Es gibt Themen, die enttabuisiert werden müssen. Dazu gehört zum Beispiel die Harninkontinenz, die allein in Deutschland Millionen von Menschen betrifft.
— Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenWas ist Harninkontinenz?
Denn Marianne könnte an einer Form der Harninkontinenz leiden. Als solche bezeichnet man die mangelnde oder gar völlig fehlende Fähigkeit des eigenen Körpers, Urin in der Blase sicher zu speichern und selbst zu bestimmen, wann dieser ausgeschieden wird. Folglich kommt es zu unkontrollierten Ausscheidungen von Urin.
Diverse Erkrankungen können das unkontrollierte Wasserlassen verursachen. Entsprechend unterscheidet man die im Folgenden genannten Formen der Harninkontinenz.
Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz)
Bei der Belastungsinkontinenz handelt es sich um die am weitesten verbreitete Blasenschwäche bei Frauen und um eine Form der Harninkontinenz, bei der unter körperlicher Belastung kleine Mengen von Urin unfreiwillig abgegeben werden. Im Normalzustand verschließt der Körper automatisch die Blasenmuskulatur, wenn sich bspw. durch Husten, Lachen, Niesen oder das Tragen schwerer Gegenstände der Innendruck im Bauchraum erhöht. Herrscht eine Belastungsinkontinenz, so ist der Körper dazu nicht mehr in der Lage. Ursache für diese Form ist meist eine verlagerte Blase, z. B. infolge einer Schwangerschaft oder durch Fettleibigkeit. Auch eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur kann hier ursächlich sein.
Dranginkontinenz
Von einer Dranginkontinenz spricht man, wenn ein Patient über ständigen Harndrang klagt, obwohl die Blase nicht völlig gefüllt ist. Dieser starke Entleerungsdrang geht oft mit einem unkontrollierten Harnverlust einher, da der Drang als so stark empfunden wird, dass die nächste Toilette nicht mehr erreicht werden kann. Als Ursachen hierfür zu nennen sind eine abgebaute Muskulatur, Erkrankungen und Entzündungen des Blasenapparates, eine Störung von Reizwahrnehmung und -weiterleitung sowie ein geschwächtes Bindegewebe infolge der natürlichen Alterung oder neurologischer Probleme. Eine Dranginkontinenz kann eine Begleiterscheinung bereits vorliegender Erkrankungen wie Diabetes sein. Auch neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose oder Querschnittslähmung zählen nicht selten zu den Ursachen.
Mischinkontinenz
Der Name dieser Form der Harninkontinenz verrät: Hier treten die bereits genannten Harninkontinenzformen miteinander vermischt auf. Betroffene verlieren also bei körperlicher Belastung Urin und haben gleichzeitig einen ständigen Harndrang. Als Ursache sei hier vor allem eine Umstellung des Hormonhaushalts zu nennen.
Überlaufinkontinenz infolge chronischer Harnretention
Hierbei handelt es sich um eine Form der Harninkontinenz, bei der sich – verursacht durch eine Fehlfunktion der Blasenmuskulatur, eine Ablaufbehinderung der Harnröhre oder eine zu schwache Harnröhre – eine zu große Menge Harn in der Blase ansammelt, wodurch es zu einem „Überlaufen“ kommt und der in der Blase verbliebene Rest-Urin ganz oder teilweise abgegeben wird. Die hier genannte Muskelschwächung kann die Folge eines Diabetes sein. Mögliche Blockaden der Harnröhre sind Tumoren oder Harnsteine. Auch eine Prostata-Vergrößerung bei Männern gilt als häufige Ursache einer Abflussbehinderung.
