Auf einen Blick – Gehirnerschütterung
Was ist eine Gehirnerschütterung?
- die leichteste Form des Schädel-Hirn-Traumas
- tritt nach einer traumatischen Kopfverletzung (Unfall, Sturz) auf
- rund 30 von 10.000 Menschen pro Jahr in Deutschland sind betroffen
Wer bekommt eine Gehirnerschütterung?
- Unfallopfer
- Kinder beim Spielen
- alte Menschen nach einem Sturz
Symptome (Auszug)
- Übelkeit
- Kopfschmerzen
- Verwirrtheit und Müdigkeit
Behandlung (Auszug)
- Ruhe: das Gehirn muss sich regenerieren
- Verzicht auf Sport
- gegebenenfalls Schmerzmittel gegen die Symptome
Tipps
- wenn Ihr Kind auf den Kopf gefallen ist, dann beobachten Sie es genau: Bei Kindern äußern sich die Symptome oft verzögert
- vermeiden Sie bei einer Gehirnerschütterung körperliche und auch geistige Anstrengung: Fernsehen oder Lesen könnte zu anstrengend sein
- bei Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma bei einer anderen Person: Rettungsdienst verständigen
Von Medizinern geprüft und nach besten wissenschaftlichen Standards verfasst
Dieser Text wurde gemäß medizinischer Fachliteratur, aktuellen Leitlinien und Studien erstellt und von einem Mediziner vor Veröffentlichung geprüft.
Quellen ansehenWarum fragen Notärzte oder Sanitäter den Unfallpatienten eigentlich ob er weiß, wo er wohnt? Was hat dies mit einer zielgerichteten Behandlung zu tun? Solche Fragen dienen nicht nur zu Informationszwecken. Damit testet man vor allem den Allgemeinzustand des Patienten und findet heraus, ob er bei vollem Bewusstsein ist und ob eine Gehirnerschütterung vorliegt.
Die Gründe für eine Gehirnerschütterung sind vielfältig: Kinder stürzen beim Spielen vom Klettergerüst, Profisportler stoßen mit den Köpfen zusammen, ein Radfahrer erleidet einen Verkehrsunfall oder eine ältere Person stürzt ungeschickt. Man fasst dies unter dem Begriff ‚traumatisches Ereignis‘ zusammen.
Patienten mit einer Gehirnerschütterung sollten sich auf jeden Fall ein paar Tage lang schonen. Denn das Gehirn muss sich erholen und regenerieren. Körperliche Anstrengung beim Sport sollten Sie vermeiden. Auch geistige Anstrengung kann den Heilungsprozess stören. Daher sollten Patienten mit Gehirnerschütterung zunächst ebenfalls auf die Unterhaltung durch Fernsehen verzichten.
In diesem Artikel erfahren Sie mehr dazu, welche Symptome auf eine Gehirnerschütterung hindeuten und was der Arzt im Fall einer Gehirnerschütterung tun kann.
Was ist eine Gehirnerschütterung?
Eine Gehirnerschütterung ist ein leichtgradiges Schädel-Hirn-Trauma (kurz SHT). Sie tritt nach einem den Kopf schädigenden (sog. ‚traumatischen‘) Ereignis auf. Ein derartiges Trauma hat vielerlei Ursachen, zum Beispiel kann ein Fahrradunfall oder ein heftiger Sturz der Auslöser sein.
Das Gehirn ist im Schädel von Flüssigkeit umgeben (sog. ‚Liquor‘). Es schwimmt also normalerweise und berührt den Schädelknochen nicht. Diese Art der Lagerung schützt das Gehirn. Bei einem Unfall oder einem heftigen Schlag auf den Kopf stößt das Gehirn am Schädelknochen an. Diese ruckartige, kräftige Berührung kann die Gehirnerschütterung verursachen.
Eine Gehirnerschütterung tritt recht häufig auf
Pro Jahr erleiden in Deutschland rund 33 von 10.000 Menschen ein Schädel-Hirn-Trauma. In rund 90% der Fälle handelt es sich um ein leichtgradiges Schädel-Hirn-Trauma, also eine Gehirnerschütterung. Auch wenn man die Erscheinung als ‚leichtgradig‘ bezeichnet, treten bei den meisten Patienten unangenehme Symptome auf. Beispiel sind Übelkeit, Schwindel und Verwirrtheit.
