Von den Nieren hängen zahlreiche Prozesse wie der Blutdruck und das Stoffgleichgewicht im Körper ab. Umgekehrt beeinflussen viele Volkskrankheiten, aber auch Medikamente die Nierenfunktion. Damit kann potenziell jeder von einer Fehlregulation der Nieren betroffen sein. Wichtig für die Diagnose sind daher verschiedene Nierenwerte. — Dr. Dr. Tobias Weigl
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Quellen ansehenWo befinden sich die Nieren?
Um sich klarzumachen, welche Bedeutung die verschiedenen Nierenwerte haben können, muss man die Aufgaben und Funktionsweise der Nieren verstehen. Im Folgenden werden Ihnen daher wichtige Basisinformationen über die Nieren erläutert.
Wir haben im Normalfall zwei Nieren. Beide haben den selben Aufbau.
Die Nieren liegen paarweise als bohnenförmige Organe an der Rückseite des Rumpfes etwa auf Höhe der letzten beiden Rippenpaare und sind hinsichtlich der Aufteilung des Körpers in verschiedene, „abgeschlossene“ Kompartimente entwicklungsgeschichtlich vom Rest des Bauchraumes getrennt. Dabei liegt die rechte Niere durch die enge Nachbarschaft zur Leber etwas tiefer als die linke. Des Weiteren sind die Nieren von einer bindegewebigen Kapsel umhüllt, die in ein „Fettlager“ eingebettet ist, in der sich auch die Nebennieren als Hormonproduktionsorgane befinden. Um das Fettlager herum findet sich die sogenannte Nierenfaszie, die das jeweilige Organ verschieblich im rückseitigen Bauchraum verankert.
Kapsel und Fettlager erfüllen in erster Linie eine Schutzfunktion. Das Fettdepot polstert die stark durchbluteten Nieren gegen Stöße oder Druck ab und verhindert Gefäßrupturen, die innerhalb weniger Minuten tödlich verlaufen würden. Auch bei starker Gewichtsreduktion oder Untergewicht bleiben die Nierenfettlager bis zuletzt erhalten – werden auch sie vom Körper als Überlebensreserve verbraucht, kann es zu einer Absenkung der Nieren mit Harnstau oder im schlimmsten Fall zu einer lebensbedrohlichen Gefäßläsion kommen.
Die Nierenkapsel ist von zahlreichen Nervengeflechten durchzogen und damit besonders sensibel. Hat sich durch unlösliche Substanzen im Harn z.B. ein Stein gebildet, der die ableitenden Harnwege verlegt oder ist das Nierengewebe aus anderen Gründen entzündet, kommt es zur Schwellung und damit auch zur Dehnung der Kapsel, die der Patient als Rücken- oder Flankenschmerz wahrnimmt.
Welche Funktion haben die Nieren?
Nieren als Ausscheidungsorgan
Als wichtigste Ausscheidungsstationen weisen die Nieren (auf Größe und Gewicht bezogen) die höchste spezifische Durchblutung auf – etwa 1200 ml Blut durchfließen die Nieren pro Minute. Da die verschiedenen Blutzellen und Transportmoleküle den Nierenfilter jedoch nicht passieren (und somit im Körper rezirkulieren), ist für die Beurteilung der Nierenfunktion nicht der Blut- sondern der Plasmafluss entscheidend. Als Plasma wird der wässrige Anteil des Blutes bezeichnet, der frei von Zellen ist (etwa 55%). Ein Fünftel des Plasmas wird als Primärharn durch die Nierenfilter gepresst – das sind 180 Liter pro Tag! Da der Primärharn jedoch hauptsächlich Elektrolyte und Wasser enthält, wird er durch ein komplexes Schlauchsystem mit unterschiedlichen Konzentrationsgefällen zwischen Umgebung und „Schlauchinnerem“ osmotisch und über zahlreiche Kanal-Pump-Systeme bis auf ein Volumen von ca. 1,8 Liter konzentriert. Dieses Konzentrat aus Stoffwechselabbauprodukten, ggf. giftigen Substanzen oder Medikamenten sowie einem geringen Anteil an Elektrolyten (hier ist der Regelmechanismus sehr fein abgestimmt, sodass dem Körper in der Regel keine wichtigen Stoffe verloren gehen) wird schließlich als Endharn (Urin) ausgeschieden.
