Magenkrebs verläuft lange Zeit ohne Beschwerden. Dadurch befindet sich die Erkrankung bei Diagnose meist in einem fortgeschrittenem Stadium und hat schlechte Heilungschancen.
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenDer Magen und seine Aufgaben
Nachdem wir Nahrung über den Mund aufgenommen, zerkaut und schließlich geschluckt haben, landet der Speisebrei über die Speiseröhre in unserem Magen. Der Magen dient als Zwischenspeicher und es finden – nach erster Zerkleinerung im Mund und Zersetzungsprozessen durch den Speichel – weitere Schritte der Verdauung statt. Die Nahrung mischt sich mit dem Magensaft und gelangt danach über den Magenausgang in kleinen Portionen in den Darm. Hier erfolgt dann die weitere Aufnahme von Nährstoffen.
Der Magen gliedert sich grob in den Mageneingang (lat. Kardia), den Magenkörper (lat. Corpus), den Magenausgang mit Vorhof (lat. Antrum) und den Schließmuskel (lat. Pylorus). Alle Teile des Magens werden von der Magenschleimhaut ausgekleidet. In dieser sitzen verschiedene Zelltypen mit unterschiedlichen Aufgaben. Einige dieser Zellen produzieren die Magensäure. Sie tötet Keime ab, ist aber auch für die Verdauung zuständig. Andere Zellen bilden Enzyme zur Aufspaltung von Eiweißen, wieder andere produzieren eine Schleimschicht, welche die Magenwand vor der Magensäure und anderen reizenden Stoffen, wie zum Beispiel Alkohol oder zu heißer Nahrung, schützt. Unter der Schleimhaut liegen Blut- und Lymphgefäße in einer Bindegewebsschicht, gefolgt von einem Nervengeflecht und der Magenmuskulatur. Die Muskulatur bewegt den Magen und sorgt somit für den Weitertransport der Nahrung.
Wer mehr über den Magen, seine Aufgaben und mögliche Erkrankungen wissen will, dem empfehlen wir unseren Artikel „Der Magen – Er speichert Nahrung, verdaut sie und gibt sie weiter“.
Exkurs: Häufige Magenschmerzen durch Gastritis
Viele Menschen leiden unter häufigen Magenschmerzen. Ursache ist oft eine Magenschleimhautentzündung, eine sogenannte Gastritis. Eine Gastritis kann durch Stress ausgelöst werden, doch es gibt noch eine Vielzahl weiterer Auslöser. Auch chemische Auslöser, wie zu viel Nikotin, Alkohol, Kaffee oder aber zu scharfes Essen, können eine Magenschleimhautentzündung hervorrufen.
Was genau ist Gastritis? Wie entsteht sie, welche Arten gibt es und was kann man dagegen tun? Noch mehr zu Krankheit, Therapie und Forschungsergebnissen aus ärztlicher Sicht verrät Dr. Tobias Weigl in folgendem Video.
Die Symptome: Was sind mögliche Anzeichen für Magenkrebs?
Annette aus unserem Beispiel hat einige Beschwerden, die einen Hinweis auf eine mögliche Krebserkrankung des Magens geben können.
Magenkarzinome sind oft lange ohne Beschwerden. Treten Symptome auf, sind diese häufig sehr eher allgemein und werden zunächst nicht ernst genommen.
Erste Symptome können sein: Übelkeit, Bauchschmerzen, Druckgefühl im Oberbauch, Völlegefühl, Abneigung gegen Fleisch oder Unverträglichkeit von manchen Lebensmitteln.
Die Beschwerden sind eher unspezifisch und können beispielsweise auch auf eine Magenschleimhautentzündung hindeuten. Jeder verspürt die genannten Symptome irgendwann einmal. Bei gehäuftem Auftreten oder bei längerem Bestehen sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Häufige Übelkeit, länger bestehende Magenschmerzen und Appetitlosigkeit sollten zu einem Arztbesuch veranlassen um abgeklärt zu werden. Ungewollter Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiß sind weitere Warnsignale.
Wie entsteht eigentlich Krebs? In diesem Video erklärt Dr. T. Weigl Grundsätzliches zum Thema Tumor und geht auf wichtige Begriffe ein.
