„Die Gicht ist eine Wohlstandserkrankung – gemeinsam mit Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie oder Fettstoffwechselerkrankungen zählt sie zu Kriterien des sog. ‚metabolischen Syndroms‘. Zusammen bilden diese Erkrankungen die häufigsten Todesursachen in Deutschland.“ — Dr. Dr. Tobias Weigl
Von Medizinern geprüft und nach besten wissenschaftlichen Standards verfasst
Dieser Text wurde gemäß medizinischer Fachliteratur, aktuellen Leitlinien und Studien erstellt und von einem Mediziner vor Veröffentlichung geprüft.
Quellen ansehenAphrodite und Bacchus sollen ein Kind gezeugt haben – Podagra, also die Gicht. 2.000 Jahre nach der Entstehung dieser Textpassage durch Hedylus wissen wir, dass die Gicht nicht göttlichen Ursprungs, sondern eine Stoffwechselerkrankung und die klinische Manifestation einer erhöhten Harnsäurekonzentration im Blutserum (sog. ‚Hyperurikämie‘) ist. Hinter den Gelenksentzündungen einer Gicht steckt kristalline Harnsäure, die sich in der Gelenkinnenhaut abgesetzt und entzündet hat. Durch den erhöhten Harnsäurespiegel im Blut, den der Körper nicht abbauen kann, können sich solche Kristalle bilden.
Mediziner unterscheiden verschiedene Arten der Gicht: Unbehandelt kann die Krankheit chronisch werden und u.a. die Niere erheblich schädigen. Bei Verdacht sollten Sie dringend Ihre Harnsäurewerte bei Ihrem behandelnden Arzt überprüfen lassen. Diagnostiziert er Gicht können entsprechende therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Neben der Gabe von Medikamenten kann eine Umstellung der Lebensweise – vor allem in puncto Ernährung und Bewegung – die Therapie unterstützen.
Mehr Informationen zu Symptomatik, Diagnose und Therapie der Gicht finden Sie detailliert in diesem Artikel.
Was ist Gicht?
Gicht ist eine Krankheit, die vor allem in Wohlstandsgesellschaften auftaucht. Hierbei lagert sich Harnsäure in den Gelenken, oder genauer an den Gelenkinnenhäuten, ab. Das Problem: Die dort abgelagerten Kristalle (sog. ‚Uratkristalle‘) entzünden sich. Unmittelbare Ursache ist ein erhöhter Harnsäurespiegel im Blut. Diese Harnsäure kann ab einer bestimmten Konzentration nicht mehr im Blut gelöst und über den Urin ausgeschieden werden. Stattdessen kristallisiert sie und fällt aus. Die Folge ist die Ablagerung im Körper – in Geweben, Niere und Gelenken.
Harnsäure ist ein körpereigenes Abbauprodukt und entsteht beim Eiweißstoffwechsel. Sog. ‚Purine‘ nehmen wir über tierische Nahrungsmittel auf. Aus diesen macht unser Körper im Rahmen des Stoffwechselvorgangs Harnsäure. Ersichtlich wird die Menge der Harnsäure anhand des Harnsäurespiegels im Blut. Ausgeschieden wird sie über die Nieren (zwei Drittel) und den Darm (ein Drittel). Ab einer bestimmten Menge kann der Körper die Harnsäure nicht mehr ausscheiden. Die Folge ist eine Hyperurikämie bzw. Gicht. Mehr Informationen dazu finden Sie im Artikel: Harnsäure und Hyperurikämie – Harnsäure reduzieren durch Ernährung.
Gicht ist keine Gelenkerkrankung
Gicht selbst wird von Medizinern als klinische Manifestation der sog. ‚Hyperurikämie‘ betrachtet. Mit diesem Ausdruck bezeichnen sie erhöhte Harnsäurewerte im Blut. Eine Hyperurikämie liegt vor, wenn 6,5 mg Harnsäure pro 100 ml Blut gemessen wurden. Auch wenn die Gelenke betroffen sind, ist die Gicht keine Gelenkskrankheit wie bspw. Arthrose, sondern eine Stoffwechselstörung.
Im nachfolgenden Beitrag geht Dr. Dr. Tobias Weigl einmal genauer auf die Gicht ein und erklärt die schon seit der Antike bekannte Wohlstandserkrankung.