Schwindel ist ein mögliches Symptom einer Gehirnerschütterung. Es gibt jedoch noch weitaus mehr Ursachen für den lästigen Schwindel. In diesem Video erklärt Ihnen Dr. Dr. Tobias Weigl, woher Schwindel kommt und was man dagegen tun kann.
Die Symptome: Welche Beschwerden verursacht eine Gehirnerschütterung?
Die typischen akuten Beschwerden bei einer Gehirnerschütterung äußern sich bei den Patienten in unterschiedlicher Schwere. Die Dauer der Symptome ist ebenfalls individuell verschieden. Als Faustregel gilt, dass innerhalb von ein paar Tagen bis zu einer Woche eine deutliche Besserung beziehungsweise Symptomfreiheit eintritt. Möglicherweise auftretenden Symptome sind:
- Schwindel
- diffuser Kopfschmerz
- Schlafstörungen (zum Beispiel eine Durchschlafstörung)
- Übelkeit und Erbrechen
- schnelle Ermüdung
- Verwirrtheit
- Bewusstseinsstörung (zum Beispiel apathisches Verhalten, Schläfrigkeit)
- Wahrnehmungsstörung (zum Beispiel Zeitgefühl, Sehstörungen, erhöhte Geräusch- oder Lichtempfindlichkeit)
Video-Exkurs: Was tun bei Übelkeit?
Übelkeit und Erbrechen treten oft zusammen auf. Häufig begleiten sie auch weitere Symptome wie Bauchschmerzen. Die beiden Symptome können auf sehr viele Erkrankungen hindeuten.
In diesem Video erklärt Arzt und Schmerzforscher Dr. Dr. Tobias Weigl, woher Übelkeit und Erbrechen möglicherweise kommen und wie man sie behandeln kann.
Das postkommotionelle Syndrom
Man spricht im Zusammenhang mit einer Gehirnerschütterung manchmal auch von einem sogenannten ‚postkommotionellen Syndrom‘. Bei dieser Symptomatik halten die Beschwerden der Gehirnerschütterung länger an: Die Symptome können bis zu einigen Wochen nach dem traumatischen Ereignis auftreten. Zumeist verringern sie sich stetig im Laufe der Zeit bis keine Symptome mehr vorhanden sind.
Weiteres Symptom: Erinnerungslücke
Die Erinnerungsfähigkeit an das traumatische Ereignis ist bei vielen Betroffenen beeinträchtigt. Die Erinnerungslücke umfasst meistens den Zeitraum kurz vor, während und nach dem Trauma beziehungsweise dem Unfall. Der Patient erinnert sich also oftmals nicht an den genauen Hergang des Geschehens.
Schadenersatzklagen aufgrund von Gehirnerschütterungen sind in den letzten Jahren üblich geworden – ehemalige Profisportler klagen gegen Sportvereinigungen. Beispiele sind Rechtsklagen von Spitzensportlern gegen die ‚National Hockey League‘ (kurz NHL) und die ‚National Football League‘ (kurz NFL) in den Vereinigten Staaten. Die Spieler klagen eine Entschädigung für ihren körperlichen Schaden aufgrund von Gehirnerschütterungen ein. Durch regelmäßige Kollisionen während der Spiele sind diese Sportler besonders anfällig für Gehirnerschütterungen.
Wer ist am ehesten betroffen?
Alle Altersgruppen und Geschlechter können eine Gehirnerschütterung erleiden. Sie tritt vor allem nach Unfällen auf – Menschen aller Altersgruppen können an Unfällen beteiligt sein. Denkbare Szenarien sind Verkehrsunfälle und Zusammenstöße oder Schläge beim Sport (zum Beispiel Eishockey, Boxen). Sportler in Risikosportarten sind natürlich gefährdeter als Menschen im Alltag. Bei Kindern folgt eine Gehirnerschütterung möglicherweise nach Stürzen von Klettergerüsten, beim Spielen oder Inlineskaten.
