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Die Autismus-Spektrum-Störung: Sozialangst nur im Kindesalter?

Auf einen Blick – Autismus-Spektrum-Störung

Was ist eine Autismus-Spektrum-Störung?

  • Entwicklungsstörung, die das Sozialverhalten beeinflusst
  • die Erkrankung tritt meistens erstmals in der frühen Kindheit auf: vor dem 2.–3. Lebensjahr
  • Autismus-Spektrum-Störungen sind nicht heilbar – sie begleiten den Patienten ein Leben lang

Wer bekommt eine Autismus-Spektrum-Störung?

  • Jungen 4-mal häufiger betroffen als Mädchen
  • Kinder mit genetischer Veranlagung
  • wenn die Mutter während der Schwangerschaft eine Rötelninfektion erlitten hat

Symptome (Auszug)

  • Desinteresse an der Umwelt
  • Vermeiden von direktem Augenkontakt
  • stereotypisches Verhalten

Behandlung (Auszug)

  • autismusspezifische Einzel- oder Gruppentherapie
  • Psychotherapie (vor allem bei psychologischen Begleiterscheinungen wie Angststörungen)
  • medikamentöse Therapie

Tipps

  • Schaffen Sie ein vorhersagbares Umfeld mit viel Routine für Ihr Kind, wenn es unter einer autistischen Störung leidet. Das fördert das Sicherheitsgefühl und das Wohlbefinden.
  • Man bezieht die Eltern aktiv in die Therapie mit ein. Nehmen Sie diese Maßnahme ernst: So lernen Sie, die Erkrankung Ihres Kindes zu akzeptieren und zu verstehen.
  • Bei Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung kann ein Kinder- oder Jugendpsychiater eine differenzierte Diagnose stellen.

Von Medizinern geprüft und nach besten wissenschaftlichen Standards verfasst

Dieser Text wurde gemäß medizinischer Fachliteratur, aktuellen Leitlinien und Studien erstellt und von einem Mediziner vor Veröffentlichung geprüft.

Quellen ansehen

Kinder mit einer autistischen Störung sind häufig nicht in der Lage, mit anderen zu kommunizieren – sie ziehen sich in sich selbst zurück und meiden Augenkontakt, denn die soziale Interaktion mit ihren Mitmenschen fällt ihnen sehr schwer.

Recht viele Menschen sind von dem Syndrom betroffen: ca. 1 % der Bevölkerung – in allen Altersgruppen. Die Störung äußert sich in vielen Fällen erstmalig im Kleinkindalter. Da die Autismus-Spektrum-Störung allerdings nicht heilbar ist, sind auch Erwachsene aller Altersklassen betroffen.

Die Therapie richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten. Mögliche Begleiterscheinungen einer autistischen Störung sind die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Epilepsie. Liegen Begleiterscheinungen vor, therapiert der Arzt diese zusätzlich.

Allen psychotherapeutischen Maßnahmen bei einer autistischen Störung ist gemein, dass sie die Fähigkeiten der Erkrankten berücksichtigen und fördern sollen. Man unterstützt die Betroffenen zudem auch im Alltag, indem man ein vorhersagbares, einfach überschaubares Umfeld schafft.

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Für das Umfeld zu Hause gilt daher: Routine schafft Kalkulierbarkeit und eine Wohlfühlatmosphäre für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Um dies zu bewerkstelligen, werden die Angehörigen gezielt informiert und geschult. Wenn die Eltern die Erkrankung und die Bedürfnisse ihres Kindes verstehen, können sie es im Alltag unterstützen.

Was ist die Autismus-Spektrum-Störung?

Unter dem Begriff ‚Autismus-Spektrum-Störung‘ (auch kurz als ‚Autismus‘ bezeichnet) versteht man eine Reihe an Entwicklungsstörungen. Früher wurden diese Syndrome als einzelne Erkrankungen diagnostiziert. Hierzu zählen das Asperger-Syndrom, Rett-Syndrom, atypischer Autismus und frühkindlicher Autismus. Seit dem Jahr 2013 fasst man diese Erkrankungen als ‚Autismus-Spektrum-Störung‘ – mit unterschiedlicher Ausprägung und Schweregrad – zusammen.