Auch ein länger bestehender Eisenmangel und akute Magenblutungen können Hinweis auf einen bestehenden Tumor geben. Bei der Blutung liegen ggf. sog. Teerstühle vor. Dann ist der Stuhlgang teerschwarz oder es kann zu Bluterbrechen kommen.
Fortgeschritten kann ein Tumor in Form einer Verhärtung im Oberbauch tastbar sein und es kann zu Wasseransammlungen im Bauch kommen. Auch können vergrößerte Lymphknoten tastbar sein.
Wen kann es betreffen?
Grundsätzlich sind Männer und Frauen in etwa gleich häufig betroffen. Bei Frauen ist allerdings das Karzinom im Bereich der Kardia (des Mageneingangs) etwa doppelt so häufig wie bei Männern. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 70 und 75 Jahren.
Risikofaktoren:
- nitratreiche Ernärung (getrocknete, gesalzenen und geräucherte Speisen)
- Alkohol
- Nikotin
- Chronische Magenschleimhautentzündung
- Magengeschwür (= Ulcus ventriculi)
- Magenkrebs in der Familie
- Blutgruppe A
- Übergewicht
- Längere Zeit bestehnendes Sodbrennen (Gatroösophageale Refluxkrankheit)
Im Vergleich zu Ländern wie Japan und Korea ist das Auftreten von Magenkrebs in Deutschland eher selten. Wahrscheinlich ist ein Zusammenhang mit der unterschiedlichen Ernährung in den einzelnen Ländern. Daher sind bei uns auch keine gesetzlichen Früherkennungsuntersuchungen vorgesehen. In Studien konnte bisher kein Vorteil einer Screeninguntersuchung im Bezug auf den Überlebenszeitraum gezeigt werden.
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Wie bei jedem Arztbesuch erfolgt als erstes die Anamnese, also die Befragung des Patienten nach seinem Befinden. Was sind Ihre Beschwerden? Seit wann bestehen diese? Haben Sie Veränderungen an Ihrem Körper bemerkt – Gewichtsverlust, Nachtschweiß, unerklärliches Fieber?
Unter einer B-Symptomatik versteht man eine sog. Trias (von griech. tri = drei) aus den folgenden Beschwerden:
- unerklärliches Fieber (>38°C)
- ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 10 % des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten
- Nachtschweiß (Pyjama muss gewechselt werden)
Diese Konstellation von Beschwerden lässt den Arzt Aufhorchen und kann Hinweis für eine Krebserkrankung sein.
Hat der Arzt einen Verdacht, folgt die körperliche Untersuchung. Der Arzt wird die Lymphknoten abtasten. Dabei kann ein geschwollener Lymphknoten im Bereich des linken Schlüsselbeins auffallen. Ist dieser sogenannte Virchow-Lymphknoten geschwollen, kann dies ein erster Hinweis auf eine bestehende Krebserkrankung des Magens sein mit bereits vorhandenen Lymphknotenmetastasen. Magenkarzinome metastasieren hauptsächlich entlang der Lymphgefäße.
Bei Verdacht auf einen tumorösen Prozess des Magens wird der Arzt relativ bald eine Gastroskopie veranlassen, also eine Magenspiegelung. Dabei wird zum einen über eine Kamera der Magen untersucht und aus auffälligen Bereichen Proben entnommen zur weiteren Untersuchung. Zum anderen kann eine sogenannte Endosonographie erfolgen. Das ist eine Ultraschalluntersuchung des Magens im Rahmen der Gastroskopie zur Beurteilung der Tumorausdehnung in der Magenschleimhaut. Die Ultraschallsonde wird dazu in den Magen eingeführt.
Mittels bildgebender Verfahren wie Sonographie und Computertomographie erfolgt das Staging. Dabei werden Brustkorb, Bauch und Becken nach Metastasen abgesucht und die Tumorausdehnung bestimmt. Eine MRT gehört nicht zur Standarddiagnostik beim Staging eines Magenkarzinoms, kann bei unklaren Befunden jedoch ergänzend hinzugezogen werden.
