Vitamin-D-Kritiker müssen sich oft anhören, dass die Studien, die sie zitieren, mit viel zu geringen Mengen Vitamin D arbeiteten und das Vitamin in viel höheren Dosen eingenommen werden müsse, um seine tatsächliche Wirkung zu entfalten. Oft ist in diesem Zusammenhang auch die Rede vom sogenannten Coimbra-Protokoll, einer Ultrahochdosis-Vitamin-D-Behandlung. Erfahrungsberichten zufolge sorgt diese für sehr gute Ergebnisse in der Behandlung von Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose oder rheumatoide Arthritis.
Wir haben uns im Artikel „Klartext – Nahrungsergänzungsmittel präventiv gegen Vitamin-D-Mangel einnehmen?“ schon mit der prophylaktischen Wirkung von Vitamin-D-Supplementen beschäftigt. Jetzt wollen wir einmal mehr Klartext sprechen und legen den Fokus in diesem Artikel auf die Hochdosis-Therapie mit dem Sonnenvitamin.
Was wir vorab sagen können: Es wird mehr behauptet als bewiesen ist und mitunter kann eine Hochdosis-Therapie mit Vitamin D auch – sehr selten – zu gefährlichen Vergiftungen führen. Wenn Sie also planen, eine solche Therapie durchzuführen, sprechen Sie bitte vorab mit Ihrem Arzt über mögliche Hindernisse.
„Das Problem beim Vitamin D ist die schlechte Beweislage. Es gibt zwar Hinweise auf mögliche gute Wirkungen, aber ohne handfeste Beweise ist die Supplementierung eher kritisch zu betrachten.“ — Dr. Dr. Tobias Weigl Share on XIn Kürze: Was ist Vitamin D und wie kommt es zu einem Mangel?
Bei Vitamin D handelt es sich eigentlich um einen Sammelbegriff für die sogenannten Calciferole. Dieser Oberbegriff beschreibt die fettlösliche Vitamine mit den wichtigsten Vertretern D3 und D2. Die größte Bedeutung kommt dem Vitamin D im Rahmen unseres Knochenstoffwechsels zu. Denn es unterstützt unseren Körper in der Aufgabe, Mineralstoffe wie Calcium und Phosphat aus dem Darm aufzunehmen und schlussendlich in den Knochen einzubauen.
Weitere Stoffwechselvorgänge, an denen das Vitamin beteiligt ist, können Sie unserem Artikel „Vitamin-D-Mangel – Evidenz & Wirkung – Kein Wundermittel gegen Krebs und Co.“ entnehmen.
Normalerweise bilden wir Vitamin D durch eine bestimmte Wellenlänge an UV-B-Strahlung, sprich durch Aufenthalt an der Sonne. Ganzjährig ist das in Deutschland aber nicht möglich, da wir uns auf der nördlichen Erdhalbkugel befinden und die Sonne hier demnach nur von ungefähr März bis Oktober ausreichend scheint. In der Regel können wir in diesem Zeitraum ausreichend Vitamin D bilden, um mit den dann angelegten Reserven auch heil über den Winter zu kommen.
Wie entsteht denn dann ein Mangel an Vitamin D?
Da aber viele verschiedene Faktoren das Anlegen ebendieser Reserven beeinflussen können (z. B. das Klima, die Höhenlage, die Sonnenscheindauer oder auch die Luftverschmutzung), kann es sein, dass wir über kurz oder lang einen Vitamin-D-Mangel erleiden. Auch verschiedene individuelle Faktoren wie das Alter, die Hautfarbe, das Gewicht und bestimmte Kleidungsgewohnheiten beeinflussen die Produktion von Vitamin D maßgeblich. Letztlich können natürlich auch Erkrankungen von Magen, Darm, Leber oder Nieren oder einige Medikamente (bspw. Antiepileptika gegen Epilepsie oder Zytostika gegen Krebs) unseren Vitamin-D-Stoffwechsel beeinträchtigen.
Letzten Endes zeigt sich ein Vitamin-D-Mangel im Kindesalter vor allem in Form eines gestörten Knochenwachstums (sog. ‚Rachitis‘), wohingegen sich die Knochen von Erwachsenen aufweichen (sog. ‚Osteomalazie‘) und es so leichter zu Brüchen kommen kann. Außerdem erhöht sich mit zunehmendem Alter auch das Risiko für „Knochenschwund“ (sog. ‚Osteoporose‘).
Wenn Sie herausfinden möchten, wie ein Mangel an Vitamin D wissenschaftlich definiert ist, welche Folgen er haben kann und bei wem letztlich wirklich der Bedarf von künstlichem Vitamin D besteht, können Sie unseren Artikel „Klartext – Nahrungsergänzungsmittel präventiv gegen Vitamin-D-Mangel einnehmen?“ lesen oder sich das nachfolgende Video von Dr. Dr. Tobias Weigl anschauen, der sich dem Thema im Detail widmet.
Was ist eine Vitamin-D-Hochdosistherapie und was ist das Coimbra-Protokoll?
Kurz gesagt: Es gibt nicht DIE Hochdosis-Therapie. In Studien wird diesbezüglich häufig variiert. Im Folgenden werden wir aber auf die Mengen Vitamin D sowie den zugehörigen Zeitraum eingehen, sodass Sie sich ein Bild von den Dosierungen machen können.
Zum Vergleich: Das Bundesamt für Risikobewertung empfiehlt eine maximale Tageszufuhr von 800 i. E. (internationale Einheiten).