Je nach Zustand der Nierenfiltereinheiten können auch größere Moleküle oder sogar Zellen in den Primärharn gelangen, die die osmotischen Prozesse beeinflussen und die Harnkonzentrierung stören. Die Folge ist eine vermehrte Wasserausscheidung bzw. ein vermehrtes Wasserlassen (sog. ‚Polyurie’).
Ist der Blutzuckerspiegel erhöht, kann es zu einer Überlastung der Nierenfilter kommen – sie halten die Glukose nicht länger zurück, sodass diese im Urin auftaucht und osmotisch Wasser im Schlauchsystem bindet. Die Folge ist neben einer schleichenden Schädigung der Nierenfilterstationen übermäßiges oder häufiges Wasserlassen. Historisch wurde sich ebendieser Mechanismus zur Diagnose der „Zuckerkrankheit“ zunutze gemacht – der behandelnde Mediziner probierte den Urin seiner Patienten! Letztlich ist die Fachbezeichnung der Erkrankung ebenfalls auf das beschriebene Phänomen zurückzuführen – Diabetes mellitus heißt auf griechisch soviel wie „honigsüßer Fluss“.
Blutdruckregulation durch die Nieren
Die Niere ist neben der Ausscheidung im Wesentlichen an der Regulation des Blutdrucks beteiligt. Spezialisierte Zellen messen hierzu den Salzgehalt des Harns im Schlauchsystem. Das Verhältnis „Wasser“ zu „Salz“ nimmt bei geringer Nierendurchblutung (z.B. aufgrund geringen Blutvolumens und/oder niedrigen Blutdrucks) zugunsten des Salzes zu. Die „Messstation“ beginnt daraufhin gegenregulatorische Maßnahmen. Zuvorderst wird als Antwort auf den hohen Salzgehalt, ebenfalls aus der Niere, zunehmend das Hormon Renin ausgeschüttet. Dieses führt über die Ankurbelung verschiedener Enzyme letztlich dazu, dass vermehrt sogenanntes Aldosteron produziert wird. Aldosteron sorgt in den Endabschnitten des Nierenfiltersystems seinerseits dafür, dass Salz (und aus osmotischen Gründen somit auch Wasser) rückresorbiert (vom körpereigenen Gefäßsystem wiederaufgenommen) wird. Blutvolumen und Blutdruck steigen, die Nieren werden besser durchblutet, der Salzgehalt im Harn sinkt und idealerweise stellt sich ein für den Körper optimaler Gleichgewichtszustand ein.
Bei Gefäßverschlüssen, wie sie z. B. als Folge hoher LDL-Cholesterinwerte und einem allgemein ungesunden Lebensstil (Bewegungsmangel, Rauchen, Alkoholkonsum) auftreten, werden die Nieren zu gering durchblutet, obgleich Blutvolumen und Blutdruck eigentlich im Normbereich liegen. Die oben beschriebenen Regelmechanismen führen nun zu einer übermäßigen Erhöhung des Blutdrucks. Schlaganfall, Herzinfarkt oder die Herzinsuffizienz können je nach Begleiterkrankungen oder -faktoren die Folge sein.
Der beschriebene Regelkreis ist „Angriffsort“ zahlreicher, den Blutdruck regulierender Medikamente. In folgendem Video geht Dr. Tobias Weigl detaillierter auf die gängigsten Blutdruckmedikamente ein.
Hormonproduktion der Nieren
Als weitere wichtige Funktion der Niere ist die Produktion des Hormons Erythropoetin zu nennen, besser bekannt als EPO. Diese Substanz fördert die Bildung roter Blutkörperchen im Knochenmark und damit die Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff.
