Die diabetische Retinopathie ist eine häufige Folgeerkrankung des Diabetes mellitus. Um einer möglichen Erblindung entgegenzuwirken, sind daher eine frühe Diagnose und eine umfassende Therapie vonnöten.
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenDie diabetische Retinopathie beschreibt eine krankhafte Veränderung der Netzhautgefäße des Auges infolge eines Diabetes mellitus. Fast alle Typ-1-Diabetiker und rund ein Viertel der Typ-2-Diabetiker entwickeln eine solche Erkrankung nach spätestens 15 Jahren ihrer Diabetes-Erkrankung. Infolge der Retinopathie führt eine Schädigung der Gefäßwände zu einer Erkrankung der kleinen Blutgefäße (sog. ‚Mikroangiopathie‘), infolge welcher es dann zu Verschlüssen der kleinen Haargefäße und zu Durchblutungsstörungen der Netzhaut kommt.
Als klassische Symptome gelten ein verzerrtes Sehen, die Wahrnehmung von schwarzen fleck- und punktförmigen Strukturen und andere Sehbeeinträchtigungen. Im Rahmen der Therapie wird vor allem darauf geachtet, den Blutzucker und Blutdruck gut einzustellen. Außerdem kann auch eine Lasertherapie zum Einsatz kommen, die die Sauerstoffversorgung der Netzhaut verbessert.
Was ist diabetische Retinopathie?
Diese Erblindung kann die Folge einer nicht behandelten diabetischen Retinopathie (von lat. rete ‚Netz‘ und altgr. pathos ‚Schmerz‘) sein. Die Retinopathie ist eine Folgeerkrankung der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus.
Der Begriff Retinopathie beschreibt dabei einen Prozess, bei dem sich Fett- und Eiweißstoffe durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel in die Gefäßwände der Netzhaut einlagern. Dadurch verdicken sich diese Wände. Aus den so entstandenen Ausbuchtungen der Gefäße (sog. ‚Mikroaneurysmen‘), kann Blut dann austreten. Und das wiederum hat Schwellungen der Netzhaut des Auges zur Folge. Diese verursachen dann die blinden Flecken im Sichtfeld.
Die Erkrankung wird grundsätzlich in vier Stadien eingeteilt, wobei diese wiederum dahingehend unterschieden werden, ob sich Gewebe neu bildet oder nicht. Findet diese Neubildung statt, spricht man von einer sog. PDR, einer ‚proliferativen diabetischen Retinopathie‘.
Ist dies nicht der Fall, nennt man das entsprechend NPDR, die ‚nicht-proliferative diabetische Retinopathie‘. Diese kann man in drei NPDR-Stadien unterteilen:
- Mild: In diesem Stadium sind lediglich die zuvor erwähnten Mikroaneurysmen vorhanden.
- Mäßig: Neben den Mikroaneurysmen kommt es im Bereich der Netzhaut vereinzelt zu Blutungen, Schwellungen und einer Veränderung der Arterien.
- Schwer: Die Blutungen, Schwellungen und arteriellen Veränderungen treten in mehreren Bereichen der Netzhaut auf.
Die PDR verläuft in zwei Stadien:
- Frühe PDR: Übermäßige Gefäßneubildung ohne Hochrisikofaktoren
- Hochrisiko-PDR: Die Gefäßneubildungen sind größer als ein Viertel bis ein Drittel des Pupillendurchmessers, also der Stelle, an der der Sehnerv das Innenauge verlässt. Es kommt zu Blutungen vor der Netzhaut, auch bei kleineren Gewebeneubildungen.
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Diabetes mellitus ist eine häufige und zunehmende Erkrankung, die bereits als Volkskrankheit gilt. Dr. Dr. Tobias Weigl veranschaulicht in diesem Video, was sich bei Diabetes in Ihrem Körper abspielt und welche Folgen die sog. Zuckerkrankheit haben kann.
Die Symptome: Welche Beschwerden treten im Zusammenhang mit diabetischer Retinopathie auf?
Eine diabetische Retinopathie verläuft anfangs häufig symptomlos. Im Verlauf der Erkrankung kommt es aber meist zu einer Verschlechterung der Sehschärfe.
Hinzu kommen Schwierigkeiten beim Lesen bis hin zu einem kompletten Verlust der Lesefähigkeit. Auch der Farbsinn kann gestört sein. Betroffene können dann Schwierigkeiten haben, Kontraste oder Farben zu erkennen. Des Weiteren äußert sich die diabetische Retinopathie durch eine allgemeine Sehverschlechterung, also ein Verschwommensehen, ein verzerrtes Sehen (sog. ‚Metamorphopsie‘) und den sogenannten Rußregen, bei dem schwarze fleck- und punktförmige Strukturen wahrgenommen werden.
Wird die diabetische Retinopatie nicht behandelt, kann es letztlich sogar zur Erblindung kommen.
