Auf einen Blick – Longevity
8 Faktoren, u. a.
- Rauchverzicht
- ausgewogene Ernährung
- körperliche Aktivität
- wenig Stress/guter Umgang mit Stress
kein strenger Verzicht nötig
- es kommt auf das große Ganze an
- einzelne „Sünden“ fallen kaum ins Gewicht
- gesunde Routinen und Gewohnheiten sind entscheidend
Fantasien von einem langen Leben, vielleicht sogar einem unendlichen Leben sind wohl schon so alt, wie die Menschheit selbst. Die moderne Altersforschung läuft auf Hochtouren und während sich ein kleiner Teil der Forschung mit Themen wie Unsterblichkeit auseinandersetzt, verfolgt der Großteil der Altersforschung das Ziel, dass Sie möglichst lange möglichst gesund leben können. Konkret heißt das, dass Sie z. B. mit 80 Jahren noch so mobil und fit wären, wie mit 40 Jahren.
Eine aktuelle Studie von 2023 konnte 8 Lifestyle-Faktoren identifizieren, die dazu beitragen können. Gleichzeitig liest und hört man in den letzten Jahren immer wieder von Nährstoffen, Supplements, Medikamenten & Co, die angeblich ohne großen Aufwand einen ähnlichen Effekt haben sollen. Doch kann sowas wirklich möglich sein? Warum altern wir überhaupt? Und was kann jeder von uns tun, um lange und gesund zu leben? Das und mehr klären wir im folgenden Artikel.
Eine gute Nährstoffversorgung ist entscheidend für ein langes, gesundes Leben. Wenn Sie mehr über nährstoffreiche Lebensmittel erfahren wollen, empfehlen wir Ihnen unseren Ratgeber: Die besten Lebensmittel. Erfolgreiche Ernährungsmuster für Muskelaufbau, Fitness und Abnehmen.
Wie altert unser Körper?
Im Grunde setzt der Alterungsprozess ein, sobald wir ausgewachsen sind. Als Ursache für Falten, brüchige Knochen und zunehmende Vergesslichkeit spielen Schäden an der Erbsubstanz, den Zellen und des Gewebes eine wichtige Rolle. Diese Schäden „häufen“ sich im Laufe der Zeit und können irgendwann nicht mehr repariert werden. Man hat in den letzten Jahrzehnten 12 sog. Kennzeichen des Alterns identifiziert. Sie beschreiben, was vermutlich den Alterungsprozess auf zellulärer und molekularer Ebene charakterisiert. Zu 3 dieser Kennzeichen gehören z. B.
- DNA-Schäden: Sie können etwa durch oxidativen Stress und UV-Strahlung verstärkt werden und bspw. zu einer verminderten Zellfunktion und einem erhöhten Risiko für Tumorbildung führen.
- Verkürzung der Chromosomen-Enden: Durch die kontinuierliche Zellteilung überall im Körper scheinen sich die Enden unserer Chromosomen zunehmend zu verkürzen. Irgendwann sind diese Enden, die sog. Telomere, so kurz, dass sich die Zelle nicht weiter teilen kann und abstirbt.
- Alterung unserer Stammzellen: Unsere Stammzellen scheinen ebenfalls zu altern und tlw. verloren zu gehen, sodass die angeschlagenen, alternden Körperzellen irgendwann nicht mehr ersetzt werden können.
12 Kennzeichen des Alterns
- 1. genomische Instabilität
- 2. Verschleiß der Telomere
- 3. epigenetische Veränderungen
- 4. Verlust der Proteostase
- 5. gestörte Wahrnehmung von Nährstoffen
- 6. mitochondriale Fehlfunktion
- 7. zelluläre Seneszenz
- 8. Erschöpfung der Stammzellen
- 9. veränderte Zellkommunikation
- 10. beeinträchtigte Autophagie
- 11. chronische Entzündungen
- 12. gestörte Darmflora
Lange leben: Warum altern wir überhaupt?
Was haben all diese Veränderungen für einen Sinn oder Nutzen? Diese Frage lässt sich leider nicht zu 100 % beantworten. Es gibt unzählige Hypothesen und Anhaltspunkte: Aus evolutionsbiologischer Sicht wird z. B. oft argumentiert, dass wir – harsch ausgedrückt –, nach dem fortpflanzungsfähigen Alter unseren Nutzen für die Gattung verlieren und durch Alterung und Tod Platz für eine neue, anpassungsfähigere Generation machen. Andere Hypothesen gehen eher in die Richtung, dass Alterung überhaupt keinen konkreten „Nutzen“ hat, sondern einfach ein Nebeneffekt der Summe von inneren und äußeren Einflüssen auf den Körper ist.
Unabhängig von der Ursache ist aber klar: Wir können dem physiologischen Alterungsprozess nicht einfach so entkommen. Bestimmt beobachten Sie andererseits aber im Umfeld auch, dass es große Unterschiede gibt, wie schnell und v. a. gesund Menschen altern. Man geht davon aus, dass sie Gene beim Menschen zu. ca. 20–30 % Einfluss auf den individuellen Alterungsprozess haben. Jetzt aber die gute Nachricht: Einen entscheidenden Einfluss nehmen aber v. a. auch äußere Faktoren, die wir mitbeeinflussen können.