Charakteristisch für eine autistische Störung ist die Einschränkung in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie eingeschränkte Interessen und sich auffällig wiederholende (sog. ‚stereotypische‘) Verhaltensweisen. Einschränkungen in der geistigen Entwicklung (sog. ‚kognitiven Fähigkeiten‘) sind zudem möglich.

Betroffene der Autismus-Spektrum-Störung leiden teilweise noch an anderen Erkrankungen, zum Beispiel an Epilepsie oder der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (kurz ADHS). In diesem Fall handelt es sich um verschiedene, eigenständige Erkrankungen – auch wenn sie gemeinsam mit der Autismus-Spektrum-Störung auftreten.

Was haben Schmerzmittel mit ADHS zu tun? In diesem Video erklärt Dr. Dr. Tobias Weigl Zusammenhänge zwischen der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und ADHS bei Kindern.

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Die Symptome: Welche Beschwerden verursacht die Autismus-Spektrum-Störung?

Allem voran äußern sich die Symptome der Autismus-Spektrum-Störung im Umgang mit anderen Menschen, also im Sozialverhalten und der Kommunikation. Zusätzlich kann eine Unterentwicklung der geistigen Leistungsfähigkeit mit der Symptomatik einhergehen. Vor allem in den folgenden Verhaltensmustern äußert sich das Syndrom:

  • Unfähigkeit, Beziehungen zu bilden
  • reduziertes Einfühlungsvermögen in andere (sog. ‚Empathie‘)
  • unnormale Sprachentwicklung
  • verminderter Augenkontakt: Patienten mit Autismus-Spektrum-Störung empfinden es als unangenehm, anderen Menschen in die Augen zu sehen
  • Schwierigkeit, das eigene Verhalten an die gegebene Situation anzupassen
  • eingeschränkte Interessen
  • stereotypische Verhaltensmuster: exzessives Anfassen oder Riechen, Kuscheltiere in Reih und Glied anordnen u.v.m.
„Kinder mit einer autistischen Störung wirken oft wie in ihrer eigenen Welt: Sie kommunizieren wenig mit anderen und vermeiden Blickkontakt.“ — Dr. Dr. Tobias Weigl Klick um zu Tweeten

Zusätzlich treten im Zusammenhang mit einer autistischen Störung oftmals andere Erkrankungen auf. Häufig sind:

Wer ist am ehesten betroffen?

Recht viele Menschen sind betroffen: Nach neueren Erkenntnissen ist es ungefähr 1 % der gesamten Bevölkerung. Am häufigsten tritt das Erkrankungsbild bei Jungen (4-mal so häufig wie bei Mädchen) auf. Das komplexe Syndrom zeigt sich in den meisten Fällen erstmals im Kleinkindalter: Vor dem Erreichen des 2.–3. Lebensjahres treten die typischen Symptome wie Desinteresse an der Umwelt auf.

Die Symptome können im Laufe des Lebens durch eine gezielte Therapie gelindert werden. Allerdings ist die Erkrankung nicht heilbar – sie begleitet die Betroffenen ein Leben lang. Daher betrifft die autistische Störung Menschen in allen Altersgruppen.

Ursachen für eine Erkrankung an der Autismus-Spektrum-Störung

Eine der Hauptursachen für das Auftreten einer autistischen Störung ist eine genetische Veranlagung. Wenn ein Elternteil an einer Störung auf genetischer Ebene leidet, dann ist das Risiko für eine Erkrankung des Kindes deutlich erhöht. Faktoren, wie zum Beispiel das Geburtsgewicht spielen zusätzlich eine Rolle in der Vererbung der Erkrankung (sog. ‚Heritabilität‘).

Man schätzt, dass eine Autismus-Spektrum-Störung in etwa 70–80 % der Fälle vererbt wird. Es existieren viele Mutationen einzelner Gene, die die Erkrankung begünstigen. Bei ungefähr 3 % der Patienten mit einer autistischen Störung liegt das sogenannte ‚fragile-X-Syndrom‘ vor – eine molekulargenetische Ursache für die Erkrankung. Bei diesem Syndrom ist eine Stelle im Erbgut auf dem X-Chromosom fehlerhaft: Es sieht unter dem Mikroskop wie eine Bruchstelle aus.