Die Bezeichnung „Gicht“ entstammt aus dem angelsächsischen Raum. Im 12. Jahrhundert tauchte zum ersten Mal der Name für die Wohlstandserkrankung auf. Das altangelsächsische „ghida“ stand für „Körperschmerz“. Davon leitet sich die deutsche Bezeichnung „Gicht“ ab. Die Krankheit selbst ist schon deutlich länger bekannt: Bereits antike Berichte aus dem indischen sowie griechisch-römischen Kulturraum beschreiben die Symptome der Gicht.
Stufen der Erkrankung
Manchmal schleicht sich Gicht über Jahre ein, vor allem, wenn sie unbehandelt bleibt. Erkennbar wird die Erkrankung an äußeren Harnsäureablagerungen, welche erbsen- bis walnussgroß werden können und sich an Stellen wie Ohrmuscheln, Fingern oder Zehen entwickeln.
Insgesamt können Mediziner vier Stadien der Gicht ausmachen:
- Erste Phase: Sie haben in diesem Stadium bereits erhöhte Harnsäurewerte im Blut, leiden jedoch noch nicht unter akuten Gichtbeschwerden.
- Zweite Phase: Es kommt zu einem akuten Gichtanfall.
- Dritte Phase: Die Gichtanfälle wiederholen sich in regelmäßigen Intervallen zwischen denen beschwerdefreie Zeiträume liegen.
- Vierte Phase: Die chronische Gicht kommt vergleichsweise selten vor. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Betroffenen dauerhafte Knoten und Gelenkveränderungen aufweisen.
Ursachen der Gicht
Heute wissen wir, dass die Gicht die Folge unterschiedlicher Ursachen sein kann. Genetische Prädispositionen können zu einer Stoffwechselstörung führen. Auch eine fehlerhafte oder unausgewogene Ernährung kann erhöhte Harnsäurespiegel und letztendlich Gicht bedingen. Konkret sind das eine purinhaltige Ernährung, übermäßiger Konsum von Alkohol, grundsätzliche Überernährung sowie Übergewicht.
Dass die Gene womöglich wichtiger als die externen Gründe sein könnten, argumentierten neuseeländische Forscher der University of Otago. Grundlage ihrer Annahme von 2018 ist eine Auswertung von fünf Studien, in denen nahrungsbedingte Ursachen für Gicht untersucht wurden. Weitere Faktoren wie das Geschlecht, der Body-Mass-Index oder der Bildungsstand wurden ebenfalls miteinbezogen. Laut dieses Forschungsteams seien Lebensmittel so gut wie nie verantwortlich für einen ansteigenden Harnsäurewert. Inwiefern sich diese Betrachtung bestätigt, hängt von weiteren Studien mit wesentlich mehr Probanden sowie einheitlichem Versuchsaufbau ab.
Die Arten der Gicht
Es gibt verschiedene Varienten von Gicht, die mit den Ursachen für den Gichtanfall zusammenhängen:
- Primäre Gicht: Grundlage dieser Form ist eine erbliche Stoffwechselstörung. Das bedeutet, dass Sie Purine nicht so gut verarbeiten können. Offenkundig wird diese Stoffwechselstörung zumeist erst, wenn Sie zu viel Purin aufnehmen. Dies geschieht in der Regel über die Nahrung, Alkohol oder bestimmte Medikamente. Die primäre Gicht entsteht dadurch, dass der Körper die im Zuge des Purinabbaus entstehende überschüssige Harnsäure nicht ausscheiden kann. Ein weiterer Faktor kann zudem eine gesteigerte Herstellung von Harnsäure generell sein.
- Sekundäre Gicht: Dahinter verbirgt sich ein erhöhter Harnsäurespiegel infolge pathologischen Zellsterbens. Bei Fastenkuren oder bei malignen Tumoren kommt es infolge des Zellsterbens zu einem erhöhten Nukleinsäurestoffwechsel und damit Purinabbau, der wiederum zu einem erhöhten Harnsäurespiegel führt. Daneben können auch bestimmte Arzneimittel diese Kettenreaktion auslösen. Dazu gehören Diuretika, Ciclosporin (ein Immunsuppressivum) und Pyrazinamid, ein Antibiotikum gegen Tuberkulose.