Ältere Menschen können eine Gehirnerschütterung erleiden, weil sie ungünstig fallen – zum Beispiel von der Treppe. Die möglicherweise verminderten koordinativen Fähigkeiten im Alter begünstigen Stürze und daraus resultierende Verletzungen. Beispiele für möglicherweise verminderte Koordinationsfähigkeiten sind eine Minderung des Gleichgewichtssinns oder zu langsame Bewegungen, um sich beim Stürzen abzufangen.
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose einer Gehirnerschütterung
Die Diagnostizierung einer Gehirnerschütterung erfolgt häufig bereits direkt am Unfallort. Der Arzt oder Rettungsdienst betrachtet zunächst die äußeren Verletzungen. Es ist jedoch ebenfalls wichtig festzustellen, ob ein Schädel-Hirn-Trauma vorliegt und –wenn ja – wie schwer dieses ist. Dies diagnostiziert man mit Hilfe einer festgelegten Skala.
Die Glasgow-Koma-Skala
Der Arzt oder Rettungssanitäter verwendet die Glasgow-Koma-Skala (auch engl. ‚Glasgow-Coma-Scale‘ oder ‚Komaskala‘ genannt), um die Gehirnerschütterung zu diagnostizieren. Man notiert sich hierbei anhand eines Punktesystems, wie die Reaktionen des Patienten sind und wie gut er bei Bewusstsein ist. Die untersuchten Kriterien sind:
- Augenöffnen
- verbale Reaktion
- motorische Reaktion
Nach der Einschätzung addiert man die Punkte, die der Patient im Test erhalten hat. Die maximale Punktanzahl, die ein Patient auf der Skala erreichen kann, beträgt 15. Das heißt, dass er bei vollem Bewusstsein ist und auf Ansprechen und alle weiteren Reize sehr gut reagiert. Man teilt ein Schädel-Hirn-Trauma generell in drei Schweregrade ein.
3 bis 8 Punkte: schweres SHT (Gehirnquetschung)
9 bis 12 Punkte: mittelschweres SHT (Gehirnprellung)
13 bis 15 Punkte: leichtgradiges SHT (Gehirnerschütterung)
Die unterstehende Tabelle zeigt, wie sich der Allgemeinzustand des Patienten anhand einer Punkteskala feststellen lässt.
Kriterium | Einstufung | Punktzahl |
---|---|---|
Augenöffnen | spontan geöffnet | 4 |
auf Ansprache oder lautes Rufen | 3 | |
auf Fingerspitzen-Stimulus (Druck) | 2 | |
Öffnen zu keiner Zeit, keine verfälschenden Einflüsse | 1 | |
beste Sprachantwort | korrekte Angabe von Namen, Ort und Datum (Patient gilt als ‚orientiert‘) | 5 |
desorientiert, aber verständliche Kommunikation (Patient gilt als ‚verwirrt‘) | 4 | |
verständliche Einzelwörter | 3 | |
nur Stöhnen, Ächzen (Laute) | 2 | |
keine hörbare Antwort und keine verfälschen Einflüsse | 1 | |
beste motorische Antwort (Arm bewegen) | befolgt zweiteilige Aufforderung | 6 |
bringt Hand über das Schlüsselbein über Kopf- /Hals-Stimulus | 5 | |
beugt den Arm schnell und sicher im Ellenbogen, normaler Bewegungsablauf | 4 | |
beugt den Arm nach Aufforderung; unnormaler Bewegungsablauf | 3 | |
streckt Arm im Ellenbogen | 2 | |
keine Bewegung von Armen und keine verfälschenden Einflüsse | 1 |
In Anlehnung an: Institute of Neurological Sciences NHS Greater Glasgow and Clyde (2015): Glasgow Coma Scale. Anleitung. In: www.glasgowcomaskale.org.
Diagnose in der Arztpraxis
Nicht jeder Patient mit Gehirnerschütterung wird direkt am Unfallort behandelt. In einigen Fällen sucht der Betroffene nachträglich aufgrund seiner Symptome eine Arztpraxis auf. Es ist wichtig, dem Arzt möglichst viele Information über den Unfallhergang zu erläutern. Nur so kann er auf die Schwere des Traumas schließen.
Weiterhin erfragt der Arzt die Schwere und Dauer der Symptome. Er führt nach dem Anamnesegespräch gegebenenfalls körperliche Untersuchungen mit dem Patienten durch.