Extraurethrale Inkontinenz
Hierbei kommt es zu ständigem „Herauströpfeln“ von Harn durch fehlangelegte oder fehlgebildete Gänge im Körper (sog. ‚Fisteln‘), die den Urin anstelle der Harnröhre ableiten. Kinder sind meist betroffen, wenn sich ihre Harnleiter fehlbilden oder diese fehlangelegt werden. Erwachsene sind in diesem Zusammenhang meist von sogenannten Urinfisteln betroffen, die sich z. B. zwischen Blase und Scheide bilden. Diese Form der Harninkontinenz sollte ob ihres entzündlichen Charakters so schnell wie möglich von einem Arzt abgeklärt werden.
Harninkontinenz infolge einer Beckenbodenschwäche
Diese Form der Harninkontinenz betrifft vor allem Frauen. Denn durch zunehmendes Alter und in der Folge nachlassende Elastizität des Gewebes kann der Beckenboden absinken. Dann kommt es bei Überbelastungen oder durch Übergewicht dazu, dass sich die Öffnungen der Beckenbodenmuskulatur aufdehnen, wodurch Organe aus der natürlichen Körperöffnung heraustreten können. Dies kann das sensible Verschlusssystem der Blase stören.
Reflexinkontinenz
Bei dieser Form der Harninkontinenz kommt es dazu, dass sowohl die Blasen- als auch die Schließmuskelfunktion infolge einer Hirnstörung oder Verletzung des Rückenmarks nicht mehr eigenständig kontrolliert werden können. Ursachen sind häufig Unfälle, neurologische Erkrankungen sowie Demenz oder Alzheimer. Die Nervenbahnen, die im Normalfall Signale zur Steuerung der Blase an das Gehirn weiterleiten, sind hierbei unterbrochen, was ein reflexartiges „Sichzusammenziehen“ (sog. ‚Kontraktion‘) zur Folge hat, das wiederum einen ungewollten Urinabgang verursacht.
Enuresis
Enuresis ist die medizinische Bezeichnung für das eher gebräuchliche „Bettnässen“. Es bezieht sich vorwiegend auf Kinder ab dem 5. Lebensjahr, die mindestens zwei Mal im Monat nachts „ins Bett machen“. Dabei liegen tagsüber keine Symptome vor und auch etwaige Infekte sind nicht zu finden. Die Ursachen sind bisher nicht in Gänze ergründet. Es ist aber wahrscheinlich, dass sich die Entwicklung bzgl. der Blasenkontrolle sowie der Regulation der Urinproduktion verzögert. Außerdem könnten die Kinder falsche Trinkgewohnheiten haben, also im Verlauf des Tages zu wenig trinken, sodass die Blasenkapazität nicht hinsichtlich einer Vergrößerung stimuliert wird. Holen Kinder abends dann die mangelnde Flüssigkeitsaufnahme nach, kommt es aufgrund der überdurchschnittlichen Befüllung zum Einnässen. Auch psychische Ursachen oder Verhaltensstörungen können dahingehend eine entscheidende Rolle spielen.
Lach-Inkontinenz
Hierbei handelt es sich um eine Harninkontinenz, die – wie der Name schon sagt – vor allem beim Lachen zum Tragen kommt. Die Ursachen sind noch nicht komplett erforscht, man geht aber davon aus, dass die Entleerung der Blase beim Lachen auf Fehlfunktionen im Gehirn zurückzuführen ist. Vor dem Lachen nehmen Betroffene allerdings keinen Harndrang wahr. Es ist nicht unüblich, dass das Lachen dazu führt, dass sich die Blase vollständig entleert.
Videoexkurs: Vermehrter Harndrang bei Diabetes Insipidus
Durch eine Diabetes-Insipidus-Erkrankung kann es zu einem erhöhten Harndrang kommen. (Nicht zu verwechseln mit der Zuckerkrankheit Diabetes Mellitus!) Was genau Diabetes Insipidus ist, welche Formen und Behandlungsmethoden es gibt, erklärt Ihnen Dr. Tobias Weigl im folgenden Video.
Wer ist am ehesten betroffen?