Neben der Einteilung nach Ursachen unterscheiden Ärzte die Krankheit auch hinsichtlich des Ortes der Manifestation. Die gängigsten Entzündungsherde sind die folgenden:
- Podagra: Hierbei ist das Großzehengrundgelenk betroffen. Dies ist in 60 Prozent der Fälle der Fall. Auch betroffen sind das Sprunggelenk und die Fußwurzelknochengelenke.
- Gonagra: Bei dieser Variante entzündet sich das Knie – eine Gonagra macht ungefähr 10 Prozent aller Gichtfälle aus.
- Chiragra: Betroffen sind die Hand- und Fingergelenke, besonders häufig das Daumengrundgelenk. Man spricht auch von den sog. ‚Gichtfingern‘.
Darüber hinaus kann ein akuter Gichtanfall auch am Ellenbogen- oder Handgelenk sowie an den übrigen Zehengelenken auftreten.
Die Symptome einer Gicht
Die Symptome einer Gicht unterscheiden sich dahingehend, ob es sich um eine akute oder chronische Manifestation handelt. Grundsätzlich kommt es bei einem akuten Gichtanfall (sog. ‚Arthritis urica‘) zu einer schmerzhaften Entzündung des Gelenks. In der Regel sammelt sich an dieser Stelle Flüssigkeit (sog. ‚Ergussbildung‘). Hinzu kommen typische Entzündungszeichen wie Rötungen oder Schwellungen. In der Regel sind Sie während eines Gichtanfalls berührungsempfindlich. Typischerweise tritt ein akuter Gichtanfall nachts auf und verschwindet nach einigen Tagen wieder. Dies wechselt sich mit Intervallen ab, die beschwerdefrei sind.
Bei einer chronischen Erkrankung kehren die Gichtanfälle immer wieder zurück. Werden diese nicht behandelt, führt die stetige Ablagerung der Harnsäurekristalle zur Zerstörung des Gelenks. Neben der Gelenkschmerzen kommt es zu Harnsäureablagerungen außerhalb des Gelenks, welche von außen sichtbar werden. Diese sog. ‚Gichttophi‘ können an unterschiedlichen Körperstellen entstehen:
- Weichteiltophus: Die Harnsäureablagerungen finden sich an Ohrmuschel, der Haut, Sehnenscheiden oder Schleimbeuteln. Es handelt sich hierbei um mehrere, harte, weiß-schimmernde Knötchen, die nicht wehtun.
- Knochentophus: Die Ablagerung erfolgt direkt am Knochen.
Patienten, die unter einer chronischen Gicht leiden, beschreiben den Schmerz als weniger schlimm als bei der ersten Manifestation der Gicht. Darüber hinaus kommt es manchmal zu Fieber. In 10 bis 20 Prozent der Fälle kommt es zudem zur Bildung von Nierensteinen.
Wer ist davon betroffen?
Die Wahrscheinlichkeit, an der Gicht zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter. Ein erster Gichtschub tritt zumeist zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr auf. Die Krankheit entwickelte sich dann allerdings schon deutlich länger.
Männer erkranken zehnmal so häufig wie Frauen. Ursache ist das Sexualhormon Östrogen, was Frauen vor erhöhter Harnsäure bzw. Gicht schützt.
Auffällig ist, dass viele Betroffene einer Gicht gleichzeitig an weiteren metabolischen Erkrankungen leiden, die gemeinhin als Wohlstandskrankheiten bekannt sind. Dazu gehören Diabetes mellitus vom Typ 2, Fettstoffwechselstörungen (sog. ‚Dyslipidämien‘), Bluthochdruck, Übergewicht bzw. Stammfettsucht und Arteriosklerose, welche wiederum zur koronaren Herzkrankheit (kurz: KHK) und einem Herzinfarkt führen kann. Gemeinsam stellen diese miteinander zusammenhängenden Krankheiten die häufigsten Todesursachen in Deutschland dar.