Andere genetische Abweichungen erhöhen das Risiko für eine autistischen Störung ebenfalls. Diese sind z. B. tuberöse Hirnsklerose oder Neurofibromatose.

Gut zu wissen
Die tuberöse Hirnsklerose und die Neurofibromatose sind Erkrankungen, die mit Fehlbildungen der Haut und Tumorbildung im Gehirn oder anderen Organen einhergehen. Die Neurofibromatose entsteht durch entartete Bindegewebs- oder Nervenzellen.

Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt

Ein weiterer Risikofaktor ist eine Infektionserkrankung der Mutter während der Schwangerschaft. Ein Beispiel ist die Rötelninfektion. Eine Erkrankung an der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus der Mutter oder eine starke Frühgeburtlichkeit sowie Lungenfunktionsprobleme des Kindes bei der Geburt erhöhen das Risiko ebenfalls.

Die Einnahme von Antiepileptika (vor allem Valproat) während der Schwangerschaft gehen außerdem mit einer höheren Rate an Erkrankungen des Kindes an der Autismus-Spektrum-Störung einher. Alkoholkonsum während der Schwangerschaft wurde bislang jedoch nicht als beeinflussender Faktor für eine Erkrankung identifiziert.

Kennen Sie eine Person, die unter einer autistischen Störung leider? Wie äußern sich die Symptome? Mit Ihrer Antwort helfen Sie anderen Betroffenen oder deren Eltern, die Symptome besser einzuschätzen. Nutzen Sie auch gerne unsere Kommentarfunktion am Ende des Artikels, um sich untereinander auszutauschen.

Was tut der Arzt? Teil 1: Die Diagnose der Autismus-Spektrum-Störung

Die Diagnosestellung beim Arzt erfolgt im ersten Schritt in einem umfassenden Anamnesegespräch mit den Angehörigen. Es ist nicht einfach, eine autistische Störung nur aufgrund einzelner Symptome zu erkennen, denn im Laufe der Entwicklung können sich die Verhaltensmuster eines Kindes mehrfach verändern. Die Diagnosestellung ist daher in den meisten Fällen erst ab dem 18. Lebensmonat zuverlässig. Der Arzt erfragt dann zunächst Dinge wie:

  • Interessiert sich Ihr Kind nur wenig oder gar nicht für seine Umwelt?
  • Schreit Ihr Kind permanent oder ist es wütend?
  • Hat das Kind Angst vor Berührungen?
  • Ist die Sprachfähigkeit beeinträchtigt?
  • Zeigt das Kind immer wieder auftretende Verhaltensmuster (sog. ‚stereotypes Verhalten‘)?

Liegt ein Verdacht über die Autismus-Spektrum-Störung vor, beobachtet in vielen Fällen ein Kinderpsychiater die weitere Entwicklung des Kindes. Über einen längeren Zeitraum hinweg kann er das Verhalten gut analysieren, sodass die Diagnosestellung eindeutiger wird.

Hilfe für die Diagnose: umfassende Tests

Nach den Gesprächen mit den Angehörigen sind Tests mit dem betroffenen Kind notwendig, um eine autistische Störung eindeutig zu diagnostizieren. Der Arzt beziehungsweise Psychiater führt zum Beispiel die folgenden Testungen durch:

  • Fähigkeit der sozialen Interaktion mit den Mitmenschen
  • Kommunikationsfähigkeit
  • allgemeines Verhalten
  • Entwicklung der geistigen Fähigkeiten
  • häufige Begleiterscheinungen (liegt zum Beispiel eine Angststörung vor?)
  • Hörfähigkeit
  • Sehfähigkeit

Ein Gentest kann die Diagnose unterstützen. Der Arzt testet, ob zum Beispiel das sogenannte ‚fragile-X-Syndrom‘, tuberöse Hirnsklerose oder eine andere genetische Mutation bei dem Patienten vorliegt.

Neue Tests unterstützen die Diagnose

Weitere Testmöglichkeiten sind Gegenstand der aktuellen klinischen Forschung. Neuere Studien zeigen zum Beispiel, dass sich für autistische Patienten mit einer zusätzlichen geistigen Einschränkung ein Diagnoseverfahren mittels eines Musiktests eignet.