Deutschlandweit leiden etwa 5 Millionen Menschen an Harninkontinenz. Allgemein gesprochen sind Frauen etwa doppelt so häufig von Harninkontinenz betroffen wie Männer. Dies resultiert vor allem daraus, dass das weibliche Becken anatomisch und physiologisch auf die Fähigkeit, schwanger zu werden und zu gebären ausgelegt ist. So entsteht eine Doppelbelastung hinsichtlich einer möglichen Harninkontinenz, die durch Schwangerschaft und Entbindung noch verstärkt wird. Auch ein zunehmendes Alter begünstigt das Entstehen einer Harninkontinenz. Daraus ergibt sich, dass etwa 50 Prozent der Frauen und circa 25 Prozent der Männer ab einem Alter von 65 Jahren an einer Form der Harninkontinenz leiden.
Allerdings muss auch hier natürlich, ebenso wie bei den Ursachen, gemäß der Form der Harninkontinenz unterschieden werden. So leiden bspw. weitaus mehr Frauen als Männer an einer Belastungsinkontinenz, während Männer eher von einer Dranginkontinenz betroffen sind. Belastungs-, Drang- und Mischinkontinenz machen den Großteil der behandlungsbedürftigen Harninkontinenzen aus.
Risikofaktoren
Es existieren diverse Einflüsse, die das Entstehen einer Harninkontinenz begünstigen. Dazu zählen u. a.:
- Schwangerschaft und Entbindung
- Krankheiten (Diabetes, Morbus Parkinson u. v. m.) und Unfälle
- Medizinische Eingriffe mit Inkontinenzrisiko (an bspw. Gebärmutter oder Prostata)
- Bestimmte Arzneimittel (Diuretika, Antidepressiva, u. v. m.)
- Psychosoziale Einflüsse (z. B. beruflicher Stress, häusliche Spannungen)
- Schweres Heben (schädigt den Beckenboden)
- Wenig körperliche Aktivität
- Falsche Entleerungsgewohnheiten (starkes Pressen, zu häufiges oder zu seltenes Wasserlassen)
- Übergewicht (dauerhaft erhöhter Druck auf den Beckenboden)
- Rauchen (Raucherhusten)
- Koffein
- Zunehmendes Alter (Veränderungen am Blasenapparat, nachlassende Kontrolle des Harntraktes, Harnwegsinfektionen, erhöhte Medikation u. v. m.)
Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose
Die Diagnose einer Harninkontinenz bedingt ein umfassendes allgemeines sowie gezieltes Anamnesegespräch und eine eingehende körperliche Untersuchung. Auch bildgebende Verfahren können zum Einsatz kommen.
Im Anamnesegespräch erhebt der Arzt zunächst allgemeine Daten zur Krankengeschichte. Mit Bezug auf die Harninkontinenz wird sich der Arzt vor allem nach der Miktion (dem Harnlassen), dem Trinkverhalten und dem Stuhlgang erkundigen. Auch eingenommene Medikamente, Schwangerschaften, Operationen oder Vorerkrankungen (bspw. Diabetes) spielen eine Rolle.
Patienten werden ggf. darum gebeten, einen Inkontinenzfragebogen auszufüllen oder ein Miktionstagebuch zu führen, in welchem sie schriftlich festhalten sollen, wann die Harninkontinenz auftritt, wie häufig sie unkontrolliert urinieren und wie viel Urin sie dabei abgeben sowie wie viel sie trinken. Oft hilft dem Arzt auch ein Miktions- und Trinkprotokoll. Darin vermerken Patienten, wann sie welche Menge Flüssigkeit zu sich nehmen, wie viel Harn sie ausscheiden, wie stark ihr Harndrang ist, wie viel Urin sie unwillentlich verlieren und wie oft Vorlagen gewechselt werden. Ein solches Protokoll ist eine wichtige Hilfestellung für den Arzt, um die Harninkontinenz so objektiv und genau wie möglich beurteilen zu können.
