„Remifentanil ist etwa 200 Mal so stark wie Morphin, dennoch findet es in beinahe jedem OP Verwendung. Denn es hat gegenüber anderen Opioiden einen entscheidenden Vorteil – seine kurzfristige Verweildauer im Körper.“
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenBei Remifentanil handelt es sich um ein starkes, aber nur kurzfristig wirkendes Opioid, das vor allem in der Anästhesie, also im Rahmen von Narkosen, Anwendung findet, um die Schmerzwahrnehmung zuverlässig und schnell zu unterbinden. Es kommt also vor allem bei Operationen zum Einsatz, findet aber auch Anwendung in der Behandlung beatmeter Patienten auf der Intensivstation. Remifentanil findet ausschließlich im klinischen Bereich Anwendung und wird auch dort nur über sogenannte Perfusoren verabreicht. Allerdings geht der Wirkstoff nicht ohne Nebenwirkungen einher. Für Opioide typisch sind unerwünschte Wirkungen auf die Atmung bis hin zum Atemstillstand. Im nachfolgenden Artikel erfahren Sie alles Wichtige rund um den häufig angewendeten Arzneistoff, bspw. in Bezug auf seine Wirkung, die verschiedenen Anwendungsgebiete sowie weitere Nebenwirkungen.
Was ist Remifentanil?
Remifentanil ist ein extrem kurzwirksames, aber hochpotentes Opioid, das im klinischen Gebrauch vor allem im Rahmen von Vollnarkosen und bei der Intensivbehandlung zum Einsatz kommt. Der Wirkstoff ist ein Derivat von dem in der Schmerztherapie zum Einsatz kommenden Opioid-Analgetikum Fentanyl. Ein Derivat ist sozusagen eine abgeleitete Form einer Grundsubstanz, durch die man sich eine bessere Steuerbarkeit erhofft. Remifentanil wird intravenös, also direkt in die Vene, gegeben. Es kommt daher als weißes bzw. cremefarbenes Pulver und wird dann dazu verwendet, eine Lösung herzustellen, die entweder eingespritzt oder über eine Infusion gegeben wird. Remifentanil wird aufgrund seiner sehr geringen Halbwertszeit – der Wirkstoff verbleibt nur einige Minuten im Körper – über sogenannte Perfusoren kontinuierlich verabreicht und in Kombination mit anderen Narkosemedikamenten wie bspw. Propofol gegeben, da der Wirkstoff allein keine ausreichende Bewusstseinsausschaltung erzielt.
Möchten Sie sich vor dem Weiterlesen einen Überblick über die Medikamente verschaffen, die bei einer Narkose zum Einsatz kommen? Dann empfehlen wir unseren Artikel „Narkosemedikamente – Opioide, Hypnotika und Muskelrelaxanzien zur Narkose“. Sie können ihm umfassende Informationen zu gängigen Wirkstoffen in der Allgemeinanästhesie entnehmen und erfahren etwas über die einzelnen Wirkstoffe sowie ihre Vor- und Nachteile.
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Sie können sich auch vorab einen Video-Beitrag von Dr. Tobias Weigl ansehen, in dem er auf die Grundsubstanz, von der Remifentanil abgeleitet wurde, eingeht, nämlich Fentanyl. Er erklärt in diesem Beitrag unter anderem, warum das standardmäßig in der Anästhesie verwendete Medikament bisweilen gar als Droge missbraucht wurde.
Welche Wirkung hat Remifentanil?
Remifentanil ist ein selektiver μ-Opioidagonist und zählt zu den sogenannten reinen Agonisten. Diese wirken ausschließlich aktivierend an den Opioidrezeptoren in unserem Körper. Die von außen zugeführten Opioid-Moleküle binden an den jeweiligen Rezeptor und sorgen auf diese Weise dafür, dass Schmerz nicht weitergeleitet werden kann, indem die für die Schmerzweiterleitung zuständigen Botenstoffe blockiert werden.