Sportler machen sich seit jeher das Hormon EPO zunutze. Legal lässt sich die körpereigene EPO-Produktion durch den Aufenthalt in Höhenlagen ankurbeln. Die Nieren registrieren eine Sauerstoffunterversorgung und setzen vermehrt EPO frei. Bei Wettkämpfen in weniger hoch gelegenen Gebieten ist durch die Zunahme der roten Blutkörperchen die Sauerstoffversorgung des Gewebes (explizit der Muskulatur) deutlich verbessert. Enorme Leistungssteigerungen, insbesondere bei Ausdauersportarten, sind möglich.
Elektrolytgleichgewicht durch die Nieren
Durch die Ausscheidungs- und Rückresorptionsprozesse sind die Nieren maßgeblich an der Herstellung und Aufrechterhaltung eines Stoffgleichgewichts im Blut beteiligt. Je nachdem, welche Hormone auf die Nieren wirken bzw. welche Transportprozesse vermehrt aktiv sind, können sich erhebliche Unterschiede für viele körpereigene Prozesse ergeben, die auf ein fein reguliertes Verhältnis verschiedener Ionen (geladene Teilchen) zueinander angewiesen sind. Die Auswirkungen auf den Körper reichen von Herzrhythmusstörungen über Dysregulationen der Nervenleitung bis hin zur Ödembildung (Wasseransammlung) und Blutdruckentgleisungen. Jeder Eingriff in die Ausscheidungsleistung der Niere, z. B. durch Diuretika (etwa Furosemid oder HCT) erfordert somit auch eine regelmäßige Kontrolle der Elektrolyte im Blut.
Welche Nierenwerte sind wichtig?
Für die Bestimmung der Funktionsfähigkeit der Nieren lassen sich mehrere Werte heranziehen, die Ihnen im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen.
Der Nierenwert Kreatinin
Bei Kreatinin handelt es sich um ein Abbauprodukt der Säure Kreatin, das in Relation zur Muskelmasse beständig anfällt und über die Nieren ausgeschieden wird. Bei Schädigung der Nierenfilter verbleibt vermehrt Kreatinin im Blut, sodass die Bestimmung dieses Parameters grobe Rückschlüsse auf die Nierenfunktion erlaubt.
Leider ist der Kreatinin-Wert nicht immer aussagekräftig – sowohl eiweißreiche Nahrungsmittel (übermäßiger Fleischkonsum) als auch der Umfang der Muskelmasse haben einen vergleichsweise großen Einfluss, sodass es bei intakter Nierenfunktion trotzdem zu falsch hohen oder falsch niedrigen Werten kommen kann.
Cystatin C als Nierenwert
Cystatin C wird in den meisten Zellen gebildet und fällt somit unabhängig vom Umfang der Muskelmasse an. Damit ist der Cystatin-C-Wert ein Parameter, der verlässlicher ist als Kreatinin.
Problematisch sind hierbei die verhältnismäßig teure Bestimmung sowie Verfälschungen z. B. aufgrund einer Schilddrüsenüberfunktion. Zudem wird es vermehrt bei Rauchern gebildet. Darüber hinaus kann die Bestimmung dieses Wertes jedoch ein präzises diagnostisches Mittel sein, wenn es um die Funktionsbestimmung der Niere geht.
Harnstoff als Nierenwert
Harnstoff ist ein Eiweißabbauprodukt, das über die Nieren ausgeschieden wird. Die Bestimmung des Harnstoff-Spiegels im Blut ermöglicht somit eine Einschätzung der allgemeinen Stoffwechsellage und lässt in geringem Umfang auch Rückschlüsse auf die Nierenfunktion zu.
Auch dieser Parameter ist stark von der zugeführten Nahrung sowie weiteren körpereigenen Vorgängen abhängig und ist erst bei schweren Nierenschäden signifikant erhöht.
