labor untersucht. Dabei wird das für die Infektion verantwortliche Bakterium bestimmt. Außerdem erfolgt die Erstellung eines sog. Antibiogramms. Dabei werden verschiedene Antibiotika in ihrer Wirksamkeit gegen das Bakterium getestet, um so mögliche Resistenzen zu bestimmen.
Deeskalation der Antibiotika-Therapie
Nach einer anfänglichen kalkulierten Antibiotika-Therapie wird diese nach Erhalt des Antibiogramms ggf. angepasst und z. B. auf ein nebenwirkungsärmeres Antibiotikum umgestellt.
Eskalation der Antibiotika-Therapie
Die antibiotische Behandlung wird bei ausbleibender Besserung umgestellt oder durch ein weiteres Antibiotikum ergänzt.
Häufige Patientenfragen
Wann muss ich ein Antibiotikum einnehmen?
Dr. T. Weigl
Ein Antibiotikum sollte zur Behandlung einer bakteriellen Infektion eingenommen werden. Dies kann z. B. bei einer eitrigen Mandelentzündung, einer Mittelohrentzündung oder einer (eitrigen) Entzündung von Haut- und Unterhaut der Fall sein. Unwirksam hingegen sind Antibiotika bei durch Viren verursachten Erkrankungen, wie z. B. den meisten Erkältungen (Schnupfen, Husten etc.) oder der Grippe.
Kann ich einfach so ein Antibiotikum in der Apotheke kaufen?
Dr. T. Weigl
Nein. Antibiotika sind rezeptpflichtig und müssen von einem Arzt verschrieben werden.
Wirken Reserveantibiotika besser als ‚normale Antibiotika‘?
Dr. T. Weigl
Nein. Reserveantibiotika wirken nicht zwingend besser als die übrigen Antibiotika, die gerade im ambulanten Sektor (Hausärzte, niedergelassene Ärzte) verschrieben werden sollten. Zum einen weisen sie oft schwerwiegendere Nebenwirkungen auf. Zum anderen ist eine gezielte Behandlung mit einem ‚normalen’ Antibiotikum, das gegen eine bestimmte Gruppe von Bakterien wirksam ist, oft effektiver als ein Breitbandantibiotikum. Bei einem zu häufigen Einsatz ohne Indikation kann die Bildung von Resistenzen steigen und die Bakterien werden zunehmend immun. Sollte dann die Behandlung einer schweren Erkrankung (z. B. eine schwere Lungenentzündung oder Hirnhautentzündung) notwendig werden, kann es unter Umständen problematisch werden, ein wirksames Medikament zu finden.
Warum verschreibt der Arzt nicht direkt ein Reserveantibiotikum, wenn er den Erreger nicht kennt?
Dr. T. Weigl
Die Reserveantibiotika wirken nicht unbedingt besser als die übrigen Antibiotikagruppen. Außerdem weisen sie oft schwerwiegendere Nebenwirkungen auf. Ist beispielsweise bei einer Mandelentzündung der Erreger sensibel für ein Penicillin (d. h. Penicillin bekämpft die Bakterien, es liegen also keine Resistenzen vor), sollte dieses Antibiotikum verschrieben werden. Es ist besser verträglich und wirkt dann sehr gut. Hier greift der behandelnde Arzt (z. B. der Hausarzt) auf seinen Erfahrungsschatz zurück und entscheidet, ob er anhand seiner Erfahrungen auf den möglichen Erreger schließt und ein entsprechendes Antibiotikum verschreibt (z. B. kann es ein, dass ein Infekt mit einem bestimmten Erreger gerade umgeht, je nach Jahreszeit). Er kann sich aber auch dazu entscheiden, einen Abstrich zu machen und eine begonnene Behandlung dann ggf. bei Bedarf anpassen.
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt. Autoren: Dr. Tobias Weigl, Claudia ScheurLektorat: Tobias Möller
Veröffentlicht: 17.09.2018
Quellen
- Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ).Im Auftrag von: Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärztekammer (BÄK) (2016): Antibiotika-Behandlung.
- Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ).
Im Auftrag von: Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärztekammer (BÄK) (2016): Antibiotika-Resistenzen. - Gerd Herold et al. (2013): Innere Medizin. Eigenverlag.
- WHO (2017): WHO Model List of Essential Medicines (March 2017).
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