Die Symptome der diabetischen Retinopathie im Überblick:
- Verschlechterung der Sehschärfe
- Schwierigkeiten beim Lesen
- im weiteren Verlauf Verlust der Lesefähigkeit
- gestörtes Farbsehen
- Schwierigkeiten beim Erkennen von Kontrasten und Farben
- allgemeine Sehverschlechterung (Verschwommensehen, verzerrtes Sehes)
- Rußregen (schwarze Strukturen vor dem Auge)
- Erblindung
Sonderfall Makulaödem
Sammelt sich infolge der geschädigten Gefäße im Auge Flüssigkeit im Bereich der Makula an, also dort, wo die meisten Sehzellen zusammenlaufen, kann dies zum sogenannten diabetischen Makulaödem führen, dessen typisches Symptom ein verzerrtes Sehen ist. Betroffene nehmen Bereiche in ihrem Blickfeld dann wellig, ungleichmäßig und zum Teil vergrößert bzw. verkleinert wahr. Etwa 30 Prozent der Menschen, die bereits 20 Jahre an Diabetes leiden, entwickeln ein solches Makulaödem, das in jedem Stadium der diabetischen Retinopathie auftreten kann.
Wen kann es treffen?
Die diabetische Retinopathie gilt als eine der häufigsten Ursachen der Erblindung in den Industrieländern. Bei neu Erblindeten gilt die Retinopathie neben der altersbedingten Makula-Degeneration als wichtigste Erblindungsursache. Gemeinhin sind etwa 90 Prozent der Typ-1-Diabetiker und etwa 25 Prozent der Typ-2-Diabetiker nach maximal 15 Jahren mit Diabetes von einer mehr oder weniger ausgeprägten Retinopathie betroffen. Sie stellt somit die in Deutschland häufigste Erblindungsursache im erwerbsfähigen Alter dar.
Risikofaktoren, die das Entstehen einer Diabetischen Retinopathie begünstigen, sind:
- zunehmende Diabetesdauer
- Grad des erhöhten Blutzuckerspiegels
- diabetische Nephropathie, also eine Schädigung der Nieren infolge von Diabetes
- Schwangerschaft
- Bei Typ-1-Diabetikern: männliches Geschlecht
- Bluthochdruck
- Rauchen
- Erhöhte Blutfettwerte
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Im Anamnesegespräch zu Beginn der Diagnose erkundigt sich der Arzt beim Patienten über aktuelle Beschwerden, regelmäßig eingenommene Medikamente und etwaige Vorerkrankungen.
Auch wird der Arzt einen Sehtest veranlassen, bei dem etwaige Seh- oder Lesefähigkeiten getestet werden, und den Patienten auf Grauen Star (sog. ‚Katarakt‘), also eine Trübung der Linse, untersuchen.
Je länger die Diabetes-Erkrankung schon vorliegt, ist der Verdacht auf diabetische Retinopathie höher. Dann ist ein Besuch beim Augenarzt ratsam, der eine Augenspiegelung (sog. ‚Ophtalmoskopie‘) durchführt. Mit dieser Untersuchungsmethode sind Schädigungen der Netzhaut leicht festzustellen. Dazu werden dem Patienten zunächst Augentropfen verabreicht, welche die Pupillen erweitern. So kann man die Netzhaut besser beobachten. Das bedeutet aber auch, dass der Patient im Anschluss für einige Zeit verschwommen sieht und daher nicht am Straßenverkehr teilnehmen darf, bis die Wirkung nachlässt.
Bei der Augenspiegelung wird dann zwischen einer direkten und einer indirekten Untersuchung unterschieden. Während die direkte Augenspiegelung eine 16-fache Vergrößerung des Augenhintergrundes zulässt und sehr genau Details aufzeigt, kann nicht der gesamte Augenhintergrund untersucht werden. Dies ermöglicht dann aber die indirekte Augenspiegelung, bei der die Vergrößerung zwar keinen allzu großen Detailgrad verspricht, jedoch größere Bereiche des Augenhintergrundes beobachten lässt.
Im Anschluss kann noch eine Augeninnendruckmessung erfolgen, welche dazu dient, das Vorliegen eines Grünen Stars (sog. ‚Chronisches Glaukom‘) auszuschließen.
Fakten-Box
90 Prozent der Typ-1-Diabetiker und 25 Prozent der Typ-2-Diabetiker nach 15 Jahren Diabetes
Längere Diabetesdauer erhöht die Wahrscheinlichkeit, an diabetischer Retinopathie zu erkranken
Häufigste Erblindungsursache neben der altersbedingten Makula-Degeneration
Symptome
- Verschlechterte Sehschärfe
- Schwierigkeiten beim Lesen bis hin zum Verlust der Lesefähigkeit
- Gestörter Farbsinn; Kontraste und Farben werden falsch wahrgenommen
- Allgemeine Sehverschlechterung
- Verschwommensehen
- „Rußregen“: schwarze fleck- und punktförmige Strukturen im Blickfeld
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Bei der Behandlung von Netzhautschädigungen infolge von Diabetes werden zunächst zwei Bereiche unterschieden. Zum einen kann der Hausarzt bzw. der Diabetologe die Grunderkrankung, also den Diabetes, behandeln. Dies umfasst vor allem eine angemessene Einstellung von Blutzucker und Blutdruck. Dabei werden die Behandlungsziele individuell festgelegt.