Das schon eingangs erwähnte Coimbra-Protokoll ist eine viel propagierte, aber auch nicht unumstrittene Form der Hochdosis-Behandlung mit Vitamin D. Namensgeber dieser Behandlung ist der brasilianische Arzt Cicero Galli Coimbra. Er sagt, dass bestimmte Patienten mit Multiple Sklerose eine Resistenz gegen Vitamin D entwickeln. Diese sei – grob gesagt – das Ergebnis von Veränderungen unseres Erbguts, die sich abhängig vom Lebensstil ergeben. Der Fachausdruck für diese unkonkrete Umschreibung lautet epigenetische Polymorphismen. Zudem argumentiert Coimbra, dass bis zu 15 % der Weltbevölkerung Vitamin B2 schlecht aufnehmen können. Das sei wichtig, weil es über ein bestimmtes Enzym direkt am Vitamin-D-Stoffwechsel beteiligt ist.
Sehr viel Vitamin D – sehr viel Wirkung?
Die Mengen an Vitamin D, die beim Coimbra-Protokoll zum Einsatz kommen, schießen in teils astronomische Höhen. Eine von Multiple Sklerose betroffene Patientin erhielt nach anfänglichen Untersuchungen – diese müssen unternommen werden, da die Menge Vitamin D individuell ermittelt wird – 80.000 i. E. pro Tag. Ebenso erhielt die Patientin verschiedene Mikronährstoffe, die eine Aufnahme des Vitamins erleichtern sollen. Außerdem sei eine calciumarme Diät notwendig. Des Weiteren müssen Behandelte mindestens 2,5 Liter pro Tag trinken und bis zu fünf Mal die Woche Sport treiben. Bisher liegt keine ausreichende Evidenz für den Nutzen dieser Therapieform vor, der Erfolg stützt sich lediglich auf Erfahrungsberichte.
Wahrscheinlich übernehmen die Krankenkassen hierzulande auch deshalb nicht die Kosten für das Coimbra-Protokoll, das übrigens nur einige wenige sogenannte „Protokoll-Ärzte“ anwenden dürfen. Wir fassen einmal – basierend auf den Angaben der deutschsprachigen Internetpräsenz des Coimbra-Protokolls – kurz zusammen, welche Kosten dabei theoretisch auf Sie zukämen.
- etwa 150–200 € pro Stunde Beratung
- Blut- und Urinuntersuchung jeweils 80–95 €
- Vitamin D + andere Nahrungsergänzungsmittel etwa 70–100 € pro Monat
Der Ersttermin dauert bis zu 120 Minuten, die weiteren Termine seien kürzer (aber immer mit Blut- und Urinuntersuchungen verbunden).
Im folgenden Kapitel gehen wir gezielt auf Studien ein, in denen Vitamin D in erhöhter Dosis verabreicht wurde, und präsentieren die jeweiligen Ergebnisse.
Dr. Dr. Tobias Weigl hat das Thema Vitamin-D-Hochdosis-Therapie auch in einem Video genauer unter die Lupe genommen. Darin erörtert er den Nutzen dieses Therapieansatzes und urteilt, welche Behauptungen eher an den Haaren herbeigezogen sind.
Nutzen einer Vitamin-D-Hochdosis-Therapie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Monatliche Behandlung mit Vitamin-D-Hochdosis
Forscher um Robert Scragg von der School of Population Health in Neuseeland haben ihre Studie unternommen [1], weil sie sich bewusst waren, dass verschiedene Kohorten-Studien bereits auf einen Zusammenhang zwischen einem geringen Vitamin-D-Status und der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinwiesen. Dazu gehören bspw. Herzinfarkt, Schlaganfall, Angina pectoris, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Thrombose oder Atherosklerose. Sie betonen, dass bisherige Studien diesen Zusammenhang nicht schlussendlich belegen konnten und nahmen an, dass dies mit der zu geringen Gabe Vitamin D in Verbindung stand.
Aus diesem Grund richteten sie ihre Forschung darauf aus, den Effekt einer einmal pro Monat gegebenen Hochdosis zu untersuchen. Zwischen April 2011 und November 2012 konnten insgesamt 5.108 Teilnehmer für die Studie gewonnen werden. Ihr Alter lag zwischen 50 und 84 Jahren. Die Teilnehmer wurden auf eine Vitamin-D3-Gruppe und eine Placebo-Gruppe aufgeteilt.
Anfangs bekamen die Teilnehmer eine einmalige Dosis von 200.000 i. E., ab dann bekamen sie einmal pro Monat 100.000 i. E. – die Untersuchungen erfolgten über einen Zeitraum von im Schnitt 3,3 Jahren. Etwa ein Viertel aller Teilnehmer (24,9 %) galt eingangs als mit Vitamin D unterversorgt.
Das Ergebnis war ernüchternd: In der Vitamin-D-Gruppe kam es bei 11,8 % der Teilnehmer zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in der Placebo-Gruppe waren es 11,5 %. Aus diesen Ergebnissen schlussfolgern die Forscher, dass eine monatliche Hochdosis-Therapie mit Vitamin D Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht vorbeugen kann. Nichtsdestotrotz gestehen sie ein, dass der Effekt einer wöchentlichen oder gar täglichen Hochdosis weiter untersucht werden müsse.
Hochdosiertes Vitamin D gegen Bluthochdruck
Schon einige Jahre zuvor untersuchten Robert Scragg und seine Kollegen die Auswirkungen ähnlicher Dosierungen auf den Blutdruck. In ihrer Studie eingeschlossen waren Teilnehmer mit normalem Blutdruck sowie Bluthochdruck, ein Großteil der Teilnehmer war weiß (94 %) und zu drei Vierteln weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 47,6 Jahren.
Per Zufall wurden die Teilnehmer in eine Vitamin-D-Gruppe und eine Placebo-Gruppe unterteilt. Die Vitamin-D-Gruppe erhielt einmal zu Beginn 200.000 i. E. Vitamin D und nach zwei weiteren Monaten dann pro Monat 100.000 i. E. über einen Zeitraum von 18 Monaten. Der Blutdruck wurde einmal am Anfang, einmal nach 5 Monaten und ein letztes Mal nach 18 Monaten gemessen.