Abgesehen von der schmerzstillenden (sog. ‚analgetischen‘) Wirkung hat Remifentanil auch sedierende, also betäubende Eigenschaften.
Remifentanil wirkt etwa 100–200 Mal so stark wie das Opioid-Analgetikum Morphin. Morphin wird in der Medizin als Referenz mit dem Referenzwert 1 angesetzt, um daran gemessen die Stärke der Schmerzstillung (sog. ‚analgetische Potenz‘) anderer Opioide zu beschreiben. In der nachfolgenden Tabelle sind einige Opioide samt ihrer Potenz aufgeführt.
Opioid | analgetische Potenz |
---|---|
Tramadol | 0,1 |
Tilidin | 0,16-0,19 |
Tapentadol | 0,3-0,5 |
Morphin | 1 |
Alfentanil | 30-40 |
Fentanyl | 125 |
Remifentanil | 100-200 |
Sufentanil | 1.000 |
Was sind die Anwendungsgebiete von Remifentanil?
Im Grunde lassen sich für Remifentanil zwei wesentliche Anwendungsgebiete ausmachen. Zum einen wird es verwendet zur Schmerzbehandlung bei der Einleitung und während einer Narkose. Zum anderen kommt es im Rahmen der Behandlung künstlich beatmeter Patienten in der Intensivmedizin in einem Alter von über 18 Jahren zum Einsatz.
Der Vorteil von Remifentanil im Vergleich zu anderen Wirkstoffen besteht vor allem darin, dass es größtenteils im Gewebe abgebaut wird, und zwar durch Enzyme, die Esterasen genannt werden. Diesem Umstand verdankt der Wirkstoff seine vermehrte Anwendung, da auch bei bestehenden Leber- oder Nierenproblemen (bspw. Niereninsuffizienz) keine Dosisreduktion erforderlich wird. Hinzu kommt, dass der Wirkstoff nur etwa 3–4 Minuten lang wirkt, wodurch sein Einsatz sich gut steuern lässt und man die Gefahr einer Anhäufung des Wirkstoffs vermeidet.
Besonders bei Eingriffen, bei denen mit geringen Schmerzen nach der Operation gerechnet werden kann (z. B. Kurzeingriffe zu Diagnosezwecken), eignet sich daher Remifentanil als Schmerzstiller, da dieser nur sehr kurz im Körper verweilt. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass Remifentanil sich nicht zur Anwendung eignet, wenn im Anschluss an einen chirurgischen Eingriff mit größeren Schmerzen gerechnet wird.
Was sind die Nebenwirkungen von Remifentanil?
Auch Remifentanil bleibt nicht von diversen möglichen Nebenwirkungen verschont. Im Folgenden werden wir daher über sämtliche infrage kommende Nebenwirkungen aufklären.
Die Auflistungen im Folgenden dienen der Aufschlüsselung der Nebenwirkungen gemessen an ihrer Häufigkeit.
Als sehr häufige Nebenwirkungen gelten (≥1/10, also bei mehr als 1 von 10 Behandelten):
- Muskelsteifigkeit
- erniedrigter Blutdruck
- Übelkeit und Erbrechen
Die häufigen Nebenwirkungen umfassen (≥1/100 bis <1/10, also bei 1 bis 10 Behandelten von 100):
- verlangsamte Herzfrequenz
- Bluthochdruck nach der Operation
- Atemaussetzer und Atemstillstand
- Juckreiz
- Frösteln nach der Operation
Zu den gelegentlichen Nebenwirkungen zählen indes (≥1/1.000 bis <1/100):
- Verstopfung
- Sauerstoffmangel im Gewebe (sog. ‚Hypoxie‘)
- Schmerzen nach der Operation
Selten beobachtet wurden (bei ≥1/10.000 bis <1/1.000):
- Sedierung in der Aufwachphase nach der Narkose
- Herzstillstand (dem eine verlangsamte Herzfrequenz vorausging, wenn Remifentanil zusammen mit anderen Narkosemedikamenten gegeben wurde)
- Überempfindlichkeitsreaktionen
Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf die Nebenwirkungen sagen, dass vor allem die für Opioide typische unerwünschte Wirkung auf unsere Atmung, möglicherweise bis hin zum Atemstillstand, verhältnismäßig stark ausgeprägt ist. Des Weiteren kommen aufgrund ihrer Häufigkeit vor allem Muskelsteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Kreislaufproblemen, dem verlangsamten Herzschlag sowie dem Frösteln besondere Bedeutung zu.