Wie kann ich lange und gesund leben?
Dass wir durch einen gesunden Lebensstil Einfluss auf unsere Gesundheit und ggf. auch Lebenserwartung nehmen können, ist mit Sicherheit für die wenigsten eine Überraschung. Wie groß dieser Einfluss aber tatsächlich ist, wurde in einer großen US-amerikanischen Studie von 2023 untersucht und die Zahl überrascht dann doch: Das Forschungsteam kam zu dem Schluss, dass unser Lebensstil die individuelle Lebenserwartung um mehr als 20 Jahre beeinflussen kann – sowohl negativ als auch positiv. In der Studie wurden dafür Daten von mehr als 700.000 US-Veteranen über einen Zeitraum von 8 Jahren erhoben. Dadurch konnten 8 Lebensstilfaktoren identifiziert werden, die das Sterberisiko bzw. die Langlebigkeit der Teilnehmenden signifikant beeinflussen konnten. Dazu gehören:
- 1. eine gute Schlafhygiene
- 2. eine ausgewogene Ernährung
- 3. wenig Stress
- 4. stabile soziale Beziehungen
- 5. keine regelmäßigen Alkohlexzesse
- 6. Rauchverzicht
- 7. körperliche Aktivität
- 8. keine Opioid-Abhängigkeit
Besonders die letzten drei Faktoren seien laut der Studie besonders relevant, weil Sie signifikant das Risiko für zahlreiche Erkrankungen wie Diabetes, Osteoporose, verschiedene Krebsarten und Lungen- und Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöhen.
Das Forscherteam kam zu dem Schluss, dass eine 40-jährige Person Ihre Lebenserwartung um über 20 Jahre steigern kann, wenn sie alle 8 Lebensstilfaktoren umsetzt. Doch auch zumindest einige dieser Faktoren zu berücksichtigen, scheint sich positiv auf die Lebenserwartung auszuwirken.
Länger leben ohne strengen Verzicht
Gesund leben, einen gesunden Lebensstil pflegen, sich besser ernähren: Das klingt alles schnell abgedroschen, mühselig und langeweilig. Damit ist aber kein völliger Verzicht gemeint: Sie können gerne etwas Schokolade essen, hin und wieder ein Glas Rotwein genießen oder das Wochenende auf dem Sofa verbringen.
Entscheidend ist, dass Sie den überwiegenden Teil Ihrer Zeit aktiv bleiben und auf Ihre Ernährung achten. Gelegentliche Ausnahmen spielen für das große Ganze Ihrer Gesundheit keine große Rolle – Sie sollen schließlich Ihr Leben genießen! Und nur Mut: Auch wer erst im fortgeschrittenen Alter den Lebensstil anpasst, kann damit noch in reduzierter Form positiv auf die Lebenserwartung und insbesondere die Lebensqualität einwirken.
Natürlich bedeutet das nicht, dass Sie bei einem gesunden Lebensstil keine Krankheiten bekommen oder Alterswehwehchen auftreten können. Davor gibt es keinen 100 %igen Schutz, manchmal kann man leider einfach auch Pech haben. Auch wenn Sie sich immer gesund ernähren, sich ausreichend bewegen und gut schlafen, können Sie leider trotzdem z. B. an Krebs erkranken.
Dennoch haben Sie es in der Hand, die Wahrscheinlichkeit für ein gesundes langes Leben entscheidend zu beeinflussen. Sie sehen auch hier wieder, dass es weniger um die reine Verlängerung der Lebenszeit geht, sondern v. a. darum, dass Sie lange eine hohe Lebensqualität haben.
Lange leben oder sogar für immer? Hype um Supplemente und Medikamente
Wie nah ist er, der Traum vom ewigen Leben? Besonders viel Hoffnung wurde in den vergangenen Jahren in das Diabetes-Mittel Metformin und das Immunsuppressivum Rapamycin gesteckt. Beide Medikamente scheinen neben ihren eigentlichen Einsatzgebieten gewisse verjüngende Effekte auf Körper und Geist haben zu können.
Das Problem: Auf Dauer und in der notwendigen Dosierung muss man derzeit von starken Nebenwirkungen ausgehen. Die Forschung zu diesen Medikamenten läuft allerdings weiter, derzeit sind verjüngende Medikamente aber noch Zukunftsmusik. Und nicht nur Medikamente, sondern v. a. Supplemente sollen wahre Jungbrunnen sein, zumindest, wenn man der Werbung glaubt. Ob Coenzym Q10, Spermidin oder der neueste Trend NMN – körperliche und geistige Alterserscheinungen sollen damit der Vergangenheit angehören.
Während Supplemente für bestimmte Risikogruppen und bei nachweislichen Nährstoffmängeln auf jeden Fall ihre Berechtigung haben, gibt es bisher noch keine ausreichenden Belege dafür, dass eine Supplement-Einnahme alleine einen signifikant verjüngenden oder lebensverlängernden Effekt haben kann.