Im Labor wird die Zusammensetzung des Urins untersucht. Eine Blutuntersuchung bestimmt die Retentionsparameter, die Informationen über die Nierenfunktion geben.
Mittels Ultraschalluntersuchung wird möglicher Restharn in der Blase nach dem Wasserlassen bestimmt. Ebenso können eine Röntgenuntersuchung des Harntrakts sowie eine Harnröhren- bzw. Harnblasenspiegelung Aufschluss geben. Eine Blasenspiegelung (sog. ‚Zystoskopie‘) kann indes Aufschluss über das mögliche Vorliegen von Tumoren geben. Die sogenannte Urodynamik misst den Harnblasendruck sowie den Harnröhrenverschlussdruck.
Videoexkurs: Häufiges Pinkeln bei Alkohol
Wieso muss man so oft auf die Toilette, wenn man Alkohol trinkt? Kann man etwas dagegen tun? Und welche Bedeutung hat die Farbe des Urins? Das erklärt ihnen Dr. Tobias Weigl im folgenden Video.
Faktenbox Harninkontinenz/Blasenschwäche
Häufigkeit steigt mit dem AlterFrauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer
Ab dem 65. Lebensjahr leiden 50 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Männer an einer Harninkontinenz
Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung
Die Therapie der Harninkontinenz erfolgt immer gemäß der diagnostizierten Form der Harninkontinenz.
Belastungsinkontinenz
Eine Belastungsinkontinenz ist, wie bereits erwähnt, häufig das Ergebnis einer zu schwachen Beckenbodenmuskulatur. Daher eignen sich vor allem bestimmte Formen der Gymnastik, die zum Ziel die Stärkung ebendieser Muskulatur haben, zur Behandlung. Eine langfristige Anwendung des Trainings ist empfohlen, da nur regelmäßiges Training Muskeln auf Dauer stärken können. Auch mittels Elektrostimulation lässt sich diese Form der Harninkontinenz behandeln. Dabei verbessern Reizströme die Blasenfunktion und stabilisieren den Beckenboden. Unterstützend kann auch der Einsatz von Östrogenen als Medikament wirken. Überdies ist eine Gewichtsreduktion ratsam, da sich Übergewicht negativ auf die Beckenbodenmuskulatur auswirkt.
Zu guter Letzt kann man Belastungsinkontinenz mit einigen operative Maßnahmen behandeln. Dazu zählt zum einen der Einsatz eines spannungsfreien Vaginal-Bandes. Dies wird um die Stelle gelegt, an der die Muskulatur der Harnröhre geschwächt bzw. gelockert ist. Auf diese Weise kann in 90 Prozent der Fälle eine Belastungsinkontinenz beseitigt werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, eine Beckenbodenabsenkung über eine Aufrichtung zu beheben. Herrscht komplette Harninkontinenz, so kann auch ein künstliches Schließmuskelsystem eingelegt werden.
Bekommen Patienten ein künstliches Schließmuskelsystem, so ist es ihnen möglich, das eigene Wasserlassen über einen Druckknopf im Hodensack zu steuern.
Dranginkontinenz
Die Dranginkontinenz wird vorwiegend medikamentös behandelt, und zwar mit sogenannten Anticholinergika. Diese schwächen den erhöhten Harndrang ab. Auch kann man die Blase bewusst trainieren. Dabei wird eine gefüllte Blase für einen festgelegten Zeitraum ignoriert. Das steigert die Füllmenge bis zum nächsten Drang. Auch Verzicht auf bestimmte harntreibende Getränke wie Kaffee, vereinzelte Tees oder Alkohol kann unterstützend wirken.
Mischinkontinenz
Da es sich hierbei um die Kombination aus Drang- sowie Belastungsinkontinenz handelt, kommen entsprechend die bereits genannten Therapien in Kombination zum Einsatz.