Harnsäure als Nierenwert
Bei Harnsäure handelt es sich um einen Abbaustoff der DNA. Da laufend Zellen untergehen und nachgebildet werden, ist dieser Parameter ähnlich wie Cystatin C ein relativ konstant anfallender Wert.
Leider kann auch der Harnsäurespiegel je nach aufgenommener Nahrung oder bei vermehrtem Zelluntergang (z.B. im Rahmen einer Tumorerkrankung) erheblichen Schwankungen unterliegen und ist damit ein Nierenwert, der kein hinreichend genaues Messinstrument zur Bestimmung der Nierenfunktion darstellt.
Ein dauerhaft erhöhter Harnsäurespiegel führt zum Krankheitsbild der Gicht. Bei auffälligen Werten sollte in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt unbedingt eine Änderung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten ins Auge gefasst werden, um das Vollbild der Gicht gar nicht erst entstehen zu lassen.
Die Urinzusammensetzung als wichtiger Nierenwert-Indikator
Auch der Urin steht als diagnostisches Mittel zur Verfügung, da seine Zusammensetzung in erheblichem Maße von der Nierenleistung und dem Zustand der Nierenfilter abhängig ist. Tauchen z. B. vermehrt (größere) Eiweißstoffe, Blutzellen oder Zucker im Urin auf, können dies Hinweise auf andere Erkrankungen sein, wie etwa eine beginnende Niereninsuffizienz oder Diabetes sein. Häufiges Wasserlassen oder auch stinkender Urin sollten immer mit einem Arzt besprochen werden.
Insbesondere für die Abschätzung der Nierenfilterleistung ist der 24-Stunden-Sammelurin in Kombination mit den Ergebnissen einer Blutuntersuchung (Kreatinin-Wert) das Mittel der Wahl. Durch diese Maßnahme lässt sich die Nierenleistung relativ exakt bestimmen.
Blutbild
Da die Nieren maßgeblich für die Bildung roter Blutkörperchen verantwortlich sind, finden sich bei ausgeprägten Störungen dieses Organs häufig Anzeichen einer Blutarmut (sog. ‚Anämie’).
Welche Ursachen können erhöhte Nierenwerte haben?
Erhöhte Nierenwerte können verschiedene Ursachen haben. Für fast alle Werte gilt: Ist die Nierenfunktion eingeschränkt, lassen sich entsprechend erhöhte Werte diagnostizieren. Je nach Grad der Nierenfunktionseinschränkung gilt dies besonders für Cystatin C, Harnstoff und bspw. Eiweiß im Urin. Dies muss aber nicht nur für eine Niereninsuffizienz gelten, sondern kann auch auf andere Nierenerkrankungen hinweisen, die letztlich ebenfalls die Nierenfunktion beeinträchtigen. Wenn Sie mehr über Nierenerkrankungen erfahren möchten, schauen Sie sich gerne unseren Artikel „Nierenschmerzen & Nierenkolik – Ursachen, Diagnose und Behandlung“ an.
Erhöhter Kreatininspiegel
Für einen erhöhten Kreatininspiegel können – abgesehen von entsprechender Nahrung – neben einer Niereninsuffizienz auch u. a. folgende Gründe verantwortlich sein:
- Bluthochdruck – Nierenerkrankungen können häufiger im Zusammenhang mit Bluthochdruck stehen. Da Hypertonie allmählich die Arterien verkalkt – und die Niere von zahlreichen Gefäßen durchzogen ist –, verschlechtert sich allmählich die Nierendurchblutung. Dies schädigt die Niere, wodurch ihre Funktion langsam nachlässt.
- Entzündungen der Haut und Muskulatur
- Muskelschwund (sog. ‚Muskeldystrophie’)
- Verletzungen der Muskulatur
Zu niedrige Werte sind medizinisch dagegen ohne Relevanz.