Man spricht von einer Gehirnerschütterung (also einem leichtgradigen Schädel-Hirn-Trauma), wenn der Patient aufgrund des Unfalls weniger als 5 Minuten lang bewusstlos war. Bei einer Bewusstlosigkeit, die zwischen fünf und dreißig Minuten andauert, folgt hingegen zumeist ein mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma. Bei längerer Bewusstlosigkeit ein schweres SHT.
Andere Verletzungen ausschließen
Gegebenenfalls untersucht der Arzt im Rahmen der Diagnosestellung, ob weitere Verletzungen vorliegen. Diese könnten zum Beispiel eine unfallbedingte Schädelprellung, ein Schädelbasisbruch oder eine Gehirnblutung sein. Solche Verletzungen gehen allerdings eher mit einem mittelschweren bis schweren Schädel-Hirn-Trauma einher. Da eine Gehirnerschütterung ein leichtgradiges Trauma ist, geht sie eher mit weniger schweren Verletzungen einher.
Fakten-Box
Gehirnerschütterung
- leichteste Form des Schädel-Hirn-Traumas
- tritt vor allem nach Unfällen auf
- mögliche Auslöser: Zusammenstoß beim Sport, Verkehrsunfall
Mögliche Symptome
- Übelkeit
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit
- Verwirrtheit
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung einer Gehirnerschütterung
Eine Gehirnerschütterung muss in vielen Fällen nicht vom Arzt behandelt werden. Was das Gehirn allerdings am meisten benötigt, ist Ruhe. Möglicherweise erfolgen die ersten Stunden nach dem traumatischen Ereignis unter ärztlicher Aufsicht. Liegen keine weiteren behandlungswürdigen Verletzungen vor, entlässt der Arzt den Patienten nach Hause.
„Bei einer Gehirnerschütterung reicht oft Ruhe als Therapie aus. Dies sollte jedoch sicherheitshalber ein Arzt entscheiden – eine professionelle Diagnose ist daher Pflicht.“ — Dr. Dr. Tobias Weigl Share on XIn den Tagen nach dem Unfall ist es sehr wichtig, dass man sich gut ausruht. Hierzu gehört das Vermeiden von Arbeit, Sport und körperlich anstrengenden Aktivitäten im Allgemeinen. Auch geistige Aktivitäten wie langes Lesen oder Fernsehen sind nicht ratsam. Denn das Gehirn muss sich erholen: Je mehr Reize es erhält, desto langsamer geht der Erholungsprozess von Statten.
Medikamente unterstützen das Wohlbefinden
Um den Symptomen einer Gehirnerschütterung entgegenzuwirken, kann der Arzt Medikamente verordnen, zum Beispiel Paracetamol oder Ibuprofen gegen die Kopfschmerzen. Gegen Übelkeit hilft zum Beispiel ein Antihistaminikum Dimenhydrinat (Handelsname ‚Vomex‘) oder Metoclopramid (kurz MCP). Die Einnahme von Medikamenten – auch frei verkäuflichen – sollte immer mit dem Arzt abgesprochen werden.
Aktuelle Forschung – Führt Gehirnerschütterung zu Impotenz?
Bereits viele Studien haben die Langzeiteffekte einer Gehirnerschütterung erfasst. Immer wieder finden Wissenschaftler neue Zusammenhänge. In einer aktuellen Übersichtsstudie hat Prof. Peter Leiner Forschungsergebnisse zum Thema Gehirnerschütterung und Impotenz zusammengefasst.
Mindert eine Gehirnerschütterung den Testosteronspiegel?
In einer groß angelegten US-amerikanischen Studie mit rund 3.400 Footballspielern wurde der Zusammenhang zwischen der Sexualfunktion (Erektionsstörung, in der Fachsprache ‚erektile Dysfunktion‘ genannt) und der Sportverletzung Gehirnerschütterung untersucht. Alle Spieler hatten im Laufe Ihrer Karriere trotz des Tragens eines Helmes mehrfach Gehirnerschütterungen erlitten.
Testosteron ist das männliche Geschlechtshormon, das die Sexualfunktion steuert. Ein Mangel an Testosteron hat eine beeinträchtigte Sexualfunktion zur Folge. Modellrechnungen der Spielerdaten haben ergeben, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen einem niedrigen Testosteronspiegel und dem Erleiden der Gehirnerschütterungen besteht.