Neben den hier aufgeführten Nebenwirkungen kann es im Rahmen des Absetzens von Remifentanil noch zu weiteren Beschwerden kommen. Diese umfassen:
Schmerzüberempfindlichkeit nach Einsatz von Remifentanil
Auch wenn es sich erst einmal paradox anhört, so ist im Zusammenhang mit Opioiden schon öfter die Entwicklung einer Schmerzüberempfindlichkeit (sog. ‚Hyperalgesie‘) beobachtet worden. Betroffene Patienten sind in der Folge empfindlicher für Schmerz oder zeigen einen erhöhten Bedarf an Schmerzmitteln.
Man ist sich bis heute weder sicher, wie dieses Phänomen zustande kommt, noch kann man abschließend bewerten, wie relevant es letztlich für die klinische Praxis ist. Es wird vermutet, dass das Phänomen mit ausgleichenden Mechanismen des Körpers in Verbindung stehen kann, wenn die Opioide abgesetzt werden. Möglich ist aber auch, dass die Schmerzmittel in ihrer Wirksamkeit nachlassen, da die Patienten schlicht toleranter gegenüber den Wirkstoffen werden. Ebenfalls infrage kommen genetische Ursachen. In diesem Zusammenhang nimmt Remifentanil eine Sonderstellung ein, da schon bei einmaliger Anwendung des Wirkstoffs während eines Eingriffs eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit nach der Operation beobachtet wurde.
Remifentanil auf einen Blick
Remifentanil aus der Wirkstoffgruppe der Opioid-Analgetika
Wirkung
- schmerzstillend
- betäubend
Anwendungsgebiete
- Narkoseeinleitung
- Narkoseaufrechterhaltung
- Intensivbehandlung
Wichtigste Nebenwirkungen
- Muskelsteifigkeit
- erniedrigter Blutdruck
- Übelkeit und Erbrechen
- verlangsamte Herzfrequenz
- Bluthochdruck nach der Operation
- Atemaussetzer und Atemstillstand
- Juckreiz
- Frösteln nach der Operation
Darreichungsform
- größtenteils per Infusion
Welche Kontraindikationen und Wechselwirkungen existieren für Remifentanil?
Eine Kontraindikation beschreibt den Umstand, der die Anwendung eines Medikaments oder einer therapeutischen Maßnahme untersagt und wird daher auch als Gegenanzeige bezeichnet.
Zu den Kontraindikationen von Remifentanil zählen:
- eine Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder gegen andere auf Fentanylbasis synthetisierte Wirkstoffe sowie andere Bestandteile des Präparats
- alleinige Verwendung von Remifentanil zur Einleitung einer Narkose
Außerdem darf Remifentanil nicht direkt in das Rückenmark oder den das Rückenmark umgebenden Liquorraum gegeben werden, da das Präparat Glycin als Stabilisator enthält. Denn Glycin wirkt im zentralen Nervensystem als hemmender Neurotransmitter, der die Muskelkontraktion verringert.
Risiken in Bezug auf die Schwangerschaft lassen sich nicht gänzlich beschreiben, da die Studienlage schlichtweg nicht ausreichend ist. Es wird davon abgeraten, schwangeren Patientinnen Remifentanil zu geben, es sei denn, der potentielle Nutzen überwiegt das potentielle Risiko für das noch ungeborene Kind.