Zu Beginn der Untersuchungen lag der Blutdruck bei etwa dem gleichen Wert. In der Vitamin-D-Gruppe ergab die Anfangsmessung 123,4/76,3 mmHG, in der Placebo-Gruppe belief sich die Messung auf 122,6/75,6 mmHG. Die Messungen nach 18 Monaten wichen nur so gering ab, dass sie als nicht signifikant eingestuft worden sind.
Die Forscher kommen hier zu dem Schluss, dass eine Langzeitgabe von hochdosiertem Vitamin D über einen Zeitraum von 18 Monaten keinen Einfluss auf den Blutdruck von – vorwiegend weißen – gesunden Erwachsenen hat, wenn diese nicht schon an einem Vitamin-D-Mangel litten. Nichtsdestoweniger räumen sie auch ein, dass diese Ergebnisse keine Aussagekraft für andere Bevölkerungsschichten haben. Die Vitamin-D-Werte wurden im Verlauf der Studie auf über 100 nmol/l angehoben.
Sie haben schon öfter von der „Volkskrankheit“ Bluthochdruck gehört, können sich aber nichts Genaues etwas darunter vorstellen oder würden gerne wissen, wie man den Blutdruck auf natürliche Weise senken kann? Dann schauen Sie sich gerne das nachfolgende Video von Dr. Dr. Tobias Weigl an, in dem er im Detail auf die Erkrankung eingeht.
Vitamin-D-Hochdosis-Therapie und die Knochen
In diesem Kapitel widmen wir uns dem Aspekt, der am häufigsten im Zusammenhang mit Vitamin D Erwähnung findet, nämlich unserer Knochengesundheit. Dazu analysieren wir mehrere Studien, in denen Vitamin D mal leicht erhöht und mal stark erhöht zum Einsatz kam.
Drei verschiedene Dosierungen, ein Ergebnis
Ein Vitamin-D-Mangel ergibt sich häufig im fortgeschrittenen Alter. Dann kommt es zu Knochenabbau und -verlust und in der Folge zu mehr Stürzen und Brüchen. Die Vitamin-D-Supplementierung und ihr Einfluss auf die Knochendichte hat in klinischen Tests bisher aber für widersprüchliche Ergebnisse gesorgt, weshalb sich Terry J. Aspray und seine Kollegen des Themas noch einmal genauer annahmen.
In ihrer Studie haben sie den Einfluss von Vitamin D auf die Knochendichte im Bereich der Hüfte untersucht und ebendiese Dichte mithilfe der sogenannten Dual Energy X-ray Absorptiometry untersucht. Das ist das gängigste Verfahren zur Bestimmung der Knochendichte.
Für ihre Untersuchungen standen den Forschern insgesamt 379 Erwachsene im Alter von über 70 Jahren zur Verfügung, das Durchschnittsalter lag bei 75 Jahren. Die Teilnehmer wurden per Zufall auf drei Gruppen verteilt, die einmal im Monat entweder 12.000, 24.000 oder 48.000 i. E. Vitamin D3 bekamen. Durch die Gabe von Vitamin D erhöhte sich der Vitamin-D-Spiegel in jeder Gruppe. Die 12.000er Gruppe kam am Ende auf durchschnittlich 55,9 nmol/l, die 24.000er auf 64,6 nmol/l und die 48.000er auf 79,0 nmol/l.
Im Ergebnis nach 12 Monaten konnten keine Veränderungen in Bezug auf die Knochendichte zwischen den drei Gruppen beobachtet werden. Allerdings kam es auch in keiner Gruppe zu wesentlichen Nebenwirkungen, die in Zusammenhang mit der erhöhten Dosierung gebracht werden könnten. Die Forscher beurteilen ihr Vorgehen letztlich als sicher, um den Vitamin-D-Spiegel zu erhöhen, konnten aber keinen Effekt hinsichtlich ihres Untersuchungsgegenstands ausmachen.
Mehr Vitamin D = schlechtere Knochendichte?
Lauren A. Burt und ihre Kollegen untersuchten in ihrer Studie ebenso Knochendichte und -stärke und begründen ihre Untersuchungen damit, dass es bisher wenig Forschung gegeben hat, die sich mit dem Thema erhöhter Vitamin-D-Dosen beschäftigte, obwohl etwa 3 % der US-amerikanischen Bevölkerung 4.000 i. E. Vitamin D oder mehr pro Tag einnehmen.
Zu diesem Zweck hat das kanadische Forscherteam eine Studie über drei Jahre angelegt (August 2013 – Dezember 2017). Die Teilnehmer waren 311 gesunde Erwachsene mit Osteoporose in einem Alter von 55–70 Jahren. Der Vitamin-D-Wert der Teilnehmer lag zu Beginn zwischen 30 und 125 nmol/l.
Die Teilnehmer wurden auf drei Gruppen aufgeteilt, die täglich entweder 400 i. E., 4.000 i. E. oder 10.000 i. E. erhielten. Teilnehmer, die täglich unter 1.200 mg Calcium zu sich nahmen, wurden entsprechend supplementiert.
Insgesamt nahmen bis zum Ende der Studie 287 Probanden über die volle Laufzeit teil. In der 400er Gruppe lagen die Vitamin-D-Werte anfangs bei 76,3, nach 3 Monaten bei 76,7 und nach 3 Jahren schließlich bei 77,4 nmol/l. Die 4.000er Gruppe kam entsprechend auf 81,3, 115,3 und 132,2 nmol/l und die 10.000er Gruppe auf 78,4, 188,0 und 144,4 nmol/l. Es ließen sich Veränderungen in der Knochendichte feststellen: In der 4.000er und der 10.000er Gruppe kam es nach 3 Jahren im Vergleich zur 400er Gruppe zu einer geringeren Dichte in der Speiche, die Dichte des Schienbeins wurde nur signifikant in der 10.000er Gruppe beeinflusst. Für die Knochenstärke ergaben sich keine wesentlichen Veränderungen.