Forschung für ein langes Leben läuft auf Hochtouren
Auch abseits von Medikamenten läuft die Forschung zu Verjüngung z. B. per Stammzellentherapie, Blut- und Darmflora-Transplantation oder Gen-Programmierung auf Hochtouren. Das Gros dieser Untersuchungen sind aber Tierstudien, am Menschen sind diese Methoden noch nicht ausreichend erprobt worden. Einige Forscher gehen aber davon aus, dass man so in Zukunft die Lebens- und Gesundheitsspanne von Menschen um ein paar gesunde Jahre bis Jahrzehnte verlängern können wird. Bisher sind das aber lediglich Hypothesen; was davon bleibt, können wir erst in den nächsten Jahren und Jahrzehnten genauer sagen. Das Altern gänzlich aufzuhalten oder ein biblisches Alter von ein paar hundert Jahren zu erreichen, gilt momentan aber als recht unwahrscheinlich. Es bleibt also erstmal dabei, die derzeit einzige, sichere und nebenwirkungsfreie Methode ist ein gesunder Lebensstil mit ausgewogenem Ernährungsmuster und v. a. ausreichender Bewegung.
„Wichtig sind die Basics: ein guter Umgang mit Stress, eine nährstoffreiche Ernährung und viel Bewegung – das können Superfoods, Supplemente und angebliche Wundermittel nicht ersetzen.“ — Dr. Dr. Tobias Weigl
Häufige Patientenfragen
Mir fällt es schwer, gesunde Routine aufzubauen. Was kann ich tun?
Dr. Dr. T. Weigl
Das Wichtigste ist, dass Sie sich selbst nicht überfordern. Schreiben Sie ein konkretes Ziel auf und überlegen Sie, mit welchen Maßnahmen Sie diesem Ziel näherkommen können. Diese Maßnahmen sollten kleinschrittig sein: Sie wollen z. B. Gewicht verlieren? Dann bauen Sie täglich nach der Arbeit einen 10-minütigen Spaziergang ein, setzen das einige Wochen um und wenn der Spaziergang zur Routine geworden ist, ergänzen Sie eine weitere Handlung, die zu Ihrem Ziel passt. Schritt für Schritt nähern Sie sich so Ihrem Ziel, idealerweise ohne Stress und Druck.
Kann ich eine „schlechte“ Ernährung durch Sport ausgleichen?
Dr. Dr. T. Weigl
Nein, das geht leider nicht. Sie können „zu viele“ Kalorien durch sehr viel Sport und Bewegung zwar ausgleichen, die notwendigen Nährstoffe, Ballaststoffe u. v. m. erhalten Sie so aber nicht; ebenso wird eine erhöhte Zufuhr von Zucker und „schlechten“ Fetten durch Sport nicht ausgeglichen. Letztlich ist Ernährung für Ihre Gesundheit der wichtigste Baustein, um lange zu leben.
Ich nehme regelmäßig Schmerzmedikamente – worauf sollte ich achten, um lange leben zu können?
Dr. Dr. T. Weigl
Rezeptfreie Schmerzmedikamente wie Ibuprofen, Paracetamol und Co. sind alles andere als „Smarties“. Es sind wirksame Arzneistoffe mit potenziellen unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Halten Sie sich an die sogenannte „Zehner-Regel“: Nehmen Sie nicht öfter als an zehn Tagen im Monat Schmerztabletten zu sich. Ein übermäßiger Gebrauch kann z. B. Ihren Nieren schaden. Wenn Sie an chronischen Schmerzen leiden und in Ihrem Alltag mehr oder weniger auf Schmerzmittel angewiesen sind, sollten Sie festhalten, wann Sie die Medikamente nehmen. Überlegen Sie (auch mit ärztlicher Unterstützung), ob und wie Sie Ihre Schmerzen ggf. ohne Medikamente lindern können.
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Autor: Dr. Dr. Tobias Weigl, Clara Spottke, Sebastian Mittelberg
Veröffentlicht am: 03.12.2024
Quellen
- Gesa Gnegel (2023): Gesunder Lebensstil führt zu längerem Leben, in: deutsche-apotheker-zeitung.de.
- Ibrahim Mohammend et al. (2021): A Critical Review of the Evidence That Metformin Is a Putative Anti-Aging Drug That Enhances Healthspan and Extends Lifespan, in: Frontiers in Endocrinology 12, S. 718942.
- Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns (Hg.) (2023): Wie altern wir? Die Kennzeichen des Alterns, in: age.mpg.de.
- Statistisches Bundesamt (Hg.): Entwicklung der Lebenserwartung in Deutschland seit 1871/1881, in: destatis.de.
- Xuan-Mai T. Nguyen et al. (2024): Impact of 8 lifestyle factors on mortality and life expectancy among United States veterans: The Million Veteran Program, in: The American Journal of Clinical Nutrition 119/1, S. 127–135.
- Yan Zhang et al. (2021): Ageing Research Reviews 70, S. 101376.
Moises Ward
12.12.2024 22:54This is such a comprehensive overview of the topic. I especially liked how you included practical applications alongside the theoretical concepts. Very well done!