„Zur effektiven Therapie von Schmerzen ist eine sinnvolle Kombination verschiedener Schmerzmittel mit anderen unterstützenden Medikamenten unerlässlich.“
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenSchmerzen: Was ist das eigentlich?
Schmerz wird definiert als eine Sinneswahrnehmung, die den Körper vor Reizen warnt, die diesen potenziell oder tatsächlich schädigen können. Die Schmerzwahrnehmung (sog. Nozizeption, von lat. ‚nocere‘ schaden) erfolgt über Nerven (sog. Nozizeptoren), die die Wahrnehmung dann an das Gehirn weiterleiten. Die Signale werden in der Großhirnrinde (dem sog. Kortex) verarbeitet und die Sinneswahrnehmung Schmerz entsteht.
Es gibt schädliche mechanische Reize (z. B. auf einen Nagel treten), thermische Reize (Wärme und Kälte) und chemische Reize (z. B. Säuren und Laugen).
Akute und chronische Schmerzen
Akuter Schmerz: Dies ist eine direkte Reaktion, welche den Organismus vor größeren Schäden schützen soll.
Chronischer Schmerz: Die Schutzfunktion rückt in den Hintergrund und ein zeitliches Limit ist nicht absehbar. Man spricht von chronischen Schmerzen bei einem Fortbestehen der Beschwerden über mehr als 3 –12 Monate.
Im folgenden Video erklärt Dr. T. Weigl das WHO-Stufenschema.
Fakten-Box: Schmerztherapie und das WHO-Stufenschema
Schmerztherapie / WHO-Stufenschema / Schmerzmedikamente
Chronische Schmerzen
- Schmerzen bestehen über 3-12 Monate
- Eigentliche Schutzfunktion aufgehoben
Therapie
- 3 Stufen des WHO-Schemas
- Kombination verschiedener Schmerzmittel mit anderen Medikamentengruppen für eine effektive Bekämpfung der Schmerzen
Das WHO-Stufenschema: Leitfaden für die Behandlung
Anhand des WHO-Stufenschemas stehen für die Therapie chronischer Schmerzen verschiedene Medikamente zur Auswahl. Die hier kombinierten Medikamententypen sind: Nicht-Opioid-Analgetika, niedrig- und hochpotente Opioide sowie sogenannte Koanalgetika und Adjuvantien. Für eine effiziente Schmerztherapie sind nicht nur der gezielte Einsatz und die gezielte Kombination der Medikamente wichtig, sondern insgesamt drei Einnahmeprinzipien:
Drei Einnahmeprinzipien für Schmerzmittel
- Prinzip 1: „by the clock“ – Eine regelmäßige und uhrzeitorientierte Einnahme
- Prinzip 2: „by the mouth“ – Wenn möglich, eine orale (d. h. über den Mund; von lateinisch ‚os, oris‘ Mund) Einnahme langwirksamer Medikamente
- Prinzip 3: „by the ladder“ – Eine Dosierung anhand des WHO-Stufenschemas
Merkwort für die Prinzipien der Schmerztherapie: „DNA“ – „Durch den Mund“ – „Nach der Uhr“ – „Auf der Leiter“!
Die drei Stufen des WHO-Stufenschemas
Stufe 1 | Nicht-Opioid-Analgetika | + / - Koanalgetika und/oder Adjuvantien |
|
Stufe 2 | Schwache Opioide | ||
Stufe 3 | Starke Opioide |
Welche Medikamente stehen zur Verfügung?
Schmerzmittel – eine Übersicht
Nicht-Opioid-Analgetika | Schwache Opioide | Starke Opioide |
---|---|---|
Acetylsalicylsäure | Tramadol | Morphin |
Ibuprofen | Tilidin | Oxycodon |
Diclofenac | Dihydrocodein | Fentanyl |
Paracetamol | Pethidin | |
Metamizol | weitere | |
Coxibe |
Nicht-Opioid-Analgetika
Wie der Name schon sagt, zählen zu dieser Gruppe alle Schmerzmittel, die keine Opioide sind. Zu den Nicht-Opioid-Analgetika gehören im Wesentlichen die Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR): Ibuprofen, Diclofenac, Acetylsalicylsäue(= ASS), Naproxen und die Coxibe. Außerdem werden auch Paracetamol und Metamizol (= Novaminsulfon) dazugerechnet.