Angesichts dieser Ergebnisse schlussfolgern die Forscher, dass hochdosierte Vitamin-D-Supplementierung keinen positiven Einfluss auf die Knochengesundheit hat und weitere Tests zeigen müssen, ob eine zu hohe Gabe vielleicht sogar schädlich ist.
Mehr Vitamin D, mehr Stürze
Eine eingeschränkte Funktionalität der unteren Extremitäten geht einher mit einem erhöhten Risiko für Stürze, Hüftfrakturen und einem Verlust der Selbstständigkeit. Dies gewinnt umso mehr an Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die Bevölkerung stetig altert. Aus diesem Grund haben Heike A. Bischoff-Ferrari und ihre Kollegen eine Studie angelegt, in der es darum ging, zu bestimmen, inwiefern hochdosiertes Vitamin D die Abnahme körperlicher Funktionalität beeinflusst.
Zu diesem Zweck untersuchten die Forscher über einen Zeitraum von einem Jahr (Mai 2010–2011) 200 Teilnehmer in einem Alter von über 70 Jahren, bei denen sich vorher bereits Stürze ereignet hatten. Die daraus gewonnen Daten wurden über einen Zeitraum von etwa drei Jahren (Juni 2012 – Oktober 2015) ausgewertet.
Die Teilnehmer wurden auf drei Gruppen aufgeteilt, die je eine bestimmte Dosis Vitamin D3 pro Monat bekam. Es gab eine Gruppe mit 24.000 i. E., eine mit 60.000 i. E. und eine mit 24.000 i. E. plus 300 μg Calcifediol pro Monat. Calcifediol ist eine Vorstufe von Vitamin D, die in der Leber aus Cholecalciferol gebildet wird.
Das Ergebnis: Je höher die Dosis, desto besser konnte die angepeilte Vitamin-D-Schwelle von 30 ng/ml erreicht werden. Aber: Im Vergleich zu der normalen 24.000er Gruppe kam es in der 60.000er Gruppe und der Gruppe mit 24.000 i. E. plus Calcifediol zu wesentlich mehr Stürzen. Es war also keine Verbesserung der körperlichen Funktionalität zu beobachten, sondern es kam sogar zu mehr Zwischenfällen als bei einer geringeren Dosis.
Nutzen von Vitamin D bestätigt?
Die Gebrechlichkeit im Alter geht oft mit einem Vitamin-D-Mangel einher. Welchen Einfluss aber die Gabe von Vitamin-D-Präparaten auf diesen Umstand hat, ist unklar. Um neuromuskuläre Effekte auszulösen, sollen mehr als die empfohlenen 800 i. E. vonnöten sein. Vor diesem Hintergrund unternahmen Manuel Montero-Odasso und seine Kollegen eine Untersuchung , in der sie bestimmen wollten, ob 4.000 i. E. Vitamin D pro Tag in der Gruppe älterer Menschen sicher sind. Außerdem wollten sie die Wirksamkeit von hochdosiertem Vitamin D hinsichtlich der körperlichen Funktionalität in dieser Altersgruppe belegen.
Zu diesem Zweck führten sie Untersuchungen an 40 älteren Erwachsenen durch, die bereits gebrechlich waren oder sich in einem Stadium kurz davor befanden. Die Probanden erhielten im Rahmen einer sogenannten Machbarkeitsstudie je 4.000 i. E. Vitamin D3 und 1.200 μg Calciumcarbonat pro Tag, und zwar über einen Zeitraum von vier Monaten. Alle Teilnehmer wurden gemäß mehrerer Kriterien beurteilt, darunter zum einen die körperliche Leistungsfähigkeit samt Griffstärke, Laufgeschwindigkeit und der sogenannte Short Physical Performance Battery Score (ein Wert, der verschiedene Funktionstests zusammenfasst), und zum anderen die geistige Gesundheit sowie der Vitamin-D-Spiegel.
Zusammenfassend kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Gabe von 4.000 i. E. Vitamin D pro Tag als sicher eingestuft werden kann und sowohl gebrechliche ältere Personen als auch solche mit festgestelltem Vitamin-D-Mangel in Bezug auf ihre körperliche Leistungsfähigkeit davon profitieren können. Bei den Personen, die noch nicht als gebrechlich galten und auch keinen Mangel aufwiesen, kam es zu keiner signifikanten Verbesserung.
Hochdosiertes Vitamin D und Multiple Sklerose
Im Zusammenhang mit der chronisch-entzündlichen Nervenerkrankung Multiple Sklerose rücken Vitamin D und vor allem das eingangs angesprochene Coimbra-Protokoll wieder in den Fokus. Vor diesem Hintergrund diskutieren Heinz Wiendl (Direktor Neurologische Klinik Universitätsklinik Münster) und Kollegen auf der Internetpräsenz der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft e. V. den Nutzen von hochdosiertem Vitamin D und kommen zu dem Schluss, dass die bisher veröffentlichten Studien zum Thema (mit Dosierungen von bspw. 14.000 i. E. und maximaler Untersuchungsdauer von 96 Wochen) schlicht zu kurz angelegt und daher nicht aussagekräftig seien, wenn es darum geht, hochdosiertes Vitamin D bei MS-Patienten anzuwenden. Demgegenüber konnten sie aber auch keinen Schaden nachweisen. Die Forscher fordern weitere kontrollierte Studien, in denen der Zusammenhang weiter ergründet wird.
Wiendl diskutiert aber auch den generellen Nutzen des Coimbra-Protokolls. Die Vitamin-D-Gaben im Rahmen dieser Behandlung bezeichnet er nicht als hoch-, sondern als ultrahochdosiert. Denn diese Behandlung basiert auf der Annahme, dass Patienten mit MS und anderen Autoimmunerkrankungen (bspw. rheumatoide Arthritis) eine Resistenz gegen Vitamin D haben, sodass sich bspw. nicht ausreichend davon selbst bildet oder die tatsächlich hergestellten Mengen eine nur unzureichende Wirkung erzielen.