Ebenso sind die Auswirkungen auf die Stillzeit nicht abschließend geklärt. So weiß man bspw. nicht, ob Remifentanil in die Muttermilch übergeht, geht aber davon aus, dass dem so ist, da dies auch auf andere von Fentanyl abgeleitete Substanzen zutrifft. Außerdem hat man Abbauprodukte von Remifentanil in der Muttermilch nachweisen können. In diesem Rahmen wird dazu geraten, das Stillen für eine Zeit von 24 Stunden nach der Gabe von Remifentanil zu unterlassen.
Auch zur Anwendung im Rahmen von Wehen und Geburt lässt sich keine Empfehlung aussprechen, da man weiß, dass Remifentanil die sogenannte Plazentaschranke passieren kann und andere von Fentanyl abgeleitete Substanzen Atemaussetzer beim Kind herbeiführen können.
Welche Wechselwirkungen bestehen denn im Zusammenhang mit Remifentanil – und was sind Wechselwirkungen überhaupt?
Als Wechselwirkung beschreibt man die gegenseitige Beeinflussung von Medikamenten, wenn diese zeitgleich eingenommen werden. Ebenso spricht man von einer Wechselwirkung, wenn man die gegenseitige Beeinflussung eines Medikaments und eines Lebensmittels beschreiben möchte.
Derlei Wechselwirkungen bestehen auch im Zusammenhang mit Remifentanil und umfassen die Folgenden.
- Remifentanil verringert, wie andere Opioide auch, die notwendigen Dosen anderer Narkosemedikamente, vor allem in Bezug auf Inhalationsanästhetika, intravenös gegebene Anästhetika sowie Bezodiazepine. Wenn die Dosen nicht entsprechend angepasst werden, können sich die möglichen Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente häufen.
- Die Nebenwirkungen in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System können verstärkt bei Patienten auftreten, die Medikamente bekommen, die die Herztätigkeit „drosseln“, z. B. Betablocker.
Aktuelle Forschung – Sich selbst Remifentanil verabreichen
Ungefähr ein Drittel aller Frauen, die während der Wehen Pethidin (ein synthetisches Opioid) bekommen, erhalten im Anschluss daran eine epidurale Anästhesie – sie bekommen also rückenmarksnah ein Medikament eingespritzt, mit dem die schmerzhaften Wehen beinahe vergessen sind. Oft leidet darunter das Bewusstsein für den Geburtsvorgang: Die Frauen können sich in der Endphase nicht mehr gut durch Pressen beteiligen und häufiger müssen Instrumente wie eine Saugglocke oder eine Geburtszange zu Hilfe genommen werden. In einigen Krankenhäusern besteht die Möglichkeit, dass die Patientinnen sich das Opioid Remifentanil selbst per Knopfdruck verabreichen können. Matthew Wilson von der University of Sheffield und seine Kollegen haben herausgefunden, dass dies zur Folge hat, dass deutlich weniger Frauen bis zur tatsächlichen Geburt eine Periduralanästhesie in Anspruch nehmen. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forscher in der Fachzeitschrift The Lancet.
Eine Studie über zwei Jahre
In ihrer randomisierten Kontrollstudie untersuchten die Forscher 14 verschiedene Entbindungsstationen im Vereinten Königreich und schlossen dabei alle Frauen ab einem Alter von 16 Jahren ein, die Opioide zur Behandlung der Schmerzen während der Wehen angefordert haben. Per Zufall ordneten die Forscher 400 Teilnehmerinnen entweder der Remifentanil- oder der Pethidin-Gruppe zu. Die Remifentanil-Patientinnen konnten Gebrauch machen von der sogenannten PCA (kurz für: patient controlled analgesia, zu dt. etwa ‚patientenkontrollierte Schmerzstillung‘). Wenn sich die Patientinnen dazu entschieden haben, Remifentanil zu verwenden, blockierte das System die mögliche Zufuhr für die nächsten 2 Minuten, um eine Überdosis zu vermeiden. Die Pethidin-Gruppe bekam wie üblich das Opioid in den Muskel gespritzt.