Erhöhte Harnstoffwerte
Erhöhte Harnstoffwerte lassen sich bspw. auf folgende Faktoren zurückführen:
- Hypovolämie – die Blutmenge, die im Blutkreislauf zirkuliert, ist vermindert
- Dehydratation
- Fieber
- Hungerzustände
- erhöhte Harnausscheidung
- Durchfall & Erbrechen
Erhöhte Harnsäurewerte
Mehr Harnsäure produziert der Körper zum Beispiel bei
- Leukämie,
- Vergiftungen, z. B. durch Blei,
- einer Überfunktion der Nebenschilddrüse,
- einer Schilddrüsenunterfunktion,
- bei der Einnahme von bspw. Thiaziddiuretika (etwa HCT),
- einer Thrombozythämie (Erkrankung des Knochenmarks),
- Nierenfunktionsstörungen
Symptome einer Fehlregulation der Nierenwerte
Nierenfunktionsstörungen fallen meist durch ihre Begleiterscheinungen auf und können unterschiedliche Ursachen haben.
Aufhorchen lassen sollten:
- Schmerzen im Bereich des seitlichen, unteren Rückens
- vermehrter oder verminderter Harndrang
- übermäßiges Durstempfinden
- farbliche Veränderungen des Urins
- Ödeme (Wasseransammlungen), meist in unteren Körperpartien
- Blässe und Schwäche
- Kurzatmigkeit
- Elektrolytentgleisungen
Was tut der Arzt? Teil 1: Nierenwerte als wichtiges Diagnosemittel
An erster Stelle steht das ausführliche Anamnesegespräch. Darin wird Ihr Arzt Symptome erfragen, Ihre Ernährungs- und Trinkgewohnheiten festhalten sowie auf bestehende Erkrankungen und ggf. Medikamenteneinnahmen eingehen. Anschließend folgt die körperliche Untersuchung. Neben dem sog. Nierenklopfschmerz (Schmerz beim Beklopfen der Flanken) testet der Arzt die Beine auf Wassereinlagerungen. Bleibt beim Eindrücken der Haut eine Delle zurück, die sich erst langsam normalisiert, spricht das für Beinödeme, was umgangssprachlich oft als „Wasser in den Beinen“ bezeichnet wird.
Anschließend folgt die Analyse der Nierenfunktion anhand der typischen Nierenwerte. Hierzu stehen die unterschiedlichen Parameter in Blut und Urin zur Verfügung, die letztlich eine Abschätzung der sogenannten GFR (glomerulären Filtrationsrate – wie viel Blut wird insgesamt in der Niere „gefiltert“ bzw. wie intakt ist der Nierenfilter) erlauben. Als Normalwerte gelten:
- für Männer: 95–145 ml/min
- für Frauen: 75–125 ml/min
Dabei kommt es ab etwa dem 30. Lebensjahr zu einem natürlichen Abfall der Nierenfiltration (ca. 10ml/min pro 10 Jahre).
Die Bestimmung der GFR erfolgt nach einer bestimmten Formel, die Parameter wie Alter, Gewicht, Geschlecht sowie den Kreatinin-Wert einschließt.
Was tut der Arzt? Teil 2: Behandlung bei erhöhten Nierenwerten
In der Regel wird Ihr behandelnder Arzt mehrere der oben genannten Blutparameter bestimmen und Sie bei Verdacht auf ein Nierenleiden dazu anhalten, über 24 Stunden Urin zu sammeln, um einen möglichst genauen Eindruck Ihrer Nierenfunktion zu erhalten. Lässt sich anhand der körperlichen Untersuchung sowie der Ergebnisse des Blutbildes und der Urinuntersuchung eine Funktionsstörung der Nieren feststellen, steht die Suche nach möglichen Ursachen im Mittelpunkt der weiteren Diagnostik. Meist führen Erkrankungen wie Diabetes oder Hypertonie (Bluthochdruck) ggf. in Kombination mit hohen Blutfettwerten zur Funktionseinschränkung der Nieren. Grundsätzlich gilt: Die zugrunde liegende Grunderkrankung, die die erhöhten Nierenwerte verursacht, muss identifiziert und behandelt werden.