Deshalb muss die benötigte Menge Vitamin D für jeden Patienten individuell ermittelt werden, und zwar mithilfe des sogenannten PTH-Spiegels. Das Parathormon (kurz: PTH) wird in den Nebenschilddrüsen gebildet und seine Produktion wird durch Vitamin D gehemmt, weshalb sich durch den PTH-Spiegel Rückschlüsse auf die Vitamin-D-Aktivität ziehen lassen. Als Ziel formuliert Coimbra einen PTH-Spiegel von gerade unterhalb der Normalgrenze, regelmäßige ärztliche Überwachungen sind also notwendig. Um Nierenschäden zu vermeiden, müssen Patienten eine streng calciumarme Diät einhalten und mindestens 2,5 Liter pro Tag trinken, um ausreichend Calcium über die Nieren ausscheiden zu können. Letztlich gilt auch regelmäßiger Sport als wichtiger Bestandteil des Protokolls.
Wie wird das Coimbra-Protokoll bewertet?
Wiendl rät dazu, eine solch ultrahochdosierte Einnahme von Vitamin D keinesfalls eigenmächtig zu unternehmen, um eine Vergiftung zu vermeiden. Außerdem gebe es aktuell keine Studien von Coimbra zur Wirksamkeit seiner Behandlung, es lägen lediglich vielversprechende Berichte vor, denen es leider an Evidenz mangelt. Derzeit wird das Coimbra-Protokoll noch kritisch betrachtet und seine Anwendung sei nur im Rahmen eines Studienprotokolls zu rechtfertigen, damit der therapeutische Ansatz mit Beweisen unterfüttert und konsequent ärztlich überwacht werden könne. Aus heutiger wissenschaftlicher Perspektive kann das Protokoll nicht befürwortet werden, da keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen.
Deshalb sollten derlei hohe Dosen niemals ohne ärztliche Aufsicht und Absprache eingenommen werden. Nur so lassen sich potenziell schädliche Auswirkungen früh erkennen um sie zu behandeln oder zu vermeiden.
Vitamin-D-Hochdosis verstärkt Krankheitsaktivität bei MS?
Ein schlechter Vitamin-D-Status wird in Verbindung gebracht mit einer erhöhten Rezidivrate und früher eintretenden körperlichen Einschränkungen bei Multiple Sklerose. Unter Rezidivrate versteht man hier die vorübergehende Verschlechterung der Erkrankung bzw. das Wiederauftreten der für die Krankheit typischen neurologischen Ausfälle in Schüben.
Aufgrund dieses Zusammenhangs bekommen MS-Patienten häufig den Vitamin-D-Vorläufer Cholecalciferol, auch wenn sein therapeutischer Nutzen nicht eindeutig belegt ist. Martin Weber und seine Kollegen haben daher in ihrer Studie Versuche an Mäusen durchgeführt und diesen verschiedene Mengen Vitamin D gegeben, und zwar über einen Zeitraum von 3 Monaten.
Um es hier etwas zu vereinfachen: Die Mäuse wurden in drei Gruppen so gefüttert, dass sie drei verschiedene Vitamin-D-Niveaus erreichten: Ein Vitamin-D-Mangel (<30 nmol/l), ein physiologisches („normales“) Level (100 nmol/l) und eine dauerhafte Vitamin-D-Hochdosis (250 nmol/l). Vereinfacht ausgedrückt, zeigte sich im Ergebnis: Sogenannte T-Zellen spielen bei MS eine große Rolle, da sie – obwohl sie eigentlich nur körperfremde Stoffe abwehren sollen – in das Gehirn eindringen und so das zentrale Nervensystem angreifen. Moderate Mengen Vitamin D (also die mittlere Gruppe der Untersuchungen) haben diese T-Zellen in ihrer Aktivität gehemmt. Überraschend für die Forscher war aber, dass hochdosiertes Vitamin D für einen Calciumüberschuss sorgte, was wiederum zur Folge hatte, dass die T-Zellen eher zu Entzündungsaktivierung neigten.
Die Forscher schlussfolgern angesichts ihrer Ergebnisse, dass die moderate Gabe von Vitamin D durchaus einen regulierenden Effekt haben kann. Allerdings hat eine dauerhafte Vitamin-D-Hochdosis möglicherweise zur Folge, dass sich die Krankheitsaktivität bei Multipler Sklerose sogar erhöht.
Weniger MRT-Läsionen durch hochdosiertes Vitamin D?
2016 wurden auf dem ECTRIMS-Kongress in London lang erwartete Studienergebnisse vorgestellt. Diese entstammten den Untersuchungen von Raymond Hupperts und seinen Kollegen, die sich mit der Wirksamkeit von Vitamin D3 bei Multiple Sklerose befassten, und zwar im Rahmen der sogenannten SOLAR-Studie.
Die untersuchten Teilnehmer waren allesamt an MS Erkrankte, die seit mindestens 3 bzw. höchstens 18 Monate mit Interferon β-1a behandelt worden waren. Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie waren außerdem Vitamin-D-Werte von unter 150 nmol/l, ein tatsächlicher Mangel musste also nicht vorliegen.
Welchen Einfluss von Vitamin D auf MS konnten die Forscher nachweisen?
Zum Zweck der Studie bekam die erste Hälfte der Probanden zusätzlich zur Interferon-Behandlung noch 14.000 i. E. Vitamin D3 pro Tag. Die andere Gruppe bekam ein Placebo. In Bezug auf die Krankheitsaktivität ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede. Die Vitamin-D-Gruppe kam auf 37,2 % ohne Krankheitszeichen, die Placebo-Gruppe auf 35,3 %. Das hing auch damit zusammen, dass bei vielen Betroffenen die körperlichen Einschränkungen nur langsam voranschritten. Bei 72 % der Vitamin-D-Gruppe und 75 % der Placebo-Gruppe kam es dahingehend zu keinerlei Fortschritt.