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Wie bei jedem Arztbesuch erfolgt als erstes die Anamnese, also die Befragung nach Ihrem Befinden und der Krankheitsgeschichte. Neben Fragen nach akuten Schmerzen u. Ä. wird Ihr behandelnder Arzt Sie auch nach der Krankengeschichte Ihrer näheren Verwandtschaft befragen: Ist bereits bei Verwandten ersten Grades Gicht aufgetreten? Auch auslösende Ursachen, die einen plötzlichen Anstieg der Harnsäure bewirken können, sind von Interesse für die Diagnose. Haben Sie beispielsweise vor dem Schub purinhaltiges Essen gegessen oder viel Alkohol getrunken? Auch eine parallel laufende Medikation mit Diuretika oder ein schneller Gewichtsverlust können Hinweise auf die Erkrankung geben.
Im Anschluss an die Anamnese nimmt Ihr Arzt zunächst Blut ab. Die Untersuchung gibt schnell Klarheit darüber, ob Sie erhöhte Harnsäurewerte haben. Vor der Blutentnahme müssen Sie einige Verhaltenshinweise beachten. So sollten Sie vorher:
- nüchtern sein, das heißt am Morgen vor der Untersuchung weder essen noch trinken,
- möglichst keinen oder wenig Alkohol getrunken haben,
- keine schweren körperliche Arbeiten durchführen
- keine großen Mengen Fleisch gegessen haben.
Neben dem Harnsäurespiegel können auch erhöhte Entzündungs- sowie veränderte Leber– und Nierenwerte im Blut auf eine Gicht hinweisen. Zusätzlich zu den Blutwerten und der Anamnese schaut sich Ihr Arzt die betroffenen Gelenke an: Funktionieren sie? Gibt es sichtbare Schwellungen? Haben Sie Schmerzen?
Klinische Gichtkriterien
Es gibt bestimmte Kriterien, die erfüllt werden müssen, damit von einer Gichterkrankung gesprochen werden kann. Erfüllen Sie mindestens vier der acht klinischen Gichtkriterien, haben Sie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit Gicht. Die Kriterien sind die Folgenden:
- Aufkommen nach einer Attacke einer akuten Arthritis
- Auftreten einer oder mehrerer Entzündungen am Gelenk (sog. ‚Monarthritis‘ oder ‚Oligoarthritis‘)
- plötzliches Auftreten der Schmerzen und Abklingen innerhalb von 24 Stunden
- Podagra
- Hautrötungen über das Gelenk hinaus
- Auftreten einer Tarsitis
- Auftreten eines Tophus
- Hyperurikämie
In der Regel reichen die Ergebnisse der Anamnese, der Blutuntersuchung und der Untersuchung der betroffenen Gelenke für die Diagnose aus.
Weitere Untersuchungsmethoden
Gerade bei einer möglichen chronischen Gicht bieten sich weitere Diagnosemethoden an. Eine Möglichkeit ist die sog. ‚Gelenkpunktion‘ mit einer daran angeschlossenen Synovialanalyse. Was passiert hier? Im Rahmen dieser Behandlung durchsticht der behandelnde Arzt die betroffene Gelenkkapsel mittels einer Kanüle, um Gelenkflüssigkeit (sog. ‚Synovia‘) zu entnehmen. Diese Gelenkflüssigkeit kann dann im Labor auf auffällige Werte hin untersucht werden. Mögliche Indikatoren für eine Gichterkrankung sind eine erhöhte Zahl weißer Blutkörperchen (sog. ‚Leukozytose‘) sowie Harnsäurekristalle.
Abhilfe können auch bildgebende Verfahren schaffen. Techniken wie Röntgen oder Sonografie ermöglichen Gelenkschädigungen darzustellen. Dies ist vor allem bei chronischer Gicht von Bedeutung. In der Regel greift Ihr Arzt zu dieser Methode, wenn eine Gelenkpunktion nicht möglich ist.
Die Radiologie ist ein medizinisches Feld, das viele verschiedene Verfahren umfasst, die einen Einblick in den Körper ermöglichen. Doch was unterscheidet ein MRT von einer Röntgen-Aufnahme? Was hat Strahlung damit zu tun? Und: Was macht eigentlich ein Radiologe? Dr. Tobias Weigl gibt einen Einblick – im Gespräch mit dem Radiologen Dr. Karl-Heinz Scholaut.