Wie eine solche Therapie einer Grunderkrankung aufgrund bestimmter hoher Nierenwerte aussehen kann, wird Ihnen im Folgenden am Beispiel einer Niereninsuffizienz gezeigt.
Stabilisierung der Nierenfunktion
- ausreichend trinken (ca. 2 l/Tag, je nach körperlicher Aktivität auch mehr!)
- Elektrolyte kontrollieren und ggf. korrigieren lassen (wichtig sind vor allem Natrium, Kalium und Calcium)
- ggf. Einsatz harntreibender Arzneimittel (z. B. Furosemid oder HCT) zur Ausscheidung giftiger Stoffwechselprodukte
Anpassung des Lebensstils
- Vermeidung nierenschädigenden Verhaltens, z. B. aufhören zu rauchen
- Vermeidung (potenziell) nierenschädigender Substanzen wie z. B. ASS, Ibuprofen, Diclofenac
- Vorsicht bei Verwendung antibiotischer oder antiviraler Substanzen (Antibiotika aus der Gruppe der Aminoglykoside oder Glykopeptide sind wie auch viele Virostatika tendenziell nierenschädigend – hier ist die Absprache mit dem behandelnden Arzt sowie das exakte Einhalten der Mengenvorgaben entscheidend!)
Blutdruckeinstellung
- Senkung des Blutdrucks auf durchschnittliche Werte unterhalb von 130/80 mmHg bzw. bei schwerer Funktionseinschränkung noch niedriger
- bevorzugte Medikamentengruppe: ACE-Hemmer wie Enalapril, Ramipril usw., da diese belegt „nierenschützend“ wirken
- strenge Einhaltung der altersentsprechenden „Fettwerte“ im Blut und ggf. Cholesterinsenkung mit Statinen
Substitution wichtiger Substanzen
- Einnahme von Eisenpräparaten bei bestehender oder drohender Blutarmut
- regelmäßige Kontrolle des Phosphat- und Calciumspiegels sowie ggf. Korrektur
- Vitamin-D-Substitution
Häufige Patientenfragen
Wie kann ich einer Nierenerkrankung vorbeugen?
Dr. T. Weigl:
Meist entwickelt sich eine Niereninsuffizienz aufgrund einer anderen, sog. primären Erkrankung. Dies kann ein unentdeckter Diabetes, Bluthochdruck, aber auch zweifelhafte Lebensgewohnheiten mit hohem Alkohol- und Tabakkonsum sowie übermäßigem Fleisch- und Fettgenuss sein. Aber auch eine verschleppte Blasenentzündung, die sich im Verlauf auf das Nierenbecken und dann große Teile des Nierengewebes ausbreitet, kann Nierenfunktionsstörungen begünstigen oder, je nach Ausmaß der bakteriellen Besiedelung und Entzündung, sogar auslösen.
Um entsprechenden chronischen Nierenstörungen vorzubeugen, lohnen sich regelmäßige Blutkontrollen (besonders Blutzucker, Fettwerte, Kreatinin und ggf. Harnsäure sollten bestimmt werden) bzw. Kontrollen des Blutdrucks. Die Einnahme verordneter Medikamente sollte immer gemäß der verschriebenen Menge erfolgen. Gerade die gängigsten Schmerzmittel können bei Dauereinnahme die Nieren schädigen!
Die meisten Haushalte besitzen rezeptfreie Schmerzmittel wie Ibuprofen und viele nutzen Sie etwa bei Kopfschmerzen. Aber selbst solche vermeintlich „einfachen“ Tabletten bringen gewisse Risiken mit. Über diese und andere Aspekte gängiger Schmerzmittel klärt Sie Dr. Tobias Weigl im folgenden Video auf.
Kann ich anhand dieser Nierenwerte selbst feststellen, wie es um meine Nierenfunktion bestellt ist?