Die Patientinnen wurden im Zeitraum von Mai 2014 bis September 2016 untersucht. Im Ergebnis zeigte sich, dass nur 19 Prozent der mit Remifentanil behandelten Patientinnen letztlich auch eine Epiduralanästhesie in Anspruch nahmen, während es in der Pethidin-Gruppe 41 Prozent waren. Die Remifentanil-Gruppe gab zudem an, zufriedener mit der Schmerzbehandlung zu sein und klassifizierte die dennoch bestehenden Schmerzen als weniger stark. Allerdings hat Remifentanil auch öfter zu einer geringeren Sauerstoffsättigung im Patientinnen-Blut geführt als Pethidin (14 zu 5 Prozent).
Angesichts der Tatsache, dass die Remifentanil-Behandlung die Inanspruchnahme einer Epidural-Anästhesie mehr als halbierte, schlussfolgern die Forscher, dass man Pethidin als Standard-Opioid in der Behandlung von Wehenschmerzen infrage stellen sollte.
Quelle: Matthew A. J. Wilson u. a. (2018): Intravenous remifentanil patient-controlled analgesia versus intramuscular pethidine for pain relief in labour (RESPITE): an open-label, multicenter, randomized controlled trial. In: The Lancet 392, S. 662–672.
Häufige Patientenfragen
Was ist der Unterschied zwischen Opiat und Opioid?
Dr. T. Weigl:
Opiate sind Alkaloide, die natürlich vorkommen und aus dem Schlafmohn gewonnen werden. Erstmals gelang es 1804 bspw. dem deutschen Apothekergehilfen Friedrich Sertürer, Morphin aus dem getrockneten Saft der Pflanze zu isolieren. Opioide hingegen beschreiben die Gruppe all jener Substanzen, die entweder synthetisch, halbsynthetisch oder natürlich sind und an den Opioid-Rezeptoren in unserem Körper wirken.
Was ist Fentanyl?
Dr. T. Weigl:
Bei Fentanyl handelt es sich um ein stark wirksames Opioid, das synthetisch hergestellt wird und standardmäßig in der Anästhesie, der Schmerztherapie sowie der Notfallmedizin zum Einsatz kommt. In der Anästhesie wird es intravenös gespritzt, bei Tumorschmerzen existiert es in Form von Lutschtabletten sowie Nasen- und Mundsprays und Gelenkschmerzen werden mit fentanylhaltigen Pflastern behandelt. Ebendiese Pflaster bergen aber auch die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung des Wirkstoffs als Droge. Die Pflaster werden ausgekocht und der Sud wird sich als Droge intravenös verabreicht.
Es lauern viele Gefahren für die Anwender: Dadurch, dass oftmals schon einmal verwendete Fentanylpflaster ausgekocht werden, kann es dazu kommen, dass die Berechnung der Fentanyl-Menge falsch läuft und man sich am Ende mehr verabreicht als ursprünglich kalkuliert. Eine Überdosis geht dann potenziell mit Bewusstseinsverlust, Atemstillstand sowie Herz-Kreislauf-Versagen einher. Nichtsdestoweniger muss man festhalten, dass es jährlich zu wenigen Todesfällen in Zusammenhang mit Fentanyl kommt. 2015 waren es bundesweit 87 Tote. Zum Vergleich: Jährlich sterben etwa 74.000 Menschen an den Folgen riskanten Alkoholkonsums. Unfälle in Zusammenhang mit Alkohol sind in dieser Zahl nicht inbegriffen.
Kann ich nach einer Behandlung mit Remifentanil Auto fahren?