Mehr Informationen finden Sie auch in den folgenden Artikel auf unserer Seite:
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Bei der Behandlung einer Gicht wird zunächst die Linderung der Symptome der akuten Gicht angestrebt. Hierfür setzen Ärzte in der Regel Medikamente ein. Langfristig muss aber der Harnsäurewert im Blut reduziert werden. Nur so kann man weiteren Ablagerungen an Gelenken und einer Chronifizeriung der Krankheit vorbeugen.
Medikamente bei Gicht
Bei einem akuten Gichtanfall sollten möglichst frühzeitig Medikamente eingesetzt werden. Es ist wichtig, dass diese auch nach dem Abklingen der Symptome weiter eingenommen werden. In der Regel verschreibt der Arzt Medikamente wie sog. nicht-steroidale Antirheumatika (kurz: NSAR), bspw. Naproxen, Diclofenac und Ibuprofen, oder Glucocorticoide (konkret: Prednisolon). Bei einem schweren Schub bzw. einer Beteiligung mehrere Gelenke, ist eine Kombination beider Medikamentengruppen möglich. Da beide auf den Magen schlagen, sollten Sie zudem ein Mittel wie bspw. Pantoprazol als Magenschutz einnehmen.
Die Einnahme von Schmerzmitteln bei einem akuten Gichtanfall ist sehr sinnvoll, um schnell Linderung zu verschaffen. Hier ist die Wahl des richtigen Medikamentes allerdings ungemein wichtig! Bitte nehmen Sie kein Aspirin (also Acetylsalicylsäure – kurz ASS) oder andere Salicylate ein! Diese vermindern nämlich die Ausscheidung der Harnsäure über die Nieren. Besser: die oben erwähnten NSARs wie Naproxen, Diclofenac oder Ibuprofen.
Schlagen beide Arzneimittel nicht an, erhalten Sie – in niedriger Dosis – das sog. Colchicin, ein Wirkstoff, der aus der Herbstzeitlosen bekannt ist. Allerdings löst gerade Colchicin verschiedene Nebenwirkungen aus. Dazu gehören:
- schwerer Durchfall
- Schädigung von Nerven (sog. ‚Nephrotoxizität‘)
Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac werden nicht nur bei Gicht eingesetzt. Doch sind diese Medikamente wirklich so harmlos? Was zeichnet sie aus? Dr. Tobias Weigl macht den Medikamenten-Check und stellt Ihnen die beiden Arzneimittel im Vergleich vor!
Langfristige Gichttherapie
Ist ein akuter Schub therapiert worden, verschiebt sich der Fokus auf die langfristige Therapie der Gicht bzw. des ausschlaggebenden erhöhten Harnsäurewertes. Hierfür setzen Mediziner ebenfalls vorwiegend Medikamente ein. Der Beginn der Medikation liegt mindestens zwei Wochen nach dem ersten Gichtanfall. Hierbei kommen sog. ‚Urikostatika‘ wie Allopurinol zum Einsatz. Diese hemmen die Produktion von Harnsäure und befördern darüber die Ausscheidung der weniger problematischen Zwischenprodukte der Harnsäuresynthese.
Sog. ‚Urikosurika‘ dagegen sorgen dafür, dass Harnsäure vermehrt über die Niere ausgeschieden wird. Zu dieser Medikamentengruppe gehören Arzneistoffe wie Benzbromaron oder Sulfinpyrazon. In vielen Fällen erhalten Patienten eine Kombination aus beiden Präparaten. Die letztendliche Dosis hängt von ihren Harnsäurewerten und ihrer Nierenfunktion ab.
Aktuelles aus der Forschung
Ein weiteres Urikostatikum, das (bisher) gerne eingesetzt wurde, ist Febuxostat. Auch Febuxostat soll die Harnsäuresynthese einschränken. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat das Medikament im Februar 2019 heruntergestuft. Der Arzneimittelhersteller musste eine randomisierte Studie mit über 6.000 Probanden mit kardiovaskulären Vorerkrankungen durchführen. Diese ergab, dass die Wahrscheinlichkeit, an der Herzerkrankung zu sterben, mit der Einnahme von Febuxostat steigt. Die Ursache für diese erhöhte Gesamtsterblichkeit ist noch nicht klar. Die US-Behörde weist nun darauf hin, Febuxostat nur bei Unverträglichkeit von Allopurinol zu verschreiben. Auch in Deutschland wird davon abgeraten, Patienten mit bspw. einer Herzinsuffizienz Febuxostat zu verschreiben.