Auffällig waren aber vor allem zwei Dinge: Die Schubrate der Teilnehmer in der Vitamin-D-Gruppe lag mit 0,28 Schüben pro Jahr deutlich unter den 0,41 der Placebo-Gruppe. Außerdem – und das ist vielleicht noch wichtiger, weil durch die Studie belastbarer – kam es zu weniger Läsionen im MRT. Mithilfe dieses bildgebenden Verfahrens lassen sich für die Multiple Sklerose charakteristische Verletzungen erkennen. In der Vitamin-D-Gruppe waren im Schnitt 1,09 aktive Läsionen zu erkennen, in der Placebo-Gruppe waren es 1,49 – das entspricht etwa einem Drittel mehr.
Das eigentliche Studienziel bestand darin, ein sogenanntes NEDA-Kriterium zu erzielen. NEDA steht für No Evidence of Disease Activity und bedeutet, dass die Krankheit zum Stillstand kommt. Dieses Ziel wurde angesichts der Ergebnisse aber verfehlt. Allerdings konnten Hinweise darauf gefunden werden, dass die zusätzliche Gabe von hochdosiertem Vitamin D einen schützenden Effekt hat und der Entstehung von MRT-Läsionen entgegenwirkt. Für einen Effekt auf das NEDA-Kriterium müssten längere Untersuchungen stattfinden, bei denen sich im Verlauf auch die für MS typischen körperlichen Einschränkungen ergeben.
Selten, aber möglich: Vergiftung durch Vitamin D
Schon 2017 warnte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft davor, frei erhältliche Vitamin-D-Präparate eigenmächtig einzunehmen und wies auf die möglichen schwerwiegenden Folgen wie Nierenversagen hin. Anlass für diese Warnung waren zwei Fälle, die sich ereignet hatten, nachdem Personen eigenmächtig Vitamin D eingenommen hatten – und zwar in sehr großer Menge. Eine 78-jährige Frau und ein 60-jähriger Mann nahmen 10.000 i. E. bzw. 50.000 i. E. pro Tag ein. Bei beiden Patienten kam es in der Folge zu akutem Nierenversagen inklusive Calciumüberdosierung. Untersuchungen zufolge waren andere Ursachen als die Einnahme der Präparate ausgeschlossen.
Während sich die 78-jährige Frau erholte, hat der 60-Jährige jetzt dauerhaft mit den Folgen zu kämpfen, denn bei ihm hat sich eine Niereninsuffizienz ergeben, die ihn zur regelmäßigen Dialyse verpflichtet. Einmal mehr wies die Arzneimittelkommission darauf hin, dass nicht mehr als 800 i. E. Vitamin D selbstständig regelmäßig eingenommen werden sollten. Es sei ratsam, bei höheren Dosierungen mit einem Arzt zu sprechen.
Auch in Kanada kam es zu einem Fall von Überdosierung. Diesen diskutiert Bourne L. Auguste in einem Aufsatz . Ein 54-jähriger Mann hat über einen Zeitraum von 2 ½ Jahren auf Anraten eines „naturheilkundlichen Spezialisten“ (frei aus dem Englischen übersetzt; orig.: naturopathic specialist) täglich Vitamin D eingenommen. Hinzukam, dass er unwissentlich ein weiteres Präparat einnahm, das 1.000 i. E. pro Tropfen enthielt, sodass er pro Tag letztendlich auf 8.000–12.000 i. E. kam. Der Mann kam mit einem Calciumüberschuss und stark erhöhtem Vitamin-D-Spiegel ins Krankenhaus.
Ein Jahr nach der Diagnose haben sich die Werte des Mannes wieder normalisiert, allerdings hat er jetzt mit einem chronischen Nierenleiden zu kämpfen.
Giftiges Vitamin D?
Vorab sei gesagt, dass wir uns darüber im Klaren sind, dass es nur sehr selten zu Fällen wie den geschilderten kommt. Aber sie ereignen sich nun einmal. Fachsprachlich spricht man in diesem Zusammenhang von Vitamin-D-Toxizität (engl.: Vitamin D Toxicity, kurz: VDT). Mit diesem Umstand haben sich Forscher um Ewa Marcinowska-Suchowierska und ihre Kollegen genauer beschäftigt und ein entsprechendes Paper veröffentlicht.
Uns geht es hier im Artikel vor allem um eine sogenannte exogene Form der VDT. Man spricht hier von exogen, da die Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin D von außen zugeführt werden. Die Vergiftung kann auch die Folge von Vitamin-D-Stoffwechselproblemen oder anderen Krankheiten sein. Allerdings sind die Forscher der Ansicht, dass das Risiko für VDT zusammen mit der Aufmerksamkeit für die vermeintlichen Vorteile des Vitamins steigt. Nicht zuletzt, weil dadurch auch immer mehr Menschen selbst entscheiden, wann sie wie viel einnehmen. Eine VDT äußert sich in mehreren Beschwerden. Zu diesen gehören:
- Verwirrtheit
- Apathie
- Erbrechen
- Bauchschmerzen
- häufiges Wasserlassen
- ständiger Durst
- Austrocknung
Die Bevölkerung nimmt selbst immer mehr Vitamin D ein und es wird auch häufiger therapeutisch verordnet. Nichtsdestotrotz fehlt oft die notwendige medizinische Überwachung, sodass es möglich ist, dass es auch zu mehr Fällen von VDT durch exogene Faktoren (z. B. die Zufuhr von Vitamin D in Form von Tropfen) kommt.
Fazit zur Behandlung mit Vitamin-D-Hochdosis
Die bisherige Studienlage in Bezug auf hochdosiertes Vitamin D konnte den Nutzen dieser hohen Mengen nicht rechtfertigen. Die Forscher kommen aber stellenweise überein, dass bestimmte Mengen als sicher gelten – auch wenn sie keinen spür- oder messbaren Effekt haben und deswegen zu kaum einer Behandlung empfohlen werden.