Dr. T. Weigl:
Nein. Sie sind im Anschluss an eine Anästhesie mit Remifentanil weder verkehrstüchtig noch dazu imstande, Maschinen zu bedienen. Wenn Sie also infolge einer solchen Behandlung schnell aus dem Krankenhaus entlassen werden müssen, sollten Sie dafür Sorge tragen, nicht in ihr Auto zu steigen, sondern Ihren Nachhauseweg entsprechend begleiten zu lassen. Meiden Sie außerdem alkoholische Getränke.
Exkurs: Die verschiedenen Narkoseverfahren
So gut wie immer, wenn eine Operation ansteht, wird diese im Rahmen einer Anästhesie unternommen, die dafür sorgt, dass Patienten keine Schmerzen empfinden. Um dieses Ziel zu erreichen, können im Grunde zwei verschiedene Verfahren verwendet werden, nämlich die Allgemeinanästhesie und die Regionalanästhesie.
Die Bedeutung der jeweiligen Form von Narkose liegt in Anbetracht ihrer Bezeichnung nahe: Bei der Allgemeinanästhesie werden das Bewusstsein sowie das Schmerzempfinden im gesamten Körper ausgeschaltet. Im Grunde „schläft“ der Patient in diesem Zustand vom Anfang bis zum Ende des jeweiligen Eingriffs. Aber das ist dann auch notwendig, da viele Eingriffe erfordern, dass sowohl Bewusstsein als auch Schmerzempfinden Reflexe, Muskelspannung und Erinnerung ausgeschaltet werden.
Bei der Regionalanästhesie hingegen steht die Betäubung einer einzelnen Körperregion im Vordergrund. Das funktioniert, indem man an bestimmten Stellen im Prozess der Schmerzweiterleitung ansetzt und die Signale, die letztlich für unsere Wahrnehmung von Schmerz verantwortlich sind, blockiert. Im Rahmen sogenannter rückenmarksnaher Anästhesie-Verfahren verhält es sich bspw. so, dass Bereiche wie „alles von den Schlüsselbeinen abwärts betäubt“ werden können. Allerdings gibt es auch noch Verfahren, mithilfe derer weitaus kleinere Bereiche betäubt werden können. So ist es bspw. möglich, mithilfe bestimmter Cremes die Nervenendigungen in einem eher kleinen Bereich zu betäuben.
Wie Sie sehen, gibt es viele verschiedene Arten von Narkosen. Möchten Sie sich genauer über diese informieren? Dann lesen Sie am besten unseren Artikel „Narkoseverfahren: Die wichtigsten Anästhesieverfahren im Überblick“, in dem wir im Detail auf die einzelnen Prozesse eingehen und dabei nicht nur den Unterschied zwischen Allgemein.- und Regionalanästhesie beleuchten.
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Autoren: Dr. Tobias Weigl, Tobias Möller
Lektorat: Christopher Keck
Datum: 11.06.2019
Quellen
- Christian Kretschmer (2018): Medikamentöse Schmerztherapie. In: gelbe-liste.de.
- Medizinische Medien Informations GmbH (Hg.): Remifentanil. In: gelbe-liste.de.
- Hexal AG (Hg.) (2015): Fachinformation Remifentanil HEXAL ® 1 mg, Remifentanil HEXAL ® 2 mg, Remifentanil HEXAL ® 5 mg.
- Angelo Ippolito u. a. (2016): Opioide in der Anästhesie. In: Arzneimitteltherapie
34, S. 235–242. - Gertrud Rochholz u. a. (2014): Analyse von Remifentanil in einem Fall einer letalen Intoxikation. In: Toxichem Krimtech 81/1, S. 27–32.
- Verlag für Didaktik in der Medizin GmbH (2015): Opioid-Therapie – Ratgeber für verträgliche Anwendung. In: schmerzliga.de.
- Matthew A. J. Wilson u. a. (2018): Intravenous remifentanil patient-controlled analgesia versus intramuscular pethidine for pain relief in labour (RESPITE): an open-label, multicenter, randomized controlled trial. In: The Lancet 392, S. 662–672.
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