Quelle: FDA (2019): FDA adds Boxed Warning for increased risk of death with gout medicine Uloric (febuxostat).
Lebensstil anpassen
Bei viele Menschen führt eine unausgewogene Ernährung zu erhöhten Harnsäure-Blutwerten und damit einer Gicht. Eine alleinige Behandlung über Medikamente ist deswegen nur symptomatisch: Die eigentliche Ursache für den zu hohen Harnsäurespiegel müssen Sie ebenfalls anpacken.
Um grundsätzlich mehr Harnsäure auszuscheiden als zu produzieren, ist eine purinarme Ernährung sinnvoll. Während Lebensmittel auf pflanzlicher Basis sowie Milchprodukte purinarm und somit förderlich sind, sollten Sie den Verzehr von Fleisch oder Innereien einschränken. Auf diese Weise können Sie die Harnsäureaufnahme auf 300 bis 500 mg pro Tag beschränken.
Neben der Ernährung spielt auch das Gewicht – konkret: Übergewicht – eine Rolle bei der Erhöhung des Harnsäurespiegels. Übergewicht kann grundsätzlich die Entstehung verschiedener Stoffwechselerkrankungen fördern.
Fakten-Box – Gicht
- Stoffwechselerkrankung
- Frauen:Männer – 1:10
- Häufigkeit steigt mit zunehmenden Alter
- Unterscheidung zwischen akuter und chronischer Gicht, erstere allerdings häufiger
- Unterscheidung zwischen primärer (genetische Gründe) und sekundärer Gicht (externe Gründe wie bspw. Ernährung)
Symptome bei akuter Gicht
- Entzündung des Gelenks mit Schmerzen, Schwellung und Rötung
- Ergussbildung
- relativ schnelles Abklingen
Symptome bei chronischer Gicht
- wiederkehrende Gichtanfälle mit Gelenkszerstörung
- Gichttophi bspw. an Knochen oder Weichteilen
- Fieber
Häufige Patientenfragen
Was kann ich bei einem akuten Gichtanfall machen?
Dr. T. Weigl:
Ein akuter Gichtanfall kann schmerzhaft sein. Tatsächlich gibt es aber einige Dinge, die Sie machen können, um den Leidensdruck zu lindern. Kühlen Sie das schmerzende Gelenk, bspw. mit einem Kühlpack. Auch eine große Wasserzufuhr hilft: Trinken Sie also viel. Bei unangenehmen Schmerzen kann auch eine leichte Schmerztablette Linderung verschaffen. Lagern Sie das Gelenk hoch. Wichtig ist, dass Sie bei einem akuten Anfall möglichst rasch Ihren behandelnden Arzt aufsuchen.
Und wie kann ich Gicht grundsätzlich vorbeugen?
Dr. T. Weigl:
Eine Gicht ist die Folge einer erhöhten Harnsäurekonzentration im Körper. Es ist also wichtig, diese im normalen Bereich zu halten. Mittels einfacher Verhaltensregeln im Alltag können Sie einem erhöhten Harnsäurespiegel und damit der Gicht vorbeugen. Zwei Bereiche bieten sich zu diesem Zweck an: Ernährung und Bewegung. So sollten Sie bei erhöhten Harnsäurewerten tierische Produkte wie Fleisch oder Fisch, aber auch Hülsenfrüchte und bestimmte Pilze vermeiden. Diese enthalten Purine, die den Harnsäurespiegel ansteigen lassen. Essen Sie doch tierische Lebensmitten, sollten Sie die Haut von Fleisch, Fisch und Geflügel entfernen! Auch Bewegung hilft bei der Vorbeugung. Eine purinarme Ernährung ist vor allem dann angebracht, wenn Gichterkrankungen in der Familie bekannt sind: Es könnte eine entsprechende erbliche Prädisposition existieren.
Sind Sie übergewichtig? Dann sollten Sie Ihr Gewicht reduzieren, da dieses einen hohen Harnsäurewert befördert.