Die Messung der Pupillenweitung ist eine zusätzliche Methode, mit der man möglicherweise psychosoziale Prozesse im Gehirn messen kann. Denn die Pupillen geben Aufschluss über die Verarbeitung von Lichtreizen im Auge, aber auch über die Aufmerksamkeit der getesteten Person.

Exkurs: ADHS und Autismus-Spektrum-Störung

Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (kurz ADHS) äußert sich – wie der Name bereits sagt – vor allem durch verminderte Aufmerksamkeit und erhöhten Bewegungsdrang. ADHS und eine autistische Störung haben gemeinsam, dass die beiden Erkrankungen zumeist bei Kindern auftreten. Erwachsene sind jedoch ebenfalls betroffen.

Die Störung geht mit vielen Begleiterscheinungen wie fehlender Affektkontrolle oder emotionaler Instabilität einher. Daher lässt sie sich gegebenenfalls mit einer Autismus-Spektrum-Störung verwechseln. Die folgende Tabelle zeigt, wie Ärzte die beiden Erscheinungsbilder gegeneinander abgrenzen. Für die Behandlung ist es nämlich sehr wichtig, die Grunderkrankung genau zu identifizieren (sog. ‚Differenzdiagnostik‘).

 Autismus-Spektrum-StörungADHS
tritt auf in Lebensjahr:2–3normalerweise vor dem 7. Lebensjahr
Geschlecht:♂ > ♀ (4:1)♂ > ♀
Sprachgebrauch:eingeschränktnormal
Verhalten:eingeschränkte, stereotypische Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitätenunaufmerksam, hyperaktiv
physikalische Eigenschaften:beschleunigtes Wachstum des Kopfesnormal

In Anlehnung an: Amboss Knowledge for medical students and physicians (2019): Autism spectrum disorder. In: amboss.com.

Möchten Sie mehr zum Thema ADHS und den Symptomen der Erkrankung erfahren? Lesen Sie unseren Artikel ADHS bei Kindern & Erwachsenen – Ursachen, Symptome & Therapie

Fakten-Box – Autismus-Spektrum-Störung

  • der Begriff fasst mehrere Erkrankungen zusammen (zum Beispiel Asperger-Syndrom, frühkindlichen Autismus)
  • nicht heilbar
  • wird zumeist im Kleinkindalter bemerkt
  • betrifft etwa 1 % der Bevölkerung

Mögliche Symptome

  • Desinteresse am Umfeld
  • mangelnde Kommunikationsfähigkeit
  • schlechte soziale Interaktion
  • Vermeidung von direktem Blickkontakt

Was tut der Arzt? Teil 2: Die Behandlung der Autismus-Spektrum-Störung

Vorab sei zu erwähnen, dass man zum heutigen Zeitpunkt noch keine Möglichkeit gefunden hat, die Autismus-Spektrum-Störung zu heilen. Dennoch existiert eine Vielzahl an Therapien, die die Kompetenzen der Betroffenen stärken können. Ziel der therapeutischen Maßnahmen ist es vor allem, den Patienten die soziale Interaktion mit anderen zu erleichtern.

Weiterhin fördern sie sprachliche Fähigkeiten, die bei der alltäglichen Kommunikation helfen. Die Betroffenen sollen sich durch die Therapie insgesamt wohler mit sich und ihrer Umwelt fühlen.

Wichtig: Autismus-Spektrum-Störung spezifische individuelle Therapielösungen

Man kann nicht pauschal sagen, welche Fähigkeiten bei einem Autismus-Spektrum-Störung-Patienten am meisten eingeschränkt sind. Faktoren wie die kognitiven Fähigkeiten, die Schwere der Erkrankung, das Alter und das Vorhandensein anderer psychiatrischer Störungen bestimmen die Therapieform. Eine umfassende Diagnostik ist daher der erste Schritt, um die richtige individuell abgestimmte Therapie zu finden.

Alle Therapien haben jedoch gemein, dass sie die Fähigkeiten von Personen mit Autismus-Spektrum-Störung berücksichtigen müssen (sog. ‚Autismus-Spektrum-Störung spezifische Therapie‘), denn diese brauchen ein vorhersagbares, überschaubaren Umfeld, um sich sicher zu fühlen.