Gerade das Coimbra-Protokoll des brasilianischen Arztes Cicero Galli Coimbra wird kritisch beäugt, da es mit extrem hohen Mengen Vitamin D durchgeführt wird – und auch wenn eine Vergiftung mit Vitamin D selten ist, so kann sie vorkommen und hat teils dauerhafte Folgen für Patienten, die bspw. ein akutes Nierenversagen erleiden und ab diesem Zeitpunkt regelmäßige Dialyse angewiesen sind.
Gerade so große Mengen sollten dem Körper also nicht in Eigenregie zugeführt werden. Wenn Sie sich für eine eigens eingeleitete Therapie entscheiden, sorgen Sie zumindest dafür, dass Ihr Arzt Bescheid weiß und halten Sie regelmäßig mit Ihm Rücksprache. Auch regelmäßige Überprüfungen des Vitamin-D-Spiegels sind dann ratsam.
Den eigenen Vitamin-D-Speicher kann man übrigens auch sehr simpel füllen, auch wenn es sich mittlerweile abgedroschen anhört. Gehen Sie – bewusst – Sonnenbaden, um die Produktion von Vitamin D aktiv anzukurbeln. Übrigens werden durch die Einwirkung des Sonnenlichts auch noch andere für unsere Gesundheit zuträgliche sogenannte Photoprodukte synthetisiert. Bei dieser Methode laufen Sie auch nicht Gefahr eine Überdosierung zu erleiden, müssen aber wohl darauf achten, sich keinen Sonnenbrand einzufangen!
Häufige Patientenfragen
Wann habe ich einen Vitamin-D-Mangel?
Dr. Dr. T. Weigl
Hier berufe ich mich auf die Definition des Robert-Koch Instituts zu dem Thema. Diesem zufolge haben Sie einen Mangel, wenn unser Vitamin-D-Spiegel unterhalb von 30 nmol/l liegt. Eine suboptimale Versorgung ist zwischen 30 und 50 nmol/l gegeben und ab 50 nmol/l sind wir ausreichend mit Vitamin D versorgt.
Kann ich mit Vitamin D Krebs vorbeugen?
Dr. Dr. T. Weigl
Stand jetzt (Dezember 2019) muss diese Frage mit „Nein“ beantwortet werden. In einigen Studien zeigen sich zwar Anti-Krebs-Effekte, aber es haben sich bisher nur wenige Hinweise auf eine präventive Wirkung von Vitamin D auf die Entstehung von Krebs ergeben. Es ist leider so, dass aus den Studien zwar viele spannende Hinweise hervorgingen, allerdings konnten diese Hinweise nicht in stichhaltige Beweise überführt werden.
Ich habe mich mit diesem Thema auch schon ausgiebig in einem Video beschäftigt und werte dort viele qualitativ hochwertige Studien aus.
Ich hab mal gelesen, dass die vorsorgliche Einnahme von Vitamin D dabei helfen soll, sich vor Atemwegserkrankungen zu schützen. Stimmt das?
Dr. Dr. T. Weigl
Auch dazu kann man sich aktuell nicht abschließend äußern. Studien haben zum Teil widersprüchliche Ergebnisse zutage gefördert. Einerseits konnte in einer Studie mit einer monatlichen Hochdosis-Behandlung kein Unterschied zwischen einer Vitamin-D-Gruppe und einer Kontrollgruppe mit Placebo ausgemacht werden. Andererseits ergab eine Meta-Analyse mehrerer Studien, dass das Risiko für akute Infektionen der Atemwege bei allen Teilnehmern gesenkt werden konnte, und zwar vor allem dann, wenn die Teilnehmer zu Beginn der Untersuchung bereits einen Mangel (< 25 nmol/l) aufwiesen. Letztlich kann also nicht abschließend gesagt werden, ob Vitamin D nun vor Erkältung, Grippe, Bronchitis oder Lungenentzündung schützt. Auch die Weltgesundheitsorganisation ist dahingehend noch zurückhaltend und verweist darauf, dass weitere Untersuchungen nötig seien.
Wie gefährlich ist eine Vitamin-D-Überdosierung?
Dr. Dr. T. Weigl
Vorab will ich noch einmal betonen, dass dies sehr selten passiert. Allerdings kann es durch die gesteigerte Aufmerksamkeit für die vermeintliche Notwendigkeit der Vitamin-D-Einnahme dazu kommen, dass immer mehr Menschen Vitamin D zu sich nehmen und es auch selbst (falsch) dosieren. Das kann dann natürlich zu mehr Fällen von Vergiftung führen. Unseren Beispielen oben können Sie entnehmen, dass es dann zu vielen verschiedenen Beschwerden kommen kann, darunter Verwirrtheit, Apathie, Erbrechen, Bauchschmerzen, häufiges Wasserlassen, ständiger Durst und Austrocknung. Tun Sie sich also selbst den Gefallen und besprechen eine geplante Vitamin-D-Einnahme vorher mit Ihrem Arzt.
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Die hier beschriebenen Punkte (Krankheit, Beschwerden, Diagnostik, Therapie, Komplikationen etc.) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wird genannt, was der Autor als wichtig und erwähnenswert erachtet. Ein Arztbesuch wird durch die hier genannten Informationen keinesfalls ersetzt.
Autor: Dr. Dr. Tobias Weigl, Tobias Möller
Lektorat: Timo Hülsmann
Veröffentlicht am: 05.12.2019
Quellen
- Terry J. Aspray u. a. (2019) : Randomized controlled trial of vitamin D supplementation in older people to optimize bone health. In: The American Journal of Clinical Nutrition 109/1, S. 207–217.
- Bourne L. Auguste (2019) : Use of vitamin D drops leading to kidney failure in a 54-year-old man. In: CMAJ 191/14, S. 390–394.