Übergewicht gehört zu den Wohlstandskrankheiten unserer Gesellschaft und kommt nicht selten vor. Allerdings bringt Übergewicht eine Reihe negativer Folgen mit sich: erhöhter Bluthochdruck, höhere Entzündungswahrscheinlichkeit und erhöhte Cholesterinwerte. Doch was steckt dahinter? Und wie kann ich Gewicht reduzieren? Dr. Tobias Weigl klärt die wichtigsten Fragen rund um das Thema in seinem Video!
Woran merke ich, dass ich erhöhte Harnsäurewerte habe?
Dr. T. Weigl:
Leider bemerken viele Betroffene erst bei dem ersten akuten Gichtschub, dass ihr Harnsäurespiegel zu hoch ist. Zumeist kommt ein erhöhter Harnsäurewert bei Routineuntersuchungen des Blutes heraus. Um spätere Gichterkrankungen zu vermeiden, sollten Sie mindestens zweimal im Jahr Ihre Blut- und Harnsäurewerte überprüfen lassen!
Verwandte Themen
- Harnsäure und Hyperurikämie – Harnsäure reduzieren durch Ernährung
- Fettstoffwechselstörung (Dyslipidämie) – Ursachen | Folgeerkrankungen | Therapie
- Blut – Aufgaben & Funktion von Blut
- Koronare Herzkrankheit – Symptome | Diagnose | Therapie
- Herzinfarkt – Anzeichen, Ursachen, Diagnose & Therapie
- Angina pectoris / Brustenge: Ursachen, Beschwerde, Therapie
- Nierenwerte – Was Kreatinin, Harnstoff und Urin über die Nierenfunktion aussagen
- Schmerzen im Handgelenk – So besiegen Sie die Schmerzen
- Schleifendiuretikum Furosemid gegen Bluthochdruck & Ödeme – Dosierung & Nebenwirkungen
- Wohlstandskrankheit Metabolisches Syndrom
- Leberwerte – GPT (ALT), GOT (AST) und Gamma-GT richtig interpretieren
- Arcoxia (Wirkstoff Etoricoxib) – Wirkung & Nebenwirkungen | Alternative zu Ibuprofen & Diclofenac?
- Rheumatoide Arthritis bzw. Rheuma – Ursachen, Symptome und Behandlung
- Diclofenac (Voltaren, Diclac) bei Fieber und Entzündungen – Wirkung, Dosierung & Nebenwirkungen
- Ibuprofen (Ibuflam, Ibu): Wirkung, Dosierung & Nebenwirkungen
- Gicht und Ernährung – kein Zucker, kein Alkohol als Mittel gegen Gicht?
Haben auch Sie Erfahrungen mit Gicht? Haben Sie Fragen zum Thema? Nutzen Sie unsere Kommentarfunktion unten für den Austausch untereinander und mit uns!
Autoren: Dr. Dr. Tobias Weigl, Andrea Lorenz
Lektorat: Arlen-Celina Lücke
Veröffentlicht: 27.05.2019
Quellen
- Rieke H.E. Alten und Bernhard Manger (2016): Gicht. Der aktuelle Wissensstand zu Ätiologie, Pathogene, Diagnostik, Klinik und Therapie. De Gruyter, Berlin/Boston.
- Robert M. Bachmann und Birgit Kofler-Bettschart (2005): Säure-Basen-Therapie: So hilft sie mir bei Gicht. Die optimale Ernährung im Alltag – die besten Rezepte zum Ausprobieren. Trias-Verlag, Stuttgart.
- Deutsches Ärzteblatt (2019): Febuxostat erhöht Sterberisiko: FDA warnt vor Gichtmittel.
- Deutsches Ärzteblatt (2018): Gene für die Entwicklung der Gicht wichtiger als gedacht.
- FDA (2019): FDA adds Boxed Warning for increased risk of death with gout medicine Uloric (febuxostat).
- Lemmer und Brune (2004): Pharmakotherapie. Klinische Pharmakologie. 12. Überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg/Berlin.
- Sven-David Müller-Nothmann und Christiane Weißenberger (2006): Ernährungsratgeber Gicht – Genießen erlaubt. Schlütersche-Verlag, Hannover.
- Edeltraud Hund-Wissner und Günther Wolfram (2006): Köstlich essen bei Gicht. Trias-Verlag, Stuttgart.
Was denkst Du?