Zum anderen erfolgt eine Therapie mit Hilfe eines Augenarztes, der die Schäden an der Netzhaut bzw. am gesamten Auge behandelt. Die Art der Therapie orientiert sich an der Schwere der Erkrankung und den betroffenen Abschnitten des Auges. Sind die Schäden am Auge noch nicht-proliferativ, haben sich also noch keine neuen Gefäße gebildet, so kann oft zunächst abgewartet werden.
Ist der nicht-proliferative Grad erhöht oder liegt bereits ein proliferatives Stadium vor, haben sich bereits neue Gefäße gebildet. In diesem Fall empfiehlt sich eine Behandlung mittels sogenannter Laserkoagulation. Bei dieser Form der Behandlung erzeugen gebündelte Laserstrahlen Hitze an bestimmten Stellen der Netzhaut und zerstören krankhaftes Gewebe. Diese Therapie erfolgt unter lokaler Betäubung.
Auch Medikamente können zum Einsatz kommen
Wenn infolge der diabetischen Retinopathie die Makula oder die Fovea, also der Bereich des schärfsten Sehens der Netzhaut, beschädigt wurden, kann auch eine medikamentöse Behandlung erfolgen. Der Augenarzt spritzt dann unter lokaler Betäubung Wirkstoffe, welche die Neubildung von Gefäßen unterdrücken, direkt in das Innere des Augapfels. Wirkt ein solches Medikament nicht, können auch entzündungshemmende Steroide eingespritzt werden.
Die diabetische Retinopathie kann auch die Einlagerung von Blut im größten Teil des Auges, dem Glaskörper, zur Folge haben. Zwar kann der Körper das Blut häufig selbst abbauen. Ist dies allerdings nicht möglich und das Sehvermögen durch die Einblutungen eingeschränkt, sollte der Glaskörper entfernt werden. Ein solcher Eingriff nennt sich ‚Vitrektomie‘.
Häufige Patientenfragen
Kann ich diabetischer Retinopathie vorbeugen?
Dr. T. Weigl:
Zum Teil schon. Eine Senkung des Blutzuckers kann das Entstehen von Komplikationen an der Netzhaut beizeiten verhindern. Auch eine Senkung des Blutdrucks kann sich positiv auf etwaige Folgeschäden auswirken. Über mögliche Netzhautkomplikationen sollte der Arzt Sie bereits bei der Diabetes-Diagnose informieren. In der Folge sind regelmäßige Untersuchungen der Netzhaut unabdingbar, auch wenn dahingehend (noch) keine Beschwerden vorliegen.
Gibt es bessere Sehhilfen als Brillen?
Dr. T. Weigl:
Durchaus. Oftmals ist die Sehfähigkeit von Patienten mit diabetischer Retinopathie so stark eingeschränkt, dass herkömmliche Sehhilfen nicht mehr ausreichen. Dahingehend besteht die Möglichkeit, sich Sehhilfen anpassen zu lassen, die bspw. stark vergrößernd wirken. Allerdings sollte dies erst dann erfolgen, wenn Ihr Blutzucker in Absprache mit dem Arzt gut eingestellt ist und Ihre Sehfähigkeit keinen starken Veränderungen mehr unterliegt.
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Autoren: Tobias Möller & Dr. Tobias Weigl
Redaktion: Christine Pepersack
Veröffentlicht am: 06.06.2018, zuletzt aktualisiert: 25.01.2019
Quellen
- Arbeitsgesellschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (2015): Nationale VersorgungsLeitlinie – Prävention und Therapie von Netzhautkomplikationen bei Diabetes 2/2.
- Arbeitsgesellschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (2016): PatientenLeitlinie zur Nationalen VersorgungsLeitlinie. Diabetes. Schäden an der Netzhaut: Vorbeugen und Behandeln 2/2.
- Banaure u. a. (2007): Innere Medizin. Springer-Verlag, Heidelberg.
- Aris N. Kollaris, Michael W. Ulbig (2010): Diabetische Retinopathie – Frühzeitige Diagnostik und effiziente Therapie, in: Deutsches Ärzteblatte International 107(5): S. 75–84
- Hellmut Mehnert (2003): Diabetologie in Klinik und Praxis. Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
- Nicola Pfau u. a. (2017): GBE-Themenheft Blindheit und Sehbehinderung. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam Getragen von RKI und Destatis. RKI, Berlin.
- Christian Prinz (2012): Basiswissen Innere Medizin. Springer-Verlag, Heidelberg.
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