- Heike A. Bischoff-Ferrari u. a. (2016) : Monthly High-Dose Vitamin D Treatment for the Prevention of Functional Decline – A Randomized Clinical Trial. In: JAMA Internal Medicine 176/2, S. 175–183.
- Julia Borsch (2017) : AKDÄ warnt – Nierenversagen durch vermeintlich harmlose Vitamin-D-Präparate. In: deutsche-apotheker-zeitung.de.
- Lauren A. Burt u. a. (2019) : Effect of High-Dose Vitamin D Supplementation on Volumetric Bone Density and Bone Strength – A Randomized Clinical Trial. In: JAMA 322/8, S. 736–745.
- Carlos A. Camargo Jr. u. a. (2016) : Effect of Monthly High-Dose Vitamin D Supplementation on Cardiovascular Disease in the Vitamin D Assessment Study – A Randomized Clinical Trial. In: JAMA Cardiology 2/6, S. 608–616.
- Raymond Hupperts (2017) : High dose cholecalciferol (vitamin D3) oil as add-on therapy in subjects with relapsing-remitting multiple sclerosis (RRMS) receiving subcutaneous interferon β-1a (scIFNβ-1a) (S44.005). In: Neurology 88/16, 18. April 2017.
- Ewa Marcinowska-Suchowierska u. a. (2018) : Vitamin D Toxicity – A Clinical Perspective. In: Frontiers in Endocrinology, 20. September 2018.
- Manuel Montero-Odasso (2018) : The Effect of High Dose Vitamin D3 on Physical Performance in Frail Older Adults. A Feasability Study. In: The Journal of Frailty and Aging 7/3, S. 155–161.
- Thomas Müller (2016) : Direkt vom Londoner MS-Kongress: Hochdosiertes Vitamin D hilft bei MS. In: aerztezeitung.de.
- Christine Reinecke (2018) : Vitamin D verändert das Epigenom – Maßgeschneiderter Einsatz des Vitamins soll bei Multipler Sklerose helfen. In: Deutsche Apotheker Zeitung 17/2018, S. 78.
- Robert Scragg u. a. (2014) : Long-Term High-Dose Vitamin D3 Supplementation and Blood Pressure in Healthy Adults – A Randomized Clinical Trial. In: Hypertension AHA 64, S. 725–730.
- Martina B. Sintzel (2018) : Vitamin D and Multiple Sclerosis: A Comprehensive Review. In: Neurology and Therapy 7/1, S. 59–85.
- Martin S. Weber u. a. (2019) : High dose vitamin D exacerbates central nervous system autoimmunity by raising T-cell excitatory calcium. In: Brain 142/9, S. 2737–2755.
- Heinz Wiedl u. a. (2017) : Hochdosiertes Vitamin D als Zusatztherapie in der Behandlung der Multiplen Sklerose? – Ein Update. In: dmsg.de.
Carl
15.01.2020 22:58Ich bin nicht überzeugt, ob das Coimbra Protokoll wirklich sinnvoll ist. Dazu fehlt es an ausreichend aussagekräftigen Hinweisen und die vollmundigen Versprechungen von 90-95% behandelten Patienten in Remission erscheinen mir persönlich unglaubwürdig.
Dennoch ein Wort zur Mäusestudie die unter der Überschrift „Vitamin-D-Hochdosis verstärkt Krankheitsaktivität bei MS?“ erwähnt wird.
Die Aussagekraft und Schlussfolgerungen halte ich für zweifelhaft. Mäuse sind wildlebend nachtaktiv, dementsprechend ist die LD50 von Vitamin D vergleichsweise niedrig. Daher wird Vitamin D auch als Rodentizid eingesetzt.
In der Studie wurde den Mäuse 2 mg/kg Vitamin D verabreicht, also zwischen 1/20 und 1/10 der bekannten letalen Dosis (40mg/kg), 2 Monate lang, täglich.
Die letale Dosis beim Menschen ist meines Wissens nicht bekannt. Beim Hund gibt es Beobachtungen zu 88mg/kg. Umgelegt auf einen 75 kg Menschen wären das 264.000.000 IE. Äquivalent zur Mäusestudie wären das zwischen 13.200.000 IE (1/20) und 26.400.000 IE (1/10) täglich, für 2 Monate.
Das Studiendesign ist deshalb absolut kritisch zu beurteilen und in meinen Augen sogar schlichtweg fehlerhaft. Rückschlüsse auf hohe Vitamin-D-Dosierung beim Menschen lassen sich unter solchen Bedinungen nicht ziehen.
Hardy
04.04.2020 12:58Weshalb nimmt MS mit der Entfernung zum Äquator (Sonne + Vitamin D) zu?
Dr. Tobias Weigl
07.04.2020 16:28Bitte schicken Sie mir einmal die Daten/ Studien dazu. Damit ich mir einmal die Statistiken anschaue. Viele Grüße
Dr. T. Weigl
Tabea
03.12.2020 15:14Könnten Sie einmal etwas zu Vitamin D und dem Coimbra-Protokoll bei Psoriasis schreiben?
Awa
15.11.2022 06:51Ich habe mir gerade die Studien in Ihrem Verzeichnis angeschaut und bzgl. MS verstehe ich nicht, warum Sie schreiben, dass es da keinen Zusammenhang gibt.
Bis auf eine Studie mit einer kleinen Stichprobe fallen alle anderen Studien signifikant bzw. mit einer klaren Tendenz aus.
Außerdem ist zu beachten, dass an der Charité eine weitere Studie läuft…. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt.
Kira N.
12.03.2023 21:06Vielen Dank für diesen Beitrag zu Vitamin D. Interessant, dass in Studien kein direkter Zusammenhang zwischen Vitamin D Einnahme und der Knochendichte nachgewiesen werden konnte. Ich wollte sowieso mal meine Knochendichte messen lassen und werde mal schauen, ob bei mir die Einnahme von Vitamin D daran etwas verändert.