Weitere Einflussfaktoren?
Die Forschungsergebnisse wurden weiter untersucht, um mögliche beeinflussende Faktoren zu finden. Die Berechnungen haben jedoch ergeben, dass weder die Einnahme leistungsfördernder Mittel zum Zeitpunkt der sportlichen Karriere noch der Body-Mass-Index (kurz BMI) einen Einfluss auf das Ergebnis der Studie nehmen. Der Zusammenhang zwischen Gehirnerschütterung und Erektionsstörungen scheint also sehr stark zu sein und sollte in Zukunft bei der Sicherheit der Sportler berücksichtigt werden.
Quelle: Peter Leiner (2019): Gehirnerschütterung als Auslöser für eine gestörte Sexualfunktion? In: Urologie-News 23/10, S. 48–48.
Häufige Patientenfragen
Wie lange muss man nach einer Gehirnerschütterung warten, bis man wieder Sport machen darf?
Dr. Dr. T. Weigl
Dies richtet sich nach der Schwere der Gehirnerschütterung. Das Gehirn hat sich häufig nach ein paar Tagen oder einer Woche wieder erholt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass man sportlich direkt voll belastbar ist. Fordern Sie Ihren Körper in keinem Fall zu früh und zu stark.
Falls die Symptome nach einer Woche noch anhalten, dann ruhen Sie sich weiter aus und suchen Sie gegebenenfalls noch einmal Ihren Arzt auf. Klären Sie im Zweifelsfall mit Ihrem Arzt ab, zu welchen Aktivitäten Sie in der Lage sind.
Kann eine Gehirnerschütterung Folgeerkrankungen verursachen?
Dr. Dr. T. Weigl
Es ist möglich, dass – wie oben im Text erwähnt– ein sogenanntes ‚postkommotionelles Syndrom‘ auftritt. In einem solchen Fall dauern die Symptome bis zu einigen Wochen lang an.
Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass eine Gehirnerschütterung ansonsten keine Spätfolgen mit sich bringt. Neuere Studien haben allerdings ergeben, dass im späteren Verlauf – also nachdem die Gehirnerschütterung abgeklungen ist – ebenfalls Folgesymptome auftreten können. Diese umfassen möglicherweise Erinnerungsschwierigkeiten oder Einbußen der Aufmerksamkeitsfähigkeit.
Weiterhin könnte es laut neuerer Studien sein, dass das Auftreten einer Gehirnerschütterung das Risiko für eine post-traumatische Belastungsstörung erhöht. Zudem ist das Auftreten einer Demenz im Alter mit früheren Gehirnerschütterungen assoziiert. Weitere Studien sind jedoch nötig, um die Zusammenhänge zwischen der Gehirnerschütterung und den Folgeerscheinungen genauer zu untersuchen.
Das Risiko für Spätfolgen ist höher, je öfter man eine Gehirnerschütterung erlitten hat. Wenn Sie sich einmalig den Kopf verletzen und ein leichtgradiges Schädel-Hirn-Trauma erleiden, ist das Risiko für Spätfolgen also recht gering. Personen mit häufigen Gehirnerschütterungen (zum Beispiel Profiboxer) sind eher betroffen.
Helfen Entspannungsübungen beim Heilen einer Gehirnerschütterung?
Dr. Dr. T. Weigl
Dies kommt darauf an, wie sehr solche Übungen Ihr Gehirn anstrengen. Falls Sie die Übung geistig sehr fordert und Sie sich stark fokussieren müssen, dann könnte dies eher kontraproduktiv sein. Auch Entspannungsübungen, die Ihnen eine aufrechte Körperhaltung abverlangen, sind möglicherweise zu anstrengend. Insgesamt ist es ratsam, viel zu liegen, anstatt zu sitzen und das Gehirn möglichst wenigen Umweltreizen auszusetzen.
Ist eine Gehirnerschütterung bei Kindern schlimmer als bei Erwachsenen?
Dr. Dr. T. Weigl
Auf der einen Seite treten Stürze bei Kindern durch das Spielen häufiger auf als bei Erwachsenen. Allerdings ist der Schädel der Kinder noch nicht so stark verknöchert, sodass das Anstoßen an den Schädel besser abgefangen wird. Falls es doch zu einer Gehirnerschütterung kommt, dann äußern sich die Symptome bei Kleinkindern und Babies häufig erst verzögert.