NSAR = Nicht-steroidale Antirheumatika
Die NSAR finden neben der Schmerztherapie auch Anwendung in der Rheumatherapie, zur Fiebersenkung und im Falle von ASS zur Blutverdünnung zum Beispiel nach einem Herzinfarkt.
Achtung!
Wichtige Nebenwirkungen der NSAR sind Magengeschwüre oder Magenblutungen. Außerdem kann durch die Einnahme eine bestehende Reizung oder Entzündung der Magenschleimhaut verschlimmert werden. Deshalb sollte bei längerfristiger Therapie die zusätzliche Einnahme eines Magenschutzes erwogen werden.
Wie wirken NSAR?
Die NSAR wirken schmerzlindernd, entzündungshemmend, fiebersenkend und blutverdünnend.
Außer bei ASS, was gezielt in der Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur Blutverdünnung eingesetzt wird, wird den NSAR eine Erhöhung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zugesprochen. Daher wird beispielsweise von der Einnahme von Diclofenac seit 2013 bei bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen abgeraten.
Medikamenten-Check im Video: Ibuprofen und Diclofenac
Wichtige Fragen zum Thema Wirkungen und Nebenwirkungen beantwortet Dr. Tobias Weigl in diesem Video.
Andere Nicht-Opioid-Analgetika
Der genaue Wirkungsmechanismus von Paracetamol ist bis heute nicht bekannt. Neben einer Ähnlichkeit zu den NSAR sagt man dem Mittel noch eine zentrale Wirkung im Gehirn nach.
Es wirkt schmerzlindernd und fiebersenkend, jedoch nicht entzündungshemmend. Paracetamol wird gerne bei Kindern eingesetzt und ist Mittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit.
Video: Paracetamol – Fluch oder Segen?
Was ist bei der Einnahme von Paracetamol zu beachten? Was muss ich beachten, um eine Fehldosierung zu vermeiden? Welche Nebenwirkungen gibt es? Wichtige Fragen und Wissenswertes zu diesem immer wieder kontrovers diskutierten Medikament erklärt Dr. Tobias Weigl in diesem Video.
Metamizol (Novalgin) wirkt wie die NSAR und zusätzlich direkt im Gehirn. Es hat die stärkste schmerzlindernde und fiebersenkende Wirkung der Nicht-Opioid-Analgetika, jedoch auch kaum entzündungshemmende Komponenten. Außerdem wirkt es zusätzlich krampflösend.
Risiken und Schmerzmittelabhängigkeit
Was für Risiken gibt es bei der Einnahme von Schmerzmitteln? Wann wird man abhängig? Wichtige Fragen und Wissenswertes zum Thema erklärt Dr. Tobias Weigl im Gespräch mit seinem Hospitanten in diesem Video.
Coxibe
Die sogenannten Coxibe, wie Celecoxib oder Etoricoxib, zählen ebenfalls zu den NSAR, unterscheiden sich von den oben genannten leicht im Wirkmechanismus. Sie wirken eingeschränkter und haben lediglich eine schmerzlindernde und eine entzündungshemmende Wirkung.
Achtung!
In der Langzeittherapie mit Coxiben, z.B. Arcoxia bzw. der Wirkstoff Etoricoxib, hat man ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Herzkreislaufereignissen festgestellt. Daher sind die meisten Mittel aus dieser Gruppe wieder vom Markt verschwunden.
Opioide
Die Opioide unterteilt man hauptsächlich anhand ihrer schmerzstillenden Wirkung in zwei Gruppen: In schwache Opioide und in starke Opioide. Neben dem Einsatz in der Schmerztherapie existieren wenige andere Einsatzgebiete, wie zum Beispiel als Hustenstiller. Opioide entfalten ihre Wirkung, dadurch, dass sie sich direkt an die Nervenenden des zentralen Nervensystems binden.
Achtung!
Häufige Nebenwirkungen von Opioiden sind die von den Patienten oft beklagte Verstopfung und das hohe Abhängigkeitspotenzial!