Dr. T. Weigl:
Zuvorderst sind jegliche Verdachtsdiagnosen in erster Linie mit Ihrem Hausarzt zu besprechen – trauen Sie sich ruhig, so lange nachzufragen, bis Sie Diagnose und weitere Schritte wirklich verstanden haben. Wenn Sie nun aber Werte ohne große Erklärung in Händen halten, gibt es die Möglichkeit, die sogenannte „Glomeruläre Filtrationsrate“ (GFR, Filterleistung der Niere) oder auch „Clearance“ (wieviel ml Blut pro Zeiteinheit durch die Nieren von einem Stoff wie Kreatinin „gereinigt“ wurde) anhand des Kreatinin-Werts und einiger persönlicher Parameter (Gewicht, Größe, Geschlecht usw.) errechnen zu lassen. An dieser Stelle können Sie Ihren GFR berechnen lassen.
Hat meine Ernährung Einfluss auf die Nierenfunktion?
Dr. T. Weigl:
Ja. Insbesondere die oben angeführten Grunderkrankungen sind oft zu erheblichen Teilen vom Lebensstil, insbesondere den Ernährungsgewohnheiten abhängig. Auch weisen jüngere Forschungsergebnisse darauf hin, dass eine fettarme sowie proteinarme (also vegetarische) Kost sich günstig auf die Nierenfunktion bzw. verlangsamend auf das Fortschreiten einer Nierenfunktionsstörung auswirken.
„Die Behandlung Ihres Diabetes und Bluthochdrucks muss nun oberste Priorität haben, da sonst bleibende schwere Schäden der Nieren drohen. Ich würde Ihnen Metformin zur Senkung Ihres Blutzuckerspiegels und Ramipril als Blutdruckmittel empfehlen. Außerdem eine zuckerreduzierte Lebensweise und eine Trinkmenge von mindestens 2 Liter Wasser oder Tee täglich. Wenn die Wassereinlagerungen nicht besser werden, müssten wir außerdem über ein harntreibendes Medikament nachdenken. Vor allem aber: Messen Sie selbst regelmäßig den Blutdruck und kommen Sie unbedingt in sechs Wochen zur Nachkontrolle der Zuckerwerte wieder!“
Brigitte nimmt die Empfehlungen ernst und ändert Ihre bisherigen Lebensgewohnheiten radikal. Unter Einnahme von Metformin und Ramipril bessern sich Zucker und Blutdruck und mit Einnahme des harntreibenden Medikamentes verschwinden auch die Beinödeme. Dennoch wird Sie ein Leben lang achtsam sein müssen, bestimmte Medikamente und Antibiotika nicht nehmen dürfen und penibel Ihren Blutdruck im Auge behalten.
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.Autoren: Dr. Tobias Weigl und Anna-Alice Ortner
Redaktion: Sebastian Mittelberg
Veröffentlicht am: 11.03.2019, zuletzt aktualisiert: 16.04.2019
Quellen
- N. Graf (2013): Basics Klinische Chemie, Elsevier Urban & Fischer, Amsterdam.
- G. Herold u. a. (2019): Innere Medizin. Eigenverlag, Köln.
- internisten-im-netz.de (Hg.): Kreatinin.
- H. P. Kierdorf (2006): Organversagen Niere, Diagnostik und Therapie. In:
Deutsche medizinische Wochenschrift 131, S. 2475–2479. - Heinz Lüllmann u. a. (2010): Pharmakologie und Toxikologie, Arzneimittelwirkungen verstehen – Medikamente gezielt einsetzen. Georg-Thieme Verlag, Stuttgart.
- Johannes Mann (2014): Nierenerkrankungen. Was ihre Nieren schützt und stärkt, 2. Auflage. Trias-Verlag, München.
- Roche Pharma Nephrologie (Hg.): eGFR Kalkulatoren. GFR berechnen.
- Natale G. De Santo u. a. (2011): Low protein diets are mainstay for management of chronic kidney disease. Frontiers in Bioscience 3, S. 1432–1442.
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