Bildung von Eltern, Lehrern und Patienten

Alle Personen im Umfeld des Kindes sind mit einbezogen. Im Rahmen der Therapie erfolgt daher auch eine spezifische Weiterbildung der Bezugspersonen (sog. ‚Psychoedukation‘) – zum Beispiel Eltern, Lehrer oder Erzieher. So lernen sie, ein Wohlfühlumfeld zu schaffen. Der Betroffene selbst erhält ebenso aufklärende Informationen über das eigene Krankheitsbild. Wenn Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung heranwachsen, dann sollten sie um ihr Krankheitsbild wissen. Dies ermöglicht ihnen einen besseren Umgang damit.

Unterschiedliche Therapiemaßnahmen

Die Therapien umfassen verschiedene Ansätze. Diese kann man je nach Einzelfall auch miteinander kombinieren.

Frühförderung

Verhaltenstherapie, die die kognitiven, kommunikativen und sozialen Fähigkeiten von Kleinkindern (ca. 2–5 Jahre) verbessert. Kleinkinder mit Autismus-Spektrum-Störung spielen in den Therapiesitzungen mit Übungsmaterialien und Spielzeug. Sie lernen beim Spielen Fähigkeiten wie das Imitieren und gemeinsame Aufmerksamkeit (mit dem Spielzeug). So führt man sie langsam an soziale Interaktion heran. Nachfolgend lernen sie, direkt mit dem erwachsenen Therapeuten kommunizieren, zunächst meist nonverbal (= ohne Sprache).

Im weiteren Verlauf üben die Kinder das Interagieren und Kommunizieren mit Gleichaltrigen und den korrekten Einsatz von Sprache. Falls nötig, kann man im Rahmen dieser Therapie alltägliche Handlungen wie den Toilettengang üben. Falls zusätzliche Auffälligkeiten vorliegen – zum Beispiel Zwangsstörungen – gehen die Therapeuten auf diese ebenfalls ein.

Gut zu wissen
Roboter unterstützen die Therapie von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung. Im Rahmen der Frühförderung spielen die Kinder zunächst mit Spielzeugen wie Kuscheltieren und Puppen, danach sollen sie den direkten Umgang mit Erwachsenen und Gleichaltrigen lernen. Um den Übergang vom Umgang mit leblosen Puppen zum Umgang mit echten Menschen zu erleichtern, setzen Forscher Roboter ein. Diese sehen entweder wie Kuscheltiere oder Kinderpuppen aus. Unter anderem können die Kinder den direkten Blickkontakt mit den Robotern üben.

Gruppentraining für soziale Kompetenzen

Soziale Interaktion kann man gezielt in der Gruppentherapie trainieren. Diese Therapieform eignet sich für etwas ältere Kinder (nach der Frühförderung), Jugendliche und Erwachsene mit einer Autismus-Spektrum- Störung. Vor allem bei Betroffenen mit mindestens durchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten ist dieser Ansatz erfolgsversprechend.

Die Patienten üben gemeinsam Fähigkeiten wie soziale Interaktion mit anderen Menschen, Kommunikation (verbal und nonverbal) und Handlungsplanung. Zudem umfasst die Therapie den Umgang mit den eignen Emotionen (sog. ‚Impulskontrolle‘), zum Beispiel Wut und Ärger.

Weitere Autismus spezifische Therapiemöglichkeiten

Man wendet auch weitere, zusätzliche Therapieformen an, damit die Patienten besser im Alltag zurechtkommen und um körperlichen Einschränkungen entgegenzuwirken. Die Ergotherapie zum Beispiel hilft dabei, die motorischen und koordinativen Fähigkeiten zu trainieren und zu verbessern. Eine Therapie beim Logopäden stärkt die sprachlichen Fähigkeiten.

Andere therapeutische Ansätze umfassen die Musik- Kunst- oder Tiertherapie (zum Beispiel Interaktion mit Pferden oder Delfinen). Diese Therapieformen haben bislang jedoch noch keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege bezüglich ihrer Wirksamkeit.