Zu den schwachen Opioiden zählen Tramadol, Tilidin und Dihydrocodein. Wenn Nicht-Opioid-Analgetika nicht genug wirken, empfiehlt Stufe 2 des WHO-Stufenschemas zusätzlich ein schwaches Opioid. Das kann je nach Bedarf sein (also einnehmen, wenn die Schmerzen besonders stark sind) oder anhand eines festen Schemas im Tagesverlauf.
Dabei kann man zum Beispiel Retard-Präparate einnehmen. Retard bedeutet, dass der Wirkstoff nach und nach abgebeben wird. Er entfaltet also seine Wirkung über den Tag verteilt und nicht nur in der akuten Situation. Die Einnahme erfolgt meist in Form von Tabletten.
Der wohl bekannteste Vertreter der starken Opioide ist das Morphin. Auch zu nennen wären hier das Oxycodon und das Fentanyl. Starke Opioide kommen zum Einsatz, wenn auch durch Stufe 2 des WHO-Stufenschemas keine ausreichende Schmerzlinderung mehr erreichbar ist. Damit gehören die starken Opioide zu Stufe 3 des WHO-Stufenschemas. Die Einnahme erfolgt beim Morphin als Tablette, als Infusion über die Vene oder als Spritze unter die Haut. Beim Fentanyl gibt es die Möglichkeit, ein Pflaster zu kleben, sodass der Wirkstoff kontinuierlich über die Haut aufgenommen wird. Das Pflaster wird dann alle paar Tage gewechselt.
Nebenwirkungen von Opioiden
Opioide haben eine sedierende Wirkung, machen also müde und schläfrig. Außerdem kann es zu einem Blutdruckabfall kommen. Oft klagen die Patienten über Übelkeit und Erbrechen, sowie Verstopfung, da durch die Einnahme die Darmtätigkeit gehemmt wird. Ein weiterer Nachteil ist die Toleranzentwicklung (also ein Gewöhnungseffekt) und die Gefahr der Opioidabhängigkeit. (s. u.) Um über lange Zeit eine ausreichende Schmerzstillung zu gewährleisten, muss die Dosierung regelmäßig angepasst und erhöht werden.
Eine der wohl gefürchtetsten Komplikationen ist die Überdosierung. Die sogenannte Opioidintoxikation kann zum Aussetzen der Atmung und Koma führen!
Video: 5 hochpotente Opioide im Medikamentenchek
Wie wirken Opioide? Welche Nebenwirkungen gibt es? Was passiert bei einer langfristigen Einnahm? Wichtige Grundlagen und Wissenswertes zum Thema erklärt Dr. Tobias Weigl in diesem Video.
Koanalgetika
Je nach Ursache der Schmerzen fördern in allen Stufen des WHO-Schemas unterstützend die sogenannten Koanalgetika die Therapie. Dazu zählen unter anderem die Antidepressiva, Muskelrelaxantien (entspannen die Muskulatur) oder Glucocorticoide (z. B. Kortison). Diese unterstützen durch unterschiedliche Mechanismen den schmerzlindernden Effekt. Über den Einsatz befindet der Arzt für jeden Einzelfall. Dabei bezieht er Krankengeschichte und Untersuchungsbefunde mit ein.
In diesem Video erklärt Dr. T. Weigl die Muskelrelaxanzien und wie diese zur Behandlung (chronischer) Schmerzen helfen.
Adjuvantien
Die Adjuvantien wirken den Nebenwirkungen der Schmerzmittel entgegen. Die Einnahme kann prophylaktisch (d. h. vorsorglich) oder bei bereits aufgetretenen Nebenwirkungen sein. Dazu gehört beispielsweise ein Magenschutz bei längerer Einnahme von NSAR, um einem Magengeschwür oder einer Magenblutung entgegenzuwirken.
Häufige Patientenfragen
Welches Schmerzmittel soll ich einnehmen? Was ist das richtige für mich?
Dr. T. Weigl: Diese Frage pauschal zu beantworten, ist nicht möglich. Es kommt immer auf die individuelle Situation an. Unter Rücksprache mit dem behandelnden Arzt sollte für die Therapie starker oder länger andauernde Schmerzen unter Einbezug aller Aspekte ein Behandlungsplan erstellt werden.