Zusätzlich kann eine Laboruntersuchung des Blutes erfolgen. Dabei können neben einem Blutbild mit ggf. Anämie auch die Tumormarker bestimmt werden. Bei Tumormarkern handelt es sich um im Blut messbare Substanzen, die bei Tumorerkrankungen in erhöhter Konzentration auftreten können. Die hier relevanten sind CA19-9 (Marker für Tumore der Bauchspeicheldrüse, der Galle, der Leber, des Magens sowie des Dick- und Enddarms), CA72-4 (Marker für Tumore des Magens, der Bauspeicheldrüse, der Speiseröhre, der Lunge und der Eierstöcke) und CEA (Marker für Tumore verschiedener Organe, auch des Magen). Für die Diagnose eines Magenkarzinoms sind die Werte nicht zwangsläufig ausschlaggebend, können aber bei zu Beginn vorliegender Erhöhung als Verlaufsparameter herangezogen werden.
Gut zu wissen: Krebsstadium bestimmen mit Staging
Unter einem Tumor-Staging versteht man die Bestimmung des Krebsstadiums anhand der Ausbreitung im Körper. Beim Magenkarzinom gehören zum Staging:
- Ultraschall des Bauches
- Endosonographie
- CT von Bauch, Becken und Brustkorb
- Ultraschall des Haleses
- Laparoskopie
Fakten-Box Magenkarzinom/Magenkrebs
Männer:Frauen 1:1; außer beim Kardiakarzinom – da gilt 2:1
Mittleres Erkrankungsalter bei 70–75 Jahren
Symptome
- Lange symptomlos, es gibt keine Leitsymptome
- Schmerzen im Oberbauch
- Übelkeit
- Erbrechen
- Abneigung gegen Fleisch
- Gewichtsverlust
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Die Therapie erfolgt je nach Tumorstadium entweder konservativ, also ohne Operation in einer palliativen Situation oder operativ mit Aussicht auf Heilung oder zur Beschwerdelinderung in palliativer Absicht.
Die Entscheidungsgrundlage für die Therapie ist das Staging. Deshalb ist es wichtig, dass die entsprechenden Untersuchungen in hoher Qualität durchgeführt werden.
Eine Heilung ist grundsätzlich nur durch eine komplette operative Entfernung des Tumors möglich. Neben dem Herausschneiden des Tumors kommen noch verschiedene andere Behandlungsmethoden zum Einsatz. Darunter fallen Chemotherapie, Bestrahlung und verschiedene medikamentöse Tumortherapien.
Unterschiedliche Tumortherapien
- Endoskopische Resektion: In einem sehr frühen Tumorstadium, in dem dieser auf die äußerste Schleimhautschicht beschränkt ist und nicht in die Tiefe wächst, ist eine endoskopische Resektion möglich. Es wird also der betroffene Teil der Magenschleimhaut entfernt.
- Chirurgische Resektion: Bei der chirurgischen Resektion erfolgt die radikale Gastrektomie mit Lymphadenektomie, d.h. der komplette Magen und die angrenzenden Lymphabflusswege werden operativ entfernt. Ziel ist immer eine komplette Entfernung von Tumorgewebe und Metastasen der Lymphknoten.
- Perioperative Therapie: Hiermit ist eine Kombination aus neoadjuvanter und adjuvanter (Radio-)Chemotherapie gemeint (neoadjuvant = vor Operation, adjuvant = nach Operation, Radiotherapie = Bestrahlung). Bei einer neoadjuvanten Therapie vor einer möglichen Operation ist das Ziel grundsätzlich einer Verkleinerung des vorliegenden Befundes, d. h. eine Verkleinerung des Tumors oder der Metastasen. Bei einer adjuvanten Therapie im Anschluss an die Operation sollen ggf. verbliebene Tumorzellen abgetötet werden. Wächst das Magenkarzinom schon tief in das Gewebe ein, wird eine adjuvante Radiochemotherapie empfohlen (also eine Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie) um eine Verkleinerung zu erzielen und somit eine eventuelle kurative (= heilende) Operation zu ermöglichen.
- Eine alleinige adjuvante Chemotherapie ist aufgrund des mittlerweile etablierten perioperativen Therapiekonzeptes eher unüblich geworden.
- Palliative Therapie: Bei nicht entfernbarem Tumor, Fernmetastasen oder wenn aus anderen gesundheitlichen Gründen der Patient nicht mehr operiert werden kann, gilt ein palliatives Therapiekonzept. Hierunter fallen neben Allgemeinmaßnahmen wie einer Schmerztherapie, je nach Verfassung des Patienten Chemotherapie, medikamentöse Tumortherapie oder andere Eingriffe (z. B. Wiederherstellung der Passage bei einem den Magenausgang verschließenden Karzinom). Ziel ist eine Lebensverlängerung und eine Verbesserung der Lebensqualität. Eine palliative Magenresektion wird im Regelfall nicht durchgeführt, da kein Nachweis eines Nutzens besteht.