Überlaufinkontinenz
Bei dieser Form der Harninkontinenz erfolgt die Behandlung entsprechend der verursachenden Erkrankung. Da bei Männern häufig eine Prostatavergrößerung ursächlich ist, kann zunächst die Gabe von Medikamenten erfolgen. Es empfiehlt sich aber – da bei Überlaufinkontinenz auch die Nieren Schaden nehmen können – ein operativer Eingriff, um einen Harnröhrenverschluss zu beheben. Dazu kann bspw. Prostatagewebe abgetragen oder die Harnröhre geschlitzt werden. Eine entsprechende Behandlung erfolgt auch bei weiblichen Patienten.
Extraurethrale Inkontinenz
Bei der extraurethralen Inkontinenz besteht kein einheitliches Therapieverfahren. Vielmehr stimmt man dieses auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten ab. Grundlegend muss eine Behandlung der Grunderkrankung erfolgen. Dann kann aber zunächst auch, wie bei der Dranginkontinenz, eine medikamentöse Behandlung mit Anticholinergika stattfinden, gut in Kombination mit einem Blasentraining. Überdies empfehlen sich eine Beckenbodengymnastik sowie eine Reizstromtherapie. Helfen die bis hierher angesprochenen Möglichkeiten nicht, so kann der Arzt die direkte Injektion von Botulinumtoxin-A, das die Harnblasenkontraktion hemmt, in Erwägung ziehen. Als letztes Mittel gilt auch hier eine Operation, die den natürlichen Ausscheidungsweg wiederherstellt.
Harninkontinenz infolge einer Beckenbodenschwäche
Auch hier verspricht eine entsprechende Gymnastik bzw. Beckenbodenschulung, angeleitet von einem Physiotherapeuten, Besserung. Diese Maßnahme kann grundlegende Funktionen des Beckenbodens wiederherstellen. Da es bei einer Beckenbodenschwäche auch dazu kommen kann, dass Organe prolabieren, also austreten, ist des Öfteren auch eine Operation zur Behebung eines ebensolchen Prolaps notwendig.
Reflexinkontinenz
Bei dieser Form der Harninkontinenz steht die Behandlung mit Medikamenten im Vordergrund. Hinzu kommt der sogenannte intermittierende Selbstkatheterismus, der es Patienten ermöglicht, ihre Blase regelmäßig selbstständig über einen Katheter restharnfrei zu leeren. Dies dient vor allem dem Schutz der Nieren. In einigen Fällen muss auch ein suprapubischer Blasenkatheter gelegt werden. Darunter versteht man einen kontinuierlichen Blasenkatheter, der durch die Bauchdecke in die Blase eingebracht wird.
Enuresis
Bei der Behandlung kindlichen Einnässens ist vor allem Geduld gefordert. Kann man aber die Ursache für das nächtliche Bettnässen ermitteln, ist eine Behandlung durchaus erfolgversprechend. Vor allem die fortlaufende Kontrolle des Toilettenverhaltens sowie ein ausführliches Trink- und Miktionsprotokoll helfen bei der Behandlung weiter. Auch eine Änderung ebendieser Parameter sollte während der Behandlung im Rahmen einer sogenannten Urotherapie erfolgen.
Bestimmte Medikamente (Anticholinergika) können bei Kindern beinahe nebenwirkungsfrei zur Abschwächung des Harndrangs beitragen. Überdies kann eine Hormontherapie mit Desmopressin erfolgen, welches besonders schnell wirkt und so auch in kritischen Situationen hilfreich sein kann. Bei Harnwegsinfekten empfiehlt sich die Gabe von Antibiotika.
Es existieren zudem Alarmsysteme wie Weckapparate oder Klingelhosen, die bei Einnässen auslösen. Diese können die Anzahl nasser Nächte deutlich reduzieren. Zwar erfordert diese Methode sehr viel Durchhaltevermögen, sowohl seitens des Kindes als auch der Eltern. Allerdings erwies sie sich bislang auch als äußerst effektiv und nachhaltig.