Bekomme ich von Ibuprofen direkt Magenschmerzen?
Dr. T. Weigl: Die einmalige oder gelegentliche Einnahme von Ibuprofen (oder anderen NSAR) führt im Normalfall nicht direkt zu Magenproblemen. Bei längerer Einnahme kann es allerdings zu einer Reizung der Magenschleimhaut kommen. Daher sollten Sie in so einem Fall zusätzlich einen Magenschutz einnehmen – am besten in Rücksprache mit Ihrem Arzt oder Apotheker. Haben Sie einen empfindlichen Magen oder eine Reizung des Magens, sollten Sie auf jeden Fall vor der langfristigen Einnahme von Ibuprofen mit Ihrem Arzt sprechen.
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Haben auch Sie Erfahrungen mit der Therapie chronischer Schmerzen? Haben Sie Fragen zum Thema? Nutzen Sie unsere Kommentarfunktion unten für den Austausch untereinander und mit uns!
Autoren: Claudia Scheur, Dr. Tobias Weigl
Redaktion: Marek Firlej
Veröffentlicht am: 09.08.2018, zuletzt aktualisiert: 09.08.2018
Quellen
- Doris Henne-Bruns (2014): Duale Reihe Chirurgie. 4. Auflage, Thieme,
- Müller (2015): Chirurgie für Studium und Praxis. 12. Auflage. Medizinische Verlags- und Informationsdienste Breisach
Meissner
30.05.2019 13:21Hallo Herr Doktor, ich pflege seit Jahren meinen psychisch kranken Vater(Demenz)! Bin irgendwann krank geworden angeblich Bechterew Diagnose Verdacht auf Peripheren Bechterew! Ich wollte es nie wahr haben, da ich immer Leistungssport gemacht habe und ich nicht die typischen Schmerzen im Rücken habe sondern nur ab Knie abwärts! Ich hatte eine Schub gehabt vom allerfeinsten und konnte nicht aus dem Bett kommen und wenn dann lief ich wie ein Pinguin durchs Zimmer! Kurze Rede, ich bin irgendwann wo nichts mehr half auf oxycodon hängengeblieben!
Ich habe fast alles durch an Schmerzmitteln und möchte sie fragen, wie ich vom oxycodon runterkomme, da ich so nicht feststellen kann was turkyschmerzen und was mechanische Schmerzen sind!
Habe zwar einen guten Arzt, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass einfach weiter verschrieben wird und nicht mehr versucht wird weniger an medis zu nehmen!
Ich musste mir das alles selber rausfinden und rumprobieren was geht und was nicht!
Mein Problem ist, das ich unter oxycodon nicht meine täglichen Pflichten wie Haushalt Garten mich mehr genügend nachkommen kann!
Ich glaube im Moment habe ich keine Entzündungen im Körper und glaube dsss ich nur Entzugsschmerzen habe!
Ich nehme normalerweise auch Humira! Das habe ich abgesetzt weil ich wissen wollte woher Beine Leberwerte so hoch sind! 85.
Bitte geben sie mir ein Tipp ob ich eine schmerzterapie machen soll oder wie ich von dem oxycodon wegkomme!
Vielen dank im Voraus
Micha meissner
Dr. Tobias Weigl
01.06.2019 22:44Hallo, vielen Dank für Ihre offenen Worte. Das tut mir wirklich leid aber JA, ich empfehle Ihnen eine Schmerztherapie. Sind Sie bei einem Schmerztherapeuten? Falls nein, dann lassen Sie sich doch bitte zu einem solchen überweisen.
Viele Grüße
Dr. T. Weigl
Joachim Hussing
24.04.2020 18:44Ich wusste nicht, dass sich die Differenzierung der Therapie zwischen akuten und chronischen Schmerzen in der Schmerztherapie als wirksam erwiesen hat. Meine Frau hat seit einigen Tagen mit chronischen Schmerzen zu tun. Wir wissen nicht, was das Problem ist, deshalb werden wir sicher einen Orthopäden finden, der meiner Frau durch eine Schmerztherapie helfen kann.