Psychotherapie und medikamentöse Therapie komorbider Erkrankungen

Liegen Begleiterscheinungen im Rahmen der Autismus-Spektrum-Störung vor, behandelt der Arzt diese zusätzlich zu den bereits unternommenen Therapiemaßnahmen, da diese durch die reguläre Therapie oft nicht abdeckt werden können. Beispiele sind Zwangs- oder Angststörungen. Liegt eine solche Störung vor, erhält der Patient eine zusätzliche Psychotherapie.

Medikamente (zum Beispiel Psychopharmaka) dienen des Weiteren dazu, Verhaltensauffälligkeiten zu unterdrücken. Gegen aggressives Verhalten (gegen sich selbst und andere) verschreibt der Arzt gegebenenfalls ein sogenanntes ‚atypische Antipsychotikum‘ (zum Beispiel Risperidon).

Aktuelle Forschung – Helfen Partydrogen gegen Sozialangst?

Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung haben Angst vor sozialer Interaktion. Diese Angst kann man psychologisch messen, zum Beispiel mit der sogenannten ‚Liebowitz-Skala‘. Psychotherapeuten versuchen mit ihrer Therapie die Angst zu mindern und messen die Erfolge mit der psychologischen Skala. Kann man diese Psychotherapie mit Medikamenten unterstützen? Der Frage ist Prof. Ludger Tebartz von Elst vom Universitätsklinikum Freiburg in seiner Langzeitstudie nachgegangen.

MDMA als Angsthemmer?

In seiner Studie hat der Wissenschaftler über drei Jahre hinweg mit insgesamt 12 erwachsenen Patienten getestet, wie sich der Wirkstoff 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (kurz MDMA) auf den Therapieerfolg auswirkt. MDMA ist aufgrund seiner wachmachenden, angsthemmenden Wirkung auch als Partydroge bekannt.

In der Studie erhielt ein Teil der Patienten ein wirkungsloses Mittel (sog. ‚Placebo‘), um die Ergebnisse vergleichbar zu machen. Um Erwartungseffekte auszuschließen, wussten die Patienten allerdings nicht, ob sie ein wirkungsloses Präparat erhielten: Das Placebo-Medikament glich äußerlich dem MDMA-Präparat.

MDMA unterstützt die Psychotherapie

Die Hypothese war, dass die Patienten, die den Wirkstoff MDMA erhielten, eine Verbesserung in der Angst-Skala verzeichnen würden. Das heißt, dass das Mittel gegen die Sozialangst wirkt. Die Ergebnisse haben die Annahme bestätigt: Die Patientengruppe, die den Wirkstoff MDMA erhalten hatte, verzeichnete signifikant bessere Therapieerfolge als die Gruppe, die nur die Psychotherapie (und das Placebo-Präparat) erhielt. Die positiven Effekte hielten sogar noch 6 Monate nach Beendigung der Therapie an.

Schlussfolgerungen

Der Autor schlussfolgert, dass das soziale Funktionieren von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung mit der Sozialangst zusammenhängt. Aufgrund dieses Zusammenhangs ist das Behandeln von Autisten mit der vorliegenden Methode möglich: Eine Kombination aus Psychotherapie und Medikation mit MDMA verbessert den Therapieerfolg.
Quelle: Ludger Tebartz van Elst (2020): Party auch für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung? In: Info Neurologie & Psychiatrie 22/2, S. 21–21.

Häufige Patientenfragen

Können erwachsene Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung zu einer Party gehen?

Dr. Dr. T. Weigl
Der Sozialkontakt fällt Menschen mit einer autistischen Störung insgesamt schwer. Allerdings zielt die Therapie darauf ab, die Symptome zu lindern, sodass die Patienten im Alltag besser zurechtkommen. Dazu zählen auch die Kontakte mit vielen Menschen auf einmal – wie beim Besuchen einer Party.

Allerdings kann man nicht generell sagen, ob ein Betroffener zu einer Party gehen möchte. Dies richtet sich mitunter nach der Schwere der Erkrankung und den persönlichen Präferenzen. Zwingen Sie eine Person mit einer autistischen Störung nicht zu sozialen Aktivitäten. Wenn der Wille allerdings von selbst existiert, dann kann man unter kontrollierten Bedingungen die Konfrontation mit einer solchen Situation versuchen.