Nachsorge betreiben
Die Nachsorge besteht bei kurativem Therapieansatz in regelmäßigen Kontrolluntersuchungen. Im ersten Jahr sollten diese alle 3–6 Monate, danach jährlich erfolgen.
Die Nachsorge sollte bestehen aus: Anamnese und körperlicher Untersuchung, Labor (Blutbild, Tumormarker wenn initial erhöht gewesen), Ultraschall vom Bauch, bei Verdacht auf ein Rezidiv (= erneut wachsender Tumor) ein erneutes Staging.
Da die Diagnose aufgrund der fehlenden Frühsymptome in rund 60 % der Fälle im fortgeschrittenem Stadium gestellt wird, ist eine Heilung oft nicht mehr möglich. Bei tiefem Wachstum und Lymphknotenbefall sind die 5-Jahres-Überlebensrate bereits auf weniger als 50 % (= Anteil der Patienten, die 5 Jahre nach Diagnose noch leben). Bei Fernmetastasen und ein auf andere Organe übergreifendes Wachstum des Tumors beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate nur noch rund 5 %.
Häufige Denkfehler und Voruteile zum Thema Krebs bespricht Dr. T. Weigl in diesem Video.
Häufige Patientenfragen
Ist Rauchen ein Risikofaktor für Magenkrebs?
Dr. T. Weigl:
Ja. Rauchen zählt, neben übermäßigem Alkoholkonsum und einer nitratreichen Ernährung (getrocknete, gesalzene und geräucherte Speisen), zu den sogenannten exogenen Risikofaktoren für Magenkrebs.
Ich habe ständig Magenschmerzen. Habe ich Krebs?
Dr. T. Weigl:
Magenschmerzen, auch wenn sie häufig über einen längeren Zeitraum vorkommen, bedeuten nicht automatisch, dass man an einem Magenkarzinom leidet. Es kann beispielsweise auch eine Entzündung der Magenschleimhaut oder ein Infekt dahinter stecken. Die Beschwerden sollten in jedem Fall durch den Hausarzt abgeklärt werden. Gerade bei Frauen kann sich hinter Magenschmerzen auch mal eine kardiale Problematik verbergen.
Muss man Magenkrebs behandeln?
Dr. T. Weigl:
Ja. Ein Magenkarzinom muss schnellst möglich ärztlich behandelt werden.
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Autoren: Claudia Scheur und Dr. Tobias Weigl
Redaktion: Katharina Mraz
Veröffentlicht am: 17.06.2018, zuletzt aktualisiert: 20.05.2019
Quellen
- Doris Henne-Bruns: Duale Reihe Chirurgie. Thieme, 2012 4. Auflage.
- M. Müller: Chirurgie für Studium und Praxis. Medizinische Verlags- und Informationsdienste Breisach, 2014/15 12. Auflage.
- Deutsches Krebsforschungszentrum Krebsinformationsdienst: Magenkrebs: Symptome, Untersuchungsverfahren, Therapie und Nachsorge“.
- Leitlinienprogramm Onkologie (Hg.) (2012): Magenkarzinom – Diagnostik und Therapie der Adenokarzinome des Magens und des gastroösophagealen Übergangs. Kurzversion. Deutsche Krebsgesellschaft e. V, Berlin.
Thomas
01.02.2019 11:18Mein Großvater hatte Magenschmerzen seit einiger Zeit. Deshalb war er bei seinem Hausarzt zur Untersuchung. Später stellte es sich heraus, dass es um eine Entzündung der Magenschleimhaut ging. Jetzt steht er in Behandlung. Hoffentlich wird er bald wieder gesund sein.
Sven Bucher
19.11.2019 09:45Die Darmspiegelung ist jedem sicherlich ein Begriff, aber weniger sind sich der Wichtigkeit der Magenspiegelung bewusst. Wie Sie bereits anführen, betrifft dies Männer und Frauen gleichermaßen. Das dabei Alkohol ein Risikofaktor ist, war mir nicht bewusst. Vielen Dank für den Beitrag.