Nach einem Sturz sollte man daher das Kind sehr gut beobachten. Zeigt es Symptome wie Übelkeit, Sprachstörungen, Verwirrtheit oder Müdigkeit, dann sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Denn gerade bei Kleinkindern besteht eine erhöhte Gefahr für einen unerkannten Schädelbruch aufgrund eines Sturzes.
Typisches Patientenbeispiel
„Mami, mir ist immer noch so schlecht“, gibt Sarah zu. „Ja, ich sehe dir doch an, dass etwas nicht in Ordnung ist. Also dann erzähl‘ mir doch jetzt mal richtig, was in Wirklichkeit beim Spielen im Hof passiert ist. Warum bist du hier nach oben gekommen und warum bist du so blass? Ich werde sicher nicht schimpfen, wenn du es mir erzählst. Ich will dir nur helfen, mein Schatz“, sagt Mutter Laura einfühlsam.
Ein Sturz beim Spielen mit Folgen
Sarah erzählt, dass sie beim Klettern vom Baum gefallen ist. Sie weiß auch nicht so recht, was passiert konnte, sie lag plötzlich auf dem Boden und hat den Sturz gar nicht richtig mitbekommen. „Oh je, vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung“, gibt Laura zu bedenken „wir gehen zum Arzt. Keine Sorge, dir passiert nichts. Ich möchte nur abklären lassen, was wir tun sollen, ja?“
Nach einem Gespräch und ein paar Tests bestätigt der Arzt den Verdacht – Sarah hat eine Gehirnerschütterung. Der Arzt entlässt das Mädchen trotzdem wieder nach Hause. Er verordnet jedoch absolute Ruhe: kein Spielen, keine Schule und kein Sport. „Nach ein paar Tagen sollten die Symptome verschwunden sein“, sagt er, „falls dies nicht der Fall sein sollte, dann melden Sie sich nächste Woche noch einmal, ja?“
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.
Autor: Dr. Dr. Tobias Weigl, Melinda A. Mende
Lektorat: Timo Hülsmann
Veröffentlicht am: 09.03.2020
Quellen
- Amboss Fachwissen für Mediziner (2020): Vigilanzminderung und intrakranielle Volumenzunahme. In: Amboss.com.
- James M. Broadway (2019): Executive function predictors of delayed memory deficits after mild traumatic brain injury. In: Cortex 120, S. 240–248.
- Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (2015): Leitlinie Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. In. awmf.org.
- Nina Feddermann-Demont/ Mario Bizzini/ Astrid Junge (2017): Gehirnerschütterung im Sport. In: Sportphysio 5/3, S. 103–112.
- Institute of Neurological Sciences NHS Greater Glasgow and Clyde (2015): Glasgow Coma Scale. Anleitung. In: www.glasgowcomaskale.org.
- Hanna Kaltainen u. a. (2019): Mild traumatic brain injury and cognitive processing modifies oscillatory brain activity during attentional tasks. In: Journal of neurotrauma 36/14, S. 1524–1530.
- Peter Leiner (2019): Gehirnerschütterung als Auslöser für eine gestörte Sexualfunktion? In: Urologie-News 23/10, S. 48–48.
- Neurologen und Psychiater im Netz (2020): Was ist ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT)? In: neurologen-und-psychiater-im-netz.org.
- Priya Santahanam u. a. (2019): Decreases in white matter integrity of ventro-limbic pathway linked to post-traumatic stress disorder in mild traumatic brain injury. In: Journal of neurotrauma 36/7, S. 1093–1098.
Helena
17.04.2020 11:33Gehirnerschütterung ist das schlimmste bei jungen Menschen, was passieren kann. Man hat die Nebenwirkungen sehr lange Zeit. Ich hatte direkt nach dem Unfall nur die Übelkeit und Bewusstseinsstörung.Seit 3 Monaten habe ich ständige Kopfschmerzen und Schwindel. Ich informiere mich noch über mögliche Behandlung.
Ano
26.07.2022 16:23Hallo Helena,
geht es dir mittlerweile besser?