Ist der Ansatz sinnvoll, Roboter für die Therapie von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung zu verwenden?

Dr. Dr. T. Weigl
In den letzten Jahren wurde viel Forschung dazu betrieben, Roboter für soziale Aufgaben – wie zum Beispiel in der Therapie von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen – einzusetzen. Die sogenannten ‚sozialen Roboter‘ bilden quasi eine Zwischenstufe zwischen Spielzeug (Puppen) und Menschen, mit denen die Kinder agieren sollen.

Der Vorteil ist, dass die Kinder langsam lernen, mit einem anderen Wesen zu interagieren. Vor allem das In-Die-Augen-Sehen empfinden die Kinder möglicherweise als weniger Furcht einflößend als bei einem Menschen. Der Therapeut steuert den Roboter hierbei und löst so die genau gewünschten Reaktionen des Roboters aus.

Ein Nachteil ist, dass die Kinder einen solchen Roboter ebenfalls als unheimlich empfinden könnten. Man muss also genau auf die Reaktion des Kindes achten: Wenn es Angst hat, sollte man die Sitzung mit dem Roboter abbrechen. Insgesamt empfiehlt es sich, den Einsatz einer solchen Maschine langsam in die Therapie einzuschleichen. Erfragen Sie bei Ihrem Therapeuten, ob sich eine solche Therapie für Ihr Kind eignet.

Meine 3-jährige Tochter ist in letzter Zeit häufig sehr unaufmerksam. Leidet sie an Autismus?

Dr. Dr. T. Weigl
Desinteresse ist ein mögliches Anzeichen für die Autismus-Spektrum-Störung. Es ist jedoch Vorsicht geboten: Nur weil ein Kind kurzzeitig nicht an der Umwelt interessiert ist, heißt dies nicht automatisch, dass es an einer autistischen Störung leidet. Das Verhalten ändert sich im Laufe der Kindheit häufig – das ist ein normaler Mechanismus des Heranwachsens.

Nur ein persönlicher Besuch beim Arzt kann Aufschluss geben – stellen Sie keine Eigendiagnosen. Der Arzt führt umfassende Tests durch, um eine qualifizierte Diagnose zu stellen. Falls Ihr Kind von der Autismus-Spektrum-Störung betroffen ist, helfen Ihnen die Therapeuten dabei, die Erkrankung zu akzeptieren und zu verstehen. So können Sie Ihrem Kind die bestmögliche Hilfestellung im Alltag leisten.

Ich habe gehört, dass das sogenannte ‚Verträumt Sein‘ bei Kindern auf einen epileptischen Anfall hindeuten kann. Bei einer Autismus-Spektrum-Störung sind die Kinder ja auch sehr verträumt. Haben die Erkrankungen etwas miteinander zu tun?

Dr. Dr. T. Weigl
Es handelt sich bei der Epilepsie und der Autismus-Spektrum-Störung zunächst um zwei verschiedene Krankheiten, auch wenn bei beiden die geistige Abwesenheit als Symptom auftritt. Eine differenzierte Diagnose ist allerdings notwendig, denn bei Kindern mit einer autistischen Störung treten epileptische Anfälle in manchen Fällen als Begleiterscheinung auf.

Es ist korrekt, dass sich ein (leichter) epileptischer Anfall möglicherweise in einer Art geistiger Abwesenheit des Kindes äußert. Die Ursache für den Anfall liegt im Gehirn: Viele Nerven (sog. ‚Neuronen‘) entladen sich zugleicht und lösen die Symptome aus. Erst wenn es häufiger zu einem epileptischen Anfall kommt, spricht man von einer Erkrankung an Epilepsie.