Lach-Inkontinenz
Diese seltene Form der Harninkontinenz kann medikamentös behandelt werden, und zwar mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Dieser beruhigt zwar den Harnreflex, bringt aber auch einige Nebenwirkungen mit sich. Daher sollte einer Physiotherapie ggf. der Vorrang gegeben werden. Bei einem Training des Beckenbodens wird Teilnehmern beigebracht, beim Lachen bewusst die entsprechende Muskulatur anzuspannen und den Reiz, Urin abzugeben, zu unterbinden.
Die möglichen Nebenwirkungen des Wirkstoffs Methylphenidat sind zahlreich und umfassen u. a. Appetitmangel, Schlafstörungen, Kopf- und Bauchschmerzen, Weinerlichkeit, Dysphorie (auch Affektivität; Störung des emotionalen Erlebens), Schwindel sowie Puls- und Blutdruckerhöhungen.
Häufige Patientenfragen
Kann ich einer Harninkontinenz vorbeugen?
Dr. T. Weigl:
Das können sie. Vor allem Frauen können präventiv ein Beckenbodentraining absolvieren. Außerdem können Sie Übergewicht sowie Rauchen und infolgedessen chronischen Husten vermeiden. Eine ballaststoffreiche Ernährung garantiert indes Stuhlgang, bei dem Sie nicht pressen müssen, was das Schließmuskelsystem entlastet. Auch eine sportliche Betätigung empfiehlt sich, allerdings sollten Sie, wenn möglich, schwere körperliche Arbeit vermeiden. Sie können indes auch ihre Blase trainieren, indem sie nicht zu schnell dem Harndrang nachgeben und gleichzeitig ausreichend trinken, um eine Reizung des Blasenmuskels zu reduzieren.
Wieso leiden immer mehr Menschen an Harninkontinenz?
Dr. T. Weigl:
Dies hängt vor allem damit zusammen, dass auch immer mehr Menschen an chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Morbus Parkinson leiden. Außerdem werden die Menschen zunehmend älter und im Alter steigt die Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit von Harninkontinenz. Stand 2010 litten etwa 30 Prozent der über 80-Jährigen an einer Form der Harninkontinenz. Einzelne Symptome bestanden in dieser Gruppe sogar bei 75 Prozent.
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Autoren: Tobias Möller und Dr. Tobias Weigl
Redaktion: Sebastian Mittelberg
Veröffentlicht am: 13.06.2018, zuletzt aktualisiert: 10.02.2019
Quellen
- Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (Hg.) (2013): Was tun bei Harninkontinenz?
- Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V. (Hg.) (2017): Harn- und Stuhlinkontinenz (Blasen- und Darmschwäche).
- Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V. (Hg.) (2017): Einnässen beim Kind.
- Mark Goepel u. a. (2010): Harninkontinenz im Alter, in: Deutsches Ärzteblatt International 107/30, S. 531–536.
- Richard Hautmann, Jürgen E. Gschwend (2014): Urologie. Springer-Verlag, Heidelberg.
- Michael Moffatt (2006): Evidence on nocturnal enuresis, in: Evidence-Based Child Health: A Cochrane Review Journal 1/1, S. 3–4.
- Frank Perabo (2009): Inkontinenz: Fragen und Antworten; mit 27 Tabellen. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln.
- Robert-Koch-Institut (Hg.) (2007): Harninkontinenz. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 39. RKI, Berlin.
- Andreas Stein, Mariella Matthäus (2016): Psychoedukation und Psychotherapie für Jugendliche und junge Erwachsene mit ADHS. Kohlhammer Verlag, Stuttgart.
- TH Deggendorf (Hrsg.) (2017): Die Pflegeberatung. ecomed-Storck GmbH, München.
- Lutz Trojan (2014): Patienteninformation: Injektion von Botulinumtoxin in die Harnblasenmuskulatur.
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