Möchten Sie mehr zum Thema Epilepsie und den Symptomen erfahren? Lesen Sie unseren Artikel Epilepsie – Wenn das Gehirn krampft

Typisches Patientenbeispiel

„Lenny… Lenny… Leeenny. Lenny, warum siehst du Mama nicht an? Reagiere doch, mein Schatz. Lenny…“, versucht Silke Mull die Aufmerksamkeit ihres Sohnes zu erlangen. Als sie den kleinen Jungen anstupst, schrickt er auf und sieht zur Seite. Er hat schon wieder seine Kuscheltiere in einer Reihe aufgestellt und war ganz vertieft in sein Spiel. „Irgendwas ist seltsam mit unserem kleinen Mann.“, sagt Silke besorgt zu Lennys Vater Paul. „Na gut“, lenkt Paul ein, „dann gehen wir eben zum Kinderarzt. Die nächste Impfung ist sowieso bald fällig. Wir fragen nach, in Ordnung?“

Mit der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung leben

Nach Wochen mit eingehenden Gesprächen und Untersuchungen vom Hausarzt und einem Kinderpsychiater ist die Diagnose sicher: Lenny leidet unter einer Autismus-Spektrum-Störung. Silke und Paul Mull sind zunächst schockiert: „Was sollen wir denn nun tun? Wie können wir uns vorbereiten auf das, was da auf uns zukommt?“, fragt Silke den Kinderpsychiater aufgelöst.

„Ich verstehe gut, dass dies erst einmal ein Schock für Sie ist. Aber wir haben viel Erfahrung mit der autistischen Störung. Ihr Sohn bekommt die Therapie, die er benötigt. Da er noch so klein ist, erhält er zunächst eine Einzeltherapie. Wenn er so weit ist, dann lernt er den Sozialkontakt mit anderen Kindern in der Gruppe.

Und Sie als Eltern erhalten auch Unterstützung. Sie lernen, wie Sie sich zu Hause einrichten und verhalten können, um mit der Erkrankung gut zurecht zu kommen. Sie können Ihren Sohn unterstützen. Es gibt nur einige Dinge, die Sie wissen und beachten müssen. Aber das werden Sie alles nach und nach lernen. Wir beantworten Ihnen gerne alle Ihre Fragen.“.

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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.

Autoren: Dr. Dr. Tobias Weigl, Melinda A. Mende
Lektorat: Clara Spottke
Veröffentlicht: 24.03.2020

Quellen

  • Amboss knowledge for medical students and physicians (2019): Autism spectrum disorder. In: amboss.com.
  • Nico Bast u. a. (2019): Pupil Dilation Progression Modulates Aberrant Social Cognition in Autism Spectrum Disorder. In: Autism Research 12/11, S. 1680–1692.
  • Thomas Bergmann u. a. (2019): Developing a Diagnostic Algorithm for the Music-Based Scale for Autism Diagnostics (MUSAD) Assessing Adults with Intellectual Disability. In: Journal of autism and developmental disorders 49/9, S. 3732–3752.
  • Deutsche Apothekerzeitung (2008): Was ist eigentlich eine Neurofibromatose? In: deutsche-apotheker-zeitung.de.
  • Rebecca Grzadzinski u. a. (2013): DSM-5 and autism spectrum disorders (ASDs). An opportunity for identifying ASD subtypes. In: Molecular autism 4/12, S. 1–6.
  • Claire A. Huijnen u. a. (2017): How to Implement Robots in Interventions for Children with Autism? A Co-creation Study Involving People with Autism, Parents and Professionals. In: Journal of Autism and Developmental Disorders 47/10, S. 3079–3096.
  • Silke Lipinski u. a. (2019): Outpatient psychotherapy for adults with high-functioning autism spectrum condition: Utilization, treatment satisfaction, and preferred modifications. Journal of autism and developmental disorders 49/3, S. 1154–1168.
  • Melinda A. Mende u. a. (2019): The use of social robots and the uncanny valley phenomenon. In: AI love you. Developments in human-robot interaction, S. 41–76. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg.
  • Neurologen und Psychiater im Netz (2020): Autismus-Spektrum-Störung-Spektrum-Störungen. In: neurologen-und-psychiater-im-netz.de.
  • Louise Poustka u. a. (2019): Autismus-Spektrum-Störung-Spektrum-Störungen. In: Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Band 3, S. 335–362, Springer Verlag, Heidelberg, Berlin.
  • Gabriela Rosenblau u. a. (2019): Neurobiological mechanisms of social cognition treatment in high-functioning adults with autism spectrum disorder. In: Journal of physiological medicine, S. 1–11.
  • Ludger Tebartz van Elst (2020): Party auch für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung? In: Info Neurologie & Psychiatrie 22/2